Wittgenstein/Biedenkopf. Kinderarztpraxis in Biedenkopf will keine Patienten aus Bad Berleburg und Erndtebrück mehr behandeln. Das hat Folgen für Praxis in Bad Berleburg.

Die Biedenkopfer Kinderärzte Dr. Bruno Förster und Dr. Arnold Köckerling ziehen Konsequenzen aus dem dauerhaften Personalmangel. Das hat Auswirkungen bis nach Wittgenstein: „Das betrifft Patienten aus Bad Berleburg und Erndtebrück“, erläutert Dr. Arnold Köckerling im Gespräch mit dieser Zeitung.

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Die Mediziner aus Hessen wollen ab dem 1. Dezember nur noch junge Patienten aus sieben Kommunen versorgen: Aus Biedenkopf, Breidenbach, Dautphetal, Steffenberg, Angelburg, Hatzfeld und Bad Laasphe. Auch Bestandskunden aus Bad Berleburg und Erndtebrück müssen sich dann eine andere Kinderarztpraxis suchen, so Köckerling, der auch die Gedanken rund um die Auswahl der Patienten beschreibt, die man noch versorgen könne: „Wir haben uns für eine geografische Grenzziehung entschieden. Alles andere funktioniert nicht und Bad Berleburg und Erndtebrück sind ja versorgt. Vorher reichte unsere Praxis bis Erndtebrück oder Winterberg in NRW und in Hessen bis nach Dillenburg und Frankenberg.“

Hier sehen Sie, wie weit es aus Wittgenstein bis zur nächsten Kinderarztpraxisist

Hintergrund ist die Arbeitsbelastung und die Personaldecke. Nach Angaben der beiden Mediziner reduziert sich die Zahl ihrer Mitarbeitenden und es sei schwer die Stellen neu zu besetzen. „Wir suchen seit drei Jahren“, so Köckerling. Von fünf Medizinischen Fachangestellten im Jahr 2019 ist eine 2020 an Krebs gestorben und eine andere geht in diesem Monat in den Ruhestand. Dann stehen den Ärzten nur noch drei Mitarbeiterinnen zur Verfügung.

Überdurchschnittliche Arbeitsbelastung

Wie hoch die Arbeitsbelastung ist, zeigt sich laut Köckerling an ein paar Zahlen: Durchschnittlich 2700 Kinder und Jugendliche versorge ein Kinderarzt in Deutschland. Im Einzugsgebiet der Biedenkopfer Praxis sind es aktuell 6000 pro Arzt und werden nach dem harten Schnitt noch 4700 sein. „Das ist typisch für den ländlichen Raum“, so Köckerling. „Wir haben aktuell 2500 Patienten pro Quartal. Und Kinder, die krank sind, kommen nicht nur einmal zu uns“, erläutert der Kinderarzt. Zusätzlich zu den vielen Einheimischen kommen viele Flüchtlingskinder. Deren Behandlung sei wegen der Sprachbarrieren aufwändiger. Hinzu kämen bürokratische Hürden. „Die strukturellen Probleme sind nicht kleiner geworden und die Politik hat zugeschaut“, sagt Köckerling bitter.

Berleburger Kinderärzte sind am Limit

Die Auswirkungen des 1. Dezembers werden in Wittgenstein spürbar sein. Hier sind Leif Wolter und Djurdja Weyandt für die Kinder und Jugendlichen der 40.000 Wittgensteiner zuständig. „Unser Einzugsgebiet reicht aber bis nach Hessen und den Hochsauerlandkreis“, erläutert Leif Wolter. Und der Bad Berleburger berichtet das die Bad Berleburger Praxis unter den gleichen Bedingungen arbeitet, wie die Kollegen in Hessen: „Unsere Kapazitäten was die Mitarbeiter betrifft sind mehr als ausgeschöpft. Unsere Praxis ist so belegt, dass wir nicht eine relevante Zahl von mehreren Hundert Patienten aufnehmen könnten“, sagt Wolter.

CDU-Kreistagsfraktion fragt bei Landrat Müller nach

Dass sich die CDU-Kreistagsfraktion Siegen-Wittgenstein des Themas annimmt, begrüßen die Kinderärzte. Der Fraktionsvorsitzende Hermann-Josef Droege hatte die Berichterstattung des Hinterländer Anzeigers aufgegriffen und mehrere Fragen an den Siegener Landrat Andreas Müller zur „zuverlässigen Kinderarzt-Versorgung“ formuliert.

„Gerade für Kinder und Jugendliche brauchen wir eine flächendeckende, gute Gesundheitsversorgung,“ wird außerdem Gabriele Stinner, Sprecherin der CDU im Kreisgesundheitsausschuss zitiert.

Für Kinderarzt Leif Wolter ist der Landrat aber der falsche Ansprechpartner: Die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe oder der Bundesverband der Kinderärzte könnten hier fundierter Auskunft geben, so Wolter im Gespräch mit dieser Zeitung.