Bad Berleburg. . Erstmals seit 1746 wird in Deutschland wieder eine Herde mit acht Tieren durch die Wälder streifen. Richard Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg startete die Initiative vor zehn Jahren. In Freiheit, unterwegs im Rothaargebirge, ein europaweit einzigartiges Artenschutzprojekt.

Die Groppe. Cottos gobio. Ein Süßwasserfisch, 12 bis 16 Zentimeter lang. Schwimmt schlecht, ruckelt mit breitem Kopf und einer Haut ohne Schuppen über den Boden. Ein unscheinbares Geschöpf, das am liebsten nachts unterwegs ist. Richard Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg plaudert über die seltsamen Fische und die Arbeit, diese vom Aussterben bedrohte Art in seinen Teichen zu erhalten.

Der 78-Jährige fühlt sich der Natur verbunden. Hier ist er in seinem Element. Natur ist sein Geschäft. 13.000 Hektar Wald gehören zu seinem Besitz. Nur wenige verfügen in Deutschland über mehr. „Über die Frösche, sie sterben gerade an einer Seuche, schreibt niemand.“ Und über das Moderlieschen, kein possierliches Schmusetier, sondern ein Zwergfisch, und den Schwarzstorch, der im Wittgensteiner Land wieder brütet, nähern wir uns dem Wisent in seinen Wäldern. Warum Wisente? „Alle fragen nach dem Motiv. Ich wollte ein Tier, das keine Tiere frisst.“

Zehn Jahre ist es her, dass Prinz Richard die Initiative angestoßen hat, Wisente in Wittgenstein anzusiedeln. In Freiheit, unterwegs im Rothaargebirge, ein europaweit einzigartiges Artenschutzprojekt. „Ich wollte nie ein Gatter für die Tiere.“

Bis zu 1000 Kilogramm schwer

In drei, vier Wochen wird es wahr: Im 88 Hektar großen Eingewöhnungsgehege fällt der Zaun: Zum ersten Mal seit 1746 soll in Deutschland eine Wisent-Herde mit acht Tieren allein ihrer Wege gehen. „Wahrscheinlich scharren die Tiere mit den Hufen, schnauben und können es kaum erwarten“, sagt Prinz Richard, schaufelt mit seiner rechten Hand und grinst verschmitzt. Ihn amüsiert die Unkenntnis über das Verhalten Europas größter Landsäugetiere.

Auch interessant

Bis zu 1000 Kilogramm können sie, bei einer Größe von 2 Metern und einer Länge bis zu 3,50 Metern, schwer werden. Und Durchlaucht ist sich ziemlich sicher: „Die Leute werden sie im Wald nicht sehen, genauso wenig wie sie das Rotwild sehen.“

Im Rückblick schmunzelt er über den heftigen Widerstand „über die da drüben aus dem Hochsauerlandkreis“. Er habe nichts gegen Widerstand, wenn er mit Sinn sei, „aber dass die vom Tourismus, die Hoteliers. so dagegen gewesen sind, hat mich sehr gewundert“. Dabei sei das Projekt für die Branche schließlich wie ein Elfmeter ohne Torwart.

Der Zorn jenseits des Rothaarkamms ist verraucht, die Auswilderung der Wisente akzeptiert. Prinz Richard: „Jetzt machen sie Reklame dafür. Sie haben es verstanden.“ Dass ihn das heftige Aufbegehren zwischenzeitlich ermüdet hat, gibt er zu. Der Gedanke, an die Wisente für immer einen Haken zu machen, meldete sich nicht nur einmal. „Wir haben ja nichts davon.“

Im Nachklang wurmen ihn die Vorwürfe, die Wisente seien als Jagdobjekte für den Adel und seine Gesellschaft vorgesehen. „Uns wird immer alles unterstellt. Ich werde im Lebtag keinen Wisent totschießen.“

Keine Gefahr für Leib und Leben

Dass sich die Herde sofort auf den Weg macht, glaubt er nicht. Die Gras-Silage, die im Winter an der Futterstelle auf die Grasfresser wartet, macht träge. „Sie sind ja faul wie Bolle“, sagt der Prinz. Eine Gefahr für Leib und Leben geht aus seiner Sicht von der Herde – ein Bulle, fünf Kühe und zwei Kälber – nicht aus. „Mit ihnen wird die Gefahr im Wald nicht größer.“

Wissenschaftler der Universität Siegen geben dem Prinzen Recht. Mit Mountainbikern, Tierfotografen, Wanderern und Hunden haben sie versucht, die Wisente aus der Ruhe zu bringen. Das Ergebnis: Näher als 40 Meter kam niemand. Die Wisente suchten das Weite. Und auch für die Sorge über mögliche Fraßschäden an Bäumen gibt es keinen Beleg. Die Schäden blieben in einer wissenschaftlichen Untersuchung der Universität Göttingen kaum nachweisbar. Die Tiere verputzten kiloweise Gräser und Gestrüpp.

Wenn es nach Prinz Richard geht, „dürfen die Tiere überall herumlaufen“. Dass niemand weiß, wo sich die Herde aufhält, wird es nicht geben. Zwei Wisente tragen einen GPS-Sender, lassen sich immer und überall ausfindig machen. Ihre Heimat soll die Futterstelle im Winter werden. Auch muss, um Inzucht zu vermeiden, der Bulle Egnar die Herde verlassen, wenn seine Nachkommen geschlechtsreif sind, und für ein neues Männchen Platz machen.

Egnars Ankunft in Bad Berleburg bleibt Prinz Richard bis heute unvergessen. Keine zwei Minuten im Gehege, es war der 24. März 2010, büxte der Bulle mit einem kräftigen Satz aus. Der Strom am Zaun war abgeschaltet. „Ich habe so gelacht. Das war einmalig.“ Zu den Wisenten hat Prinz Richard alles gesagt. Jetzt dreht sich das Gespräch um die Neunaugen. „Kennen Sie die?“ „Nein“. Lebende Fossilien im Wasser, die auf der Roten Liste gefährdeter Tierarten stehen - wie die Wisente.