Bad Laasphe/Siegen-Wittgenstein. Kreis Siegen-Wittgenstein weitet Pflegebedarfsplanung deutlich aus. Das eröffnet Chancen für Investoren - nicht nur in Bad Laasphe.

Das sind gute Nachrichten für die Investoren in Bad Laasphe: Die Herforder Portarion GmbH & Cie. KG rennt mit ihren Plänen für ein Pflegeheim am Standort „Auf der Pfingstweide“ bei ihnen offene Türen ein. Die befürchtete Hürde der Pflegebedarfsplanung durch den Kreis Siegen-Wittgenstein ist keine. Das erläutert der Kreis Siegen-Wittgenstein auf Nachfrage der Redaktion. Und nicht nur das: Der Kreis begrüßt die Initiative von potenziellen Investoren wegen des steigenden Pflegebedarfs und den demografischen Faktoren sogar.

Kreis verzichtet auf Einflussnahme

Die ursprüngliche Ausgangslage war aber eine andere: „Für die Jahre 2016 bis 2019 hat der Kreis von der im Alten- und Pflegegesetz NRW (APG NRW) eingeräumten Steuerungsmöglichkeit der verbindlichen Pflegebedarfsplanung Gebrauch gemacht.“ Das bedeutet, es mussten Bedarfe ermittelt und nachgewiesen werden, damit ein Investor eine vollstationäre Einrichtungen bauen konnte. In dieser Zeit hat der Kreis unmittelbar Einfluss auf die Ausgestaltung, die Anbieter und den Standort neuer Pflegeeinrichtungen nehmen können, erläutert der Kreis.

Der Kreis Siegen-Wittgenstein prognostiziert bis zum Jahr 2026 einen zusätzlichen Bedarf von 547 stationären Pflegeplätzen.
Kreis Siegen-Wittgenstein

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Seit vier Jahren ist das anders: „Mit dem Pflegebedarfsplan 2020 hat der Kreistag die verbindliche Planung aufgehoben. Seitdem sind Investoren bei möglichen Neu- und Umbauprojekten nicht mehr an die oben genannten Voraussetzungen gebunden. Ein mögliches Hemmnis durch die Pflegebedarfsplanung besteht somit nicht. Das Gegenteil ist der Fall: Der Kreis Siegen-Wittgenstein prognostiziert in der aktuellen unverbindlichen Pflegebedarfsplanung 2023 bis zum Jahr 2026 einen zusätzlichen Bedarf von 547 stationären Pflegeplätzen.“ Hintergrund ist eine doppelte Entwicklung. Neben dem steigenden Bedarf einerseits, fielen andererseits Wohnkapazitäten weg, die nicht mehr den Anforderungen nach Wohn- und Teilhabegesetz NRW entsprechen (WTG NRW). „Das vergrößert die Angebotslücke zusätzlich.“

Die Behörde hat reagiert: „Eine zentrale Empfehlung des Pflegebedarfsplans 2023 ist daher die Schaffung weiterer stationärer Pflegeplätze. Insofern begrüßt die Kreisverwaltung entsprechende Bestrebungen wie in Bad Laasphe ausdrücklich. Angesichts der älter werdenden Bevölkerung im Kreisgebiet kommt auch der Entwicklung von mehr barrierefreiem Wohnraum eine zentrale Bedeutung zu. Eine Anpassung der Pflegebedarfsplanung für Bad Laasphe, wie im Presseartikel gefordert, ist jedoch nicht erforderlich“, heißt es aus Siegen.

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Die konkrete Situation in Bad Laasphe

Derzeit stehen laut Kreis in Bad Laasphe 150 stationäre Pflegeplätze zur Verfügung. Die für 2022 ermittelte Auslastung von 82 Prozent (Pflegebedarfsplan 2023) unterlag krisenbedingten Besonderheiten im Belegungsmanagement, weshalb die Auslastung inzwischen höher liegen dürfte. Hierbei sei zu beachten, dass Pflegeplätze in Bad Laasphe auch von Menschen aus anderen Kommunen genutzt werden können, für die bereits 2023 eine deutliche Unterdeckung ermittelt wurde.

Auch die durch den Geschäftsführer der Portarion, Thomas Henke, zitierte Prognose von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach greift der Kreis auf: „Derzeit ist nicht zu erwarten, dass sich am Trend steigender Pflegefallzahlen grundsätzlich etwas ändern wird. Das legen auch die Statistiken zu den Erstbegutachtungen vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) nahe. Bei insgesamt 4.250 Erstbegutachtungen wurden im Jahr 2022 für 3.352 Menschen Pflegegrade festgestellt […]. Auf Grundlage dieser Daten erscheint ein weiterer Anstieg der Zahl der Pflegebedürftigen wahrscheinlich.“

Die aktualisierten Daten für das Jahr 2023 werden der Kreisverwaltung voraussichtlich Ende 2024 vorliegen, sodass die Pflegebedarfsplanung gemäß den gesetzlichen Vorgaben im Jahr 2025 fortgeschrieben wird, heißt es abschließend.

Die Geschichte des Fritz-Heinrich-Zentrums

1974: Das Fritz-Heinrich-Seniorenzentrum in Bad Laasphe wird errichtet. Es gibt eine enge Verknüpfung zwischen dem Eigentümer Bezirksverband Westliches Westfalen der AWO und dem Ortsverein. Der AWO-Ortsverein leistet im Heim knapp 1000 Stunden ehrenamtlicher Arbeit.

2016: Der Bezirksverband Westliches Westfalen der Arbeiterwohlfahrt will das Fritz-Heinrich-Seniorenzentrum in Bad Laasphe schließen. Es steht in Konkurrenz zum eigenen 2007 in Erndtebrück errichteten Haus, das aber nicht im Eigentum ist, sondern angemietet. Das Alter des Laaspher Gebäudes und ein von Insidern immer wieder angeprangerter Investitionsstau könnten den Ausschlag gegeben haben. Hinzu sei eine Unterbelegung von 50 Prozent gekommen.

2017: Ende März ziehen die letzten Bewohner aus. Viele der zum Teil pflegebedürftigen Bewohner sind ins Seniorenzentrum der AWO an der Struthstraße in Erndtebrück. Oder auch ins benachbarte Hessen umgezogen.

2020: Der AWO-Bezirksverband ist weiter auf Investorensuche. In der Politik wird über die Chancen wegen des hohen Wohnraumbedarfs in der Stadt diskutiert.

2021: Die Portarion GmbH aus Herford übernimmt die Immobilie von der AWO und plant dort Service-Wohnungen für Menschen ab 60 Jahren.

2023: In Bad Laasphe diskutieren Verwaltung und Politik den Kauf des Fritz-Heinrich.-Zentrums, um es als Wohnraum für geflüchtete herzurichten. Das scheitert am Votum des Rates und dem Verweis auf den hohen Investitionsstau.