Bad Laasphe/Biedenkopf. Bundesgesundheitsminister äußert sich optimistisch zum insolventen DRK-Krankenhaus Biedenkopf. Dort stößt seine Einschätzung auf Kopfschütteln.

„Das Krankenhaus ist ein unverzichtbarer Notfallstandort und auch das Ministerium hält daran fest“, sagt A. Cornelia Bönninghausen. Die Vorsitzende des DRK-Kreisverbandes Biedenkopf verweist aber auch auf die kritische Besonderheit: „Als Belegkrankenhaus fallen wir in Biedenkopf aus Finanzierungsstrukturen raus“.

Der DRK-Kreisverband hatte am 18. September ein Insolvenzverfahren am Amtsgericht Marburg beantragt. Betroffen davon sind neben dem Krankenhaus auch zwei Altenpflegeheime und andere Dienste. Von den 400 Beschäftigten kommen 45 aus Wittgenstein.

Um ein Krankenhaus zu erhalten, ist politischer Wille nötig, sagt A. Cornelia Bönninghausen und verweist auf den aus ihrer Sicht enttäuschenden Auftritt des Bundesgesundheitsministers Karl Lauterbach (SPD) mit der SPD-Spitzenkandidatin im Hessischen Landtagswahlkampf, Nancy Faeser, im Uniklinikum Gießen-Marburg. Lauterbach wollte sich am UKGM über die dortige Post Covid-Ambulanz informieren, forderte den Ausbau der Forschung und eine höhere Zahl an Medizin-Studienplätzen. Derzeit werde an einem Vorschlag gearbeitet, 5000 zusätzliche Studienplätze für das Medizinstudium pro Jahr zu schaffen. Dies könne die Arbeitsbedingungen für Ärzte verbessern, da es vielfach an Nachwuchs fehle. Zudem könne ohne diese zusätzlichen Studienplätze die Babyboomer-Generation nicht in der Qualität versorgt werden, wie das sinnvoll sei. Bis dahin kein Wort zur Lagen in Biedenkopf.

Bundesgesundheitsminister äußert sich zum Krankenhausstandort Biedenkopf

Am Rande dieses PR-Termins wurde Lauterbach aber auf die Zukunft des DRK-Krankenhauses angesprochen und äußerte sich optimistisch: Das Haus in Biedenkopf könne als „Level-1N-Krankenhaus der Grundversorgung mit Notfallversorgung“ fortgeführt werden. Für A. Cornelia Bönninghausen ist das keine Antwort auf die Finanzierungsfrage. „Es scheint, als kennt Herr Lauterbach sein eigenes Gesetz nicht“, ist die DRK-Kreisverbandsvorsitzende enttäuscht. Ein Belegkrankenhaus, dass für 65.000 Menschen die Grundversorgung und Notfallversorgung bereithalte, müsse besser finanziert werden.

A. Cornelia Bönninghausen, Vorstand des DRK-Kreisverbandes Biedenkopf
A. Cornelia Bönninghausen, Vorstand des DRK-Kreisverbandes Biedenkopf © WP | DRK Biedenkopf

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In die Insolvenz sei das Krankenhaus vor allem in den Corona-Jahren gerutscht. Hinzukommen die aktuellen Kostensteigerungen, die aber nicht auf der Gebührenseite eingerechnet werden könnten. Höhere Tarife, Steigende Materialpreise, Heizkosten sind für die finanzielle Schieflage verantwortlich. Durch das Insolvenzverfahren verschaffe man sich ein paar Monate Luft. „Dadurch, dass unsere Löhne und Gehälter für drei Monate von der Arbeitsagentur getragen werden, sparen wir Geld“, erläutert Bönninghausen. Geld, mit dem alte Verbindlichkeiten abgelöst werden. „Ein erster Schritt, der uns helfen würde, wäre wenn Krankenhäuser auch eine Inflationsausgleich bekämen“, fordert Bönninghausen.

Angst vor „Triage“ bei kleineren Krankenhäusern

Weil aber diese Situation nicht nur das Krankenhaus in Biedenkopf betreffe, rechnet sie damit, dass nicht alle kleineren Häuser überleben werden, bis die Krankenhausreform des Bundes 2029 greife. Von Triage will sie nicht spreche, macht aber deutlich, was dies für die Region Hinterland und auch das angrenzende Wittgensteiner Land bedeutet. Biedenkopf sei Aus- und Weiterbildungsstandort für Fachärzte. Und als Belegkrankenhaus sorge man auch dafür, dass die Facharztdichte höher sei als an Orten ohne Krankenhaus.

„Aufstand der Gelbwesten“ gefordert

Resignieren will Bönninghausen nicht, aber sie hat Wut im Bauch und vergleicht die Situation mit Nachbarländern. „Bei uns wird es jetzt Zeit für einen Gelbwestenaufstand“, sagt sie. Rückendeckung erhält der DRK-Kreisverband aus der Bevölkerung. Innerhalb von nur vier Tagen gibt es 12.000 Unterschriften in einer Online-Petition. Und auch in der lokalen Politik im Biedenkopfer Stadtrat fallen klare Worte: Mit der spannenden Frage „Wie soll es ohne DRK-Krankenhaus weitergehen?“, wird Biedenkopfs Bürgermeister Jochen Achenbach (CDU) vom Hinterländern Anzeiger zitiert. Der CDU-Politiker verweist darauf, dass die Marburger Uniklinik gar nicht die Kapazitäten für die Versorgung der zusätzlichen Patienten aus dem Hinterland habe. 65.000 Menschen lebten im Einzugsgebiet des DRK-Krankenhauses und knapp 5000 würden dort jährlich behandelt. „Hier ein Haus zu schließen, um dann in Marburg neu bauen zu müssen, und das wäre ja die Konsequenz daraus, wenn wir nicht auf den Fluren liegen sollen, das wäre wirtschaftlicher Unfug“, wettert der Verwaltungschef in der hessischen Tageszeitung.

35 Minuten Fahrt für Notfälle befürchtet

Unterstützung bekommt Achenbach von seinem Parteikollegen, Siegfried Engelbach, der ganz gezielt auf die Notfallversorgung hinweist: Derzeit sei ein Notfallpatient in fünf Minuten im DRK-Krankenhaus. Sollte dieser Standort geschlossen werden, müssten Patienten 35 Minuten gefahren werden, um die Notaufnahme der Uniklinik Marburg zu erreichen. „Wenn wir soweit sind, dass wir im Gesundheitssystem, einer wesentlichen Daseinsfürsorge, nur noch über Wirtschaftlichkeit reden, dann sage ich: Dass kann nicht im Sinne der Menschen sein“, sagt Engelbach.