Wittgenstein. Unterfinanzierung trifft Kitas hart: Die erste Wittgensteiner Einrichtung reduziert Öffnungszeiten. Droht eine Welle von Kürzungen?

Am 7. Dezember gingen die Kita-Mitarbeiter, Eltern und Kinder auf die Straße, um gegen die Unterfinanzierung der Kitas aufmerksam zu machen – geändert hat sich nichts. Nun muss die erste Kita in Wittgenstein Konsequenzen ziehen: Die Kindertagesstätte Blauland in Raumland reduziert ihre Öffnungszeiten. „Die Gelder vom Staat sind ab März nicht mehr auskömmlich. Tarifliche Erhöhungen hauen hauptsächlich rein, aber auch die Inflation und Energiekosten spielen eine Rolle“, sagt Birte Freudenberg, Leiterin des Familienzentrums. Hinter der Kita Blauland steckt kein großer Träger, sondern ein gemeinnütziger Verein – der „Bad Berleburger Kindertagesstätte Blauland e.V.“ – der aus Eltern, Freunden und Gönnern besteht, wie es auf der Internetseite der Kita heißt.

Alle arbeiten zehn Prozent weniger. Das ist eine solidarische Lösung, aber einfach war es nicht. Sonst hätten wir zwei Fachkräfte entlassen müssen.
Birte Freudenberg - Einrichtungsleitung der Kita Blauland

„Von März bis Juli fehlen 38.000 Euro – wir haben uns gefragt, wie wir das auffangen können“, erklärt Freudenberg weiter. Die Lösung, die gemeinsam mit den Mitarbeitern der Kita gefunden wurde: „Alle arbeiten zehn Prozent weniger. Das ist eine solidarische Lösung, aber einfach war es nicht. Sonst hätten wir zwei Fachkräfte entlassen müssen.“ Dementsprechend wurden die Öffnungszeiten angepasst. Bisher hatte die Kita Blauland 52 Stunden in der Woche geöffnet. Von 6 bis 16.30 Uhr. „Man bekommt als Kita aber nur 45 Stunden von öffentlicher Hand bezahlt“, sagt Freudenberg. Mit den neuen Öffnungszeiten sind jetzt die 45 Stunden, die vom Gesetzgeber bezahlt werden, abgedeckt. Ab 1. März ist die Kita Blauland dann von 6.30 Uhr bis 16 Uhr geöffnet, freitags nur bis 13.30 Uhr.

Personal der Kita Blauland verzichtet auf Arbeitsstunden und Lohn

Dass das Personal so mitzieht, ist besonders: „Dem ein oder anderen fällt es schwer. Aber es haben alle gesagt, sie machen das.“ Denn zehn Prozent weniger arbeiten, heißt auch zehn Prozent weniger Lohn. „Das ist keine gute Erfahrung und es war leider vorauszusehen, dass es so kommt“, sagt Freudenberg.

Die Rücklagen – die Kitas generell nur in einer gedeckelten Höhe bilden dürfen – sind aufgebracht. Die Pauschalen sind lange nicht mehr auskömmlich.
Anika Autschbach - wirtschaftliche Fachberatung beim AWO Kreisverband Siegen-Wittgenstein/Olpe

Droht auch in anderen Kindertagesstätten eine Reduzierung der Öffnungszeiten? „Die finanzielle Lage der Träger ist auch bei uns angespannt. Die Rücklagen – die Kitas generell nur in einer gedeckelten Höhe bilden dürfen – sind aufgebracht. Die Pauschalen sind lange nicht mehr auskömmlich“, sagt Anika Autschbach, wirtschaftliche Fachberatung beim AWO Kreisverband Siegen-Wittgenstein/Olpe. Das führt auch bei der AWO dazu, dass bei den Personal-, Sach- und Verwaltungskosten gespart werden müsse und größere Sanierungs- oder Instandhaltungsmaßnahmen nicht mehr möglich seien.

Auch bei anderen Trägern wird es finanziell eng

Die evangelischen Kitas des Kirchenkreises bestätigen die Situation ebenfalls: „Die seitens des Landes zur Verfügung gestellten Mittel reichen nicht aus. Aktuell drohen keine Reduzierungen von Öffnungszeiten oder andere Einschränkungen, allerdings werden diese auch bei uns bzw. innerhalb des Fachverbandes evangelischer Kindertageseinrichtungen stark diskutiert“, sagt Geschäftsführerin Alexandra Thienel. „Je nach weiterer finanzieller Entwicklung können Einschränkungen in der Kinderbetreuung jedoch nicht gänzlich ausgeschlossen werden.“

Eine Beteiligung des Landes an den Kostensteigerungen hat es in dieser Höhe noch nie gegeben.
Anke Fuchs-Dreisbach - CDU-Landtagsabgeordnete

Das Problem, neben den steigenden Kosten für Tariflöhne der Mitarbeiter, Inflation und erhöhten Energiepreisen: Die Pauschalsteigerungen aus dem Kinderbildungsgesetz, kurz Kibiz, kommen erst nach circa eineinhalb Jahren bei den Trägern an. Die Mittel vom Land, um die Mehrkosten aufzufangen, kommen zu spät an.

Land NRW hat Nachbesserungen vorgenommen

Das Land NRW beteilige sicher sehr umfangreich und hat zudem schon Nachbesserungen vorgenommen, heißt es von der CDU-Landtagsabgeordneten Anke Fuchs-Dreisbach. „Zum neuen Kita-Jahr wird das Land dem System der Kindertagesbetreuung zusätzlich über 550 Millionen Euro zur Verfügung stellen. Unter anderem werden die Kibiz-Pauschalen um zehn Prozent ab August 2024 erhöht. Der Gesetzgeber lässt eine Erhöhung der Pauschalen erst zum neuen Kita-Jahr, spricht im August 2024, zu. Zum übernächsten Kita-Jahr werden diese dann auf Grundlage der erhöhten Werte fortgeschrieben. Eine Beteiligung des Landes an den Kostensteigerungen hat es in dieser Höhe noch nie gegeben“, sagt Fuchs-Dreisbach. Für die steigenden Personalkosten durch Tariferhöhungen hat die „Landesregierung zugesagt, die freien Träger mit einer weiteren freiwilligen Leistung von 100 Millionen Euro zusätzlich zu unterstützen. Damit wird den Trägern ermöglicht, höhere Löhne an ihre Angestellten zu zahlen. Darüber hinaus wurden in diesem Jahr die Träger mit 60 Millionen Euro aus dem Sondervermögen Krisenbewältigung unterstützt, um die Folgen des russischen Angriffskrieges, also die gestiegenen Energiekosten, abzufedern“, so die Abgeordnete weiter.

Neben der Reduzierung von Öffnungszeiten, der Reduzierung von Personal, wird als letzte Möglichkeit auch über die Abgabe oder Schließung von Einrichtungen nachzudenken sein.
Alexandra Thienel - Geschäftsführerin der evangelischen Kitas im Kirchenkreis Siegen-Wittgenstein

Ob das Geld für die Kitas ausreicht, wird sich zeigen. „Perspektivisch müssen wir als Kita-Träger sehr genau prüfen, wie wir unsere Angebote wirtschaftlich aufrechterhalten können. Für uns als Arbeiterwohlfahrt ist es wichtig, dort vertreten zu sein, wo Kitas manchmal die einzige Infrastruktur (bspw. eines Dorfes) darstellen“, sagt Anika Autschbach. „Sollte die Finanzierung weiterhin nicht auskömmlich sein, wird der Kirchenkreis Siegen-Wittgenstein, wie andere Träger auch, Entscheidungen über Maßnahmen zur Reduzierung von Kosten treffen müssen. Neben beispielsweise der Reduzierung von Öffnungszeiten, der Reduzierung von Personal, insbesondere bei der Beschäftigung von zusätzlichen Vertretungskräften oder bei Ausbildungsplätzen, wird als letzte Möglichkeit auch über die Abgabe oder Schließung von Einrichtungen nachzudenken sein“, sagt Alexandra Thienel.

Und wie geht es für die Kita Blauland weiter? „Wie es im Sommer ist, müssen wir sehen, wenn wir die Zahlen haben. Wir müssen abwarten, was kommt“, sagt Birte Freudenberg.

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