Bad Berleburg. Ein Erlass aus Düsseldorf sorgt für Ärger: Warum SPD und CDU in Bad Berleburg in diesem Punkt ganz unterschiedlich ticken.

Ein Erlass der Landesregierung NRW sorgt für Irritationen in der Bad Berleburger Kommunalpolitik. Das Papier, das die Wirtschafts- und Klimaschutzministerin Mona Neubaur (Grüne), die Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU) und der Umweltminister Oliver Krischer (Grüne) am 21. September 2023 in Düsseldorf unterschrieben haben, scheint die Kommunale Selbstverwaltung beim Thema Windkraft auszuhebeln.

In einem Dringlichkeitsantrag hatte die SPD-Fraktion für die Stadtratssitzung am Montag gefordert, die städtische Vorrangzonenplanung aufzugeben, damit nicht neben dem Vorrangzonen auch noch zusätzliche Flächen aus der Regionalplanung für Windkraft geöffnet werden. Der am 21. September unterschriebene und am 8. November 2023 veröffentlichte Erlass scheint diese Thes zu stützen.

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Noch vor der entscheidenden Sitzung hatte die Stadt Bad Berleburg eine „tagesaktuelle rechtliche Einschätzung“ bei ihrer beratenden Fachanwaltskanzlei Wolter+Hoppenberg eingeholt, die der zuständige Dezernent Christoph Koch vortrug.

„Die Planungen sind nicht unmittelbar miteinander vergleichbar“, berichtete Koch. Die kommunale Vorrangzonenplanung, die am 30. Oktober beschlossen worden war und die aktuell bei der Bezirksregierung Arnsberg zur Genehmigung liege, habe eine „stärkere Wirkung“, weil man künftig das Einvernehmen bei Bauvorhaben außerhalb der Vorrangzonen „klarer versagen“ könne. Gleichzeitig berichtet Koch von Feinheiten: So habe die kommunale Vorrangzonenplanung eine „Rotor-Innen-Planung“, die Regionalplanung eine „Rotor-Außen-Planung“, was unterschiede in der Flächenkulisse ausmachen könne. Und ganz wesentlich ist für Koch: „Wir sollten aus Rechtssicherheitsgründen an der bestehenden Planung festhalten.“

Für die Fraktionsvorsitzende der SPD, Iris Gerstmann, reicht dies nicht, weil „der Fachanwalt nicht auf den Erlass vom 21. September eingeht. Ich habe Sorge, dass wir mehr bekommen, als wir wollen.“

Der CDU-Fraktionsvorsitzende Martin Schneider konterte diese Kritik: „Man kann bei der Recherche im Internet immer etwas finden. Die Einschätzungen unseres Anwaltes sind eindeutig“, sprach sich Schneider für die Fortführung des Verfahrens aus.

Bernd Weide (SPD) ärgerte die Formulierung der Internetrecherche. „Was sich bei der Landesregierung findet, sagt eindeutig, dass parallele Flächenkorridore zur Verfügung stehen“.

In der folgenden Abstimmung votierten nur die sechs anwesenden SPD-Ratsmitglieder mit dem parteilosen Thorsten Fischer für die Aufgabe des Flächennutzungsplanverfahrens. 21 Stadtverordnete von CDU, UWG, Grünen und AfD stimmten dagegen.

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    Was ist Grund für die Diskussion?

    Der „Erlass zur Lenkung des Windenergieausbaus in der Übergangszeit“ soll bis zum Erreichen der Flächenbeitragswerte durch die Regionalplanung den Windkraftausbau lenken.

    „Der Zubau von Windenergieanlagen erfolgt in Nordrhein-Westfalen ab sofort in einem gesicherten, räumlich exakt definierten Flächenkorridor“, heißt es in dem Papier direkt am Anfang. Die exakt definierten Flächen stammen dabei zum Teil aus den Regionalplanentwürfen oder den Teilflächennutzungsplänen, mit denen Kommunen ihre Vorrangzonen ausweisen.

    Das Problem für Kommunen wie Bad Berleburg, die gerade einen „sachlichen Teilflächennutzungsplan Windenergie“ im Genehmigungsverfahren haben, oder auch für Kommunen wie Bad Laasphe, die bereits Vorrangzonen ausgewiesen haben, ist aber ein Additionsprinzip –unterm Strich gilt der einfache Grundsatz: mehr geht immer. Deswegen werden Flächen, in denen die Regionalplanung und die Vorrangzonenplanung nicht deckungsgleich sind, addiert.

    Manchmal können Unterschiede daher rühren, dass die Maßstäbe einer Regionalplanung und einer kommunalen Planung unterschiedlich sind. Der Erlass sagt aber klipp und klar: „Maßstabsbedingte Auslegungsspielräume dieser Karte sind zugunsten des Zubaus der Windenergie zu nutzen.“

    Erlass soll Windkraftausbau beschleunigen

    Der Erlass soll den Ausbau der Windkraft auch beschleunigen. Deswegen ist es unerheblich, ob schon ein beschlossener und genehmigter Flächennutzungsplan vorliegt: „Von den Kommunen planerisch für die Windenergie vorgesehene Flächen stehen den vorgenannten Flächen in den Regionalplänen unter den Voraussetzungen des Grundsatzes 10.2- 9 des LEP (Landesentwicklungsplan/Die Red.) gleich und zählen damit ebenfalls zum gesicherten Flächenkorridor. Neu vorgesehene Flächen stehen den vorgenannten Flächen bereits unter den Voraussetzungen des § 245e Abs. 4 BauGB gleich.“

    Übersetzt bedeutet das, sobald klar ist, welche Flächen als Windkraftvorrangzonen vorgesehen sind, können diese auch von Investoren beplant werden. Die heißen dann „Beschleunigungsflächen“.

    Und hier könnten Windkraftanlagen auch dann bereits ins Genehmigungsverfahren geschickt werden, wenn die Vorrangzonen noch gar nicht rechtskräftig sind: „§ 245e Abs. 4 BauGB ermöglicht es, bereits während der Aufstellung von Raumordnungs- oder Flächennutzungsplänen mit neuen oder erweiterten Windenergiegebieten entgegen einer gemäß § 245e Abs. 1 S. 1 BauGB noch fortgeltenden Ausschlusswirkung Vorhaben zuzulassen, die voraussichtlich den Neuplanungen entsprechen. Im Falle der Aufstellung von Bebauungsplänen für die Windenergie ist weiterhin § 33 BauGB anzuwenden.“

    Bislang konnten Kommunen bei einzelnen Bauvorhaben ihr Einvernehmen versagen, wenn beispielsweise ein Windrad außerhalb einer ihrer Vorrangzone lag. Jetzt kämen die Überhangflächen der Regionalplanung quasi zu den Vorrangzonen dazu. Das schränkt die Möglichkeiten mit dem versagten Einvernehmen zusätzlich ein.

    Das sagt die Politik in Bad Berleburg vorab

    Für Bad Berleburgs SPD-Fraktionsvorsitzende Iris Gerstmann ist in ihrer Haushaltsrede deshalb klar: „Wir haben damit in Bad Berleburg ab jetzt zwei Flächenkorridore, die dem Bau von Windenergieanlagen gleichzeitig und parallel zur Verfügung stehen.“ Und in Richtung der politischen Unterstützer der Vorrangzonenplanung setzt sie mit Ironie nach: „Ausdrücklichen Dank dafür an alle hier im Hause, die auf die Erstellung des unnötigen Planentwurfes bestanden haben, der nichts mehr lenkt und steuert, sondern stattdessen zusätzlichen Raum für Windkraft geschaffen hat.“ Gerstmann moniert zudem, dass die Aufstellung der Planung Arbeitszeit der Verwaltungsmitarbeitenden und eine sechsstellige Summe gekostet hätten.

    Der CDU-Fraktionsvorsitzende Martin Schneider bleibt beim eingeschlagenen Weg: „Wir stehen nach wie vor voll und ganz hinter der beschlossenen FNP-Planung und sind zufrieden, dass alle Versuche, die Planung kaputt zu reden und die damit einhergegangene Schwarzmalerei entkräftet werden konnten. Nur mit dem Abschluss unserer FNP-Planung schaffen wir uns die Möglichkeit zur Selbstbestimmung über Windenergiebereiche. Nur so hat der für unsere Bevölkerung wichtige Umzingelungsfaktor Bestand, nur so schaffen wir eine Ausschlusswirkung, um grenzenlosen Wildwuchs außerhalb der Konzentrationszonen zu verhindern. Wir vertrauen weiterhin auf die Zusage aus der Bezirks-Regierung, dass unsere Planungen in die abschließende Regionalplanerstellung einfließen und Berücksichtigung finden werden.“

    Die UWG-Fraktionsvorsitzende Marion Linde schreibt in ihrer Haushaltsrede von der durch die Bundesregierung aufgezwungenen Vorrangzonenplanung und kritisiert dabei generell: „Windenergie in Deutschland, soviel scheint festzustehen, gibt’s nur und ausnahmslos: weil die Politik es wollte, um welchen Preis auch immer. Den Preis bezahlen wir alle. Damit wurden Naturschutz, Landschaftsschutz und auch der Mensch hinten angestellt.“