Raumland. Das Familienzentrum Blauland kämpft mit anderen Trägern gegen die Unterfinanzierung der Tageseinrichtungen in NRW. So geht es weiter.
Das Familienzentrum Blauland musste seine Öffnungszeiten stark reduzieren, da es an Finanzierung fehlt. Sollte es so weiter gehen, wird die Einrichtung gezwungen sein, auch beim Personal einzusparen und Erziehern zu kündigen. Der Elternrat hat nun eine Spendenaktion über GoFundMe gestartet, um das zu verhindern. Die Einrichtung ist aber nur ein Beispiel. Alle Kitas in ganz NRW sind von der Unterfinanzierung betroffen.
Tariferhöhung nicht durchdacht
Hintergrund der großen finanziellen Lücke ist die seit dem 1. März 2024 in Kraft getretene Tariferhöhung für die Erzieher. „Diese Erhöhung war schon seit Jahren überfällig“, sagt Einrichtungsleiterin Birte Freudenberg. Die Regierung hat jedoch nicht dementsprechend die Betriebskosten angepasst, sondern eine einmalige Sonderzahlung geleistet, die deutlich unter der benötigten Summe lag.
Das Familienzentrum Blauland in Raumland hat keinen größeren Träger wie die Kirche oder die Awo, deshalb ist die Unterfinanzierung hier zuerst zu spüren. Aber nicht nur Einrichtungen kleiner Träger haben Schwierigkeiten. „Die Kürzungen betreffen sowohl kleine als auch große Träger“, erzählt Einrichtungsleiterin Birte Freudenberg, die auch im Austausch mit der Awo steht. „Ohne die Hilfe der Stadt Bad Berleburg, die die Trägeranteile für alle Kitas finanziert, wären wir nicht erst jetzt an unsere finanziellen Grenzen gestoßen, sondern schon viel früher.“ so Geschäftsführerin Doro Vetter.
Geänderte Öffnungszeiten führen zu Problemen
Für die Geschäftsführung des Trägervereins der Kita Blauland Doro Vetter und Birte Freudenberg gab es nur eine Lösung: Kürzung der Mitarbeiterstunden und die damit verbundene Kürzung der wöchentlichen Öffnungszeiten von 52 auf 45 Stunden.
Das Alleinstellungsmerkmal, auf das die Kita besonders stolz ist, die gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf, steht damit auf der Kippe. Gerade Eltern, die darauf angewiesen sind, ihr Kind schon um sechs Uhr in die Betreuung zu geben und auch am Freitagnachmittag nicht zu Hause sein können, stehen vor einem großen Problem.
Nicht nur Familien werden aber vor eine Herausforderung gestellt. Auch die angestellten Erzieher mussten ihre Stunden reduzieren und verzichten somit auf einen Teil ihres Gehaltes. „Wir wollen auf keinen Fall Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen entlassen“, sagt Birte Freudenberg. Den höheren Tarif bekommen die Erzieher bezahlt, durch die reduzierten Stunden haben sie am Ende des Monats allerdings nicht mehr Geld, wie es eigentlich gedacht sein sollte.
Ohne Personal keine Projekte
Die Projekte der Einrichtung liegen den Mitarbeitenden und Eltern der Kita besonders am Herzen. Ob Waldpädagogik, Gemüsebeet, Reiten oder das Hundeprojekt, all das müsse erhalten bleiben. Genau dafür sollen die Spenden eingesetzt werden. Aber ohne Personal keine Projekte. Bisher herrschte im Familienzentrum Blauland kein Mitarbeitermangel. Das könnte sich durch diese „politisch gewollten Sparmaßnahmen“ jedoch ändern, da einige Erzieherinnen auch bald in Rente gehen werden. „Obwohl Fachkräfte da sind, kann man sie nicht einstellen, weil man sie nicht bezahlen kann“, bedauert eine Mutter. Gerade bei Kindern dürfe man keine Einsparungen machen, denn „hier sind die Fachkräfte von morgen“. Die Politik wolle, dass Mütter arbeiten gehen, mache dies aber unmöglich, indem Kitas die Öffnungszeiten verkürzen müssen.
Der Elternrat hat nun eine Spendenaktion über GoFundMe gestartet. Diese Spendenaktion des Elternrats ist als Überbrückungslösung bis zum Ende des Kita-Jahres am 31. Juli gedacht. Gleichzeitig soll auch auf den Trägerverein aufmerksam gemacht werden. Wenn Leute, die spenden, auch in den Verein eintreten, sei dies eine enorme Hilfe, so Freudenberg. „Wir sind guter Dinge. Bisher haben wir immer Lösungen gefunden. Jetzt können wir Vorreiter sein und zeigen, wie man Projekte trotzdem weiterführen kann“, erzählt Doro Vetter.
Postkartenaktion und Tombola
Die Spendenaktion des Elternrates über GoFundMe ist nicht die einzige Aktion, um Spenden zu sammeln. Auch die Kleinen helfen fleißig mit, indem sie Postkarten selbst gestalten, die in den Buchhandlungen in Bad Berleburg, im Wiebelhaus sowie im Blumengeschäft Blumen Creativ verkauft werden. Ob bemalen oder bekleben, bei der kreativen Gestaltung der Postkarten sind den Kindern keine Grenzen gesetzt.
Außerdem hat das Familienzentrum bei mehreren Firmen nachgefragt, ob sie die Einrichtung unterstützen möchten und das Firmenlogo dafür auf dem Banner der Kita abgebildet wird. Bei dem Sommerfest im Reitstall der Kita soll es eine Tombola geben, bei der auch Spenden gesammelt werden.
„Es ist toll, wie die Eltern sich einbringen“
Die Politiker sollen auch noch einmal persönlich mit den Missständen konfrontiert werden, denn am 27. Mai wird im Bürgerhaus in Bad Berleburg eine politische Podiumsdiskussion stattfinden. Dort werden Grünen-Politiker und Politikerinnen des Bundes, des Landkreises und der Kommunen anwesend sein. „Alle Interessierten sind herzlich eingeladen, um mitzudiskutieren. Über Fragen und Beiträge aus dem Publikum freuen wir uns, je mehr, desto besser“, sagt Doro Vetter.
Einige Eltern haben die Kita gerade aufgrund der langen Öffnungszeiten ausgewählt. „Eine funktionierende Kita, die arbeitnehmer- und arbeitgeberfreundlich ist, wird von der Politik kaputt gemacht“, sagt eine Mutter aus dem Elternrat. Daraufhin habe der Elternrat die Spendenaktion gestartet. Der Trägerverein kann auch Spendenquittungen ausstellen, falls dies gewünscht wird, betont eine weitere Vertreterin des Elternrates. Über das Engagement freut sich auch Birte Freudenberg. „Es ist toll, wie die Eltern sich einbringen.“ Obwohl sich niemand über die neuen Öffnungszeiten gefreut habe, haben alle verständnisvoll reagiert.
Politik muss handeln
Die Erzieherinnen sind sich einig: Politisch muss sich etwas ändern. „Es muss endlich aufhören, dass das System Bildung seit Jahren auf Verschleiß gefahren wird. Wir ernten überall nur Schulterzucken bei der Frage, was getan werden kann und werden alleine gelassen“, so Doro Vetter.