Wingeshausen. Kräuterpädagogin Annette Dickel-Boldar verrät, was im heimischen Garten so Leckeres wächst – inklusive ungewöhnlicher Rezepte zum Nachmachen.
Im Garten hinter dem Haus wächst so einiges – auch Dinge, über die sich mancher im ersten Moment ärgert. Aber auch aus Giersch, Brennnesseln oder Löwenzahn lässt sich etwas Leckeres zaubern. Kräuterpädagogin Annette Dickel-Boldar aus Wingeshausen nimmt uns mit in ihren Garten und erklärt, was in Wittgenstein so Nützliches wächst.
Das meiste Wissen über Kräuter kommt aus dem Mittelalter: „Der Mensch hat das eingesetzt, was ums Haus war“, sagt Annette Dickel-Boldar. Rosmarin, Thymian, Salbei und Basilikum sind vielleicht bei allen im Kopf, diese Kräuter kommen aber aus dem Süden. „Es gibt auch Pflanzen die sind einfach da: Brennnesseln, Frauenmantel, Löwenzahn oder Giersch“, so die Kräuterpädagogin. Für viele ist das Unkraut, die Pflanzen können aber auch nützlich sein.
Darum brennt die Brennnessel
Viele Pflanzen kennen alle, auch jedes Kind: „Die Brennnessel – weil sie pitzt, den Löwenzahn – weil er zur Pusteblume wird, oder auch den Spitz- und Breitwegerich – weil er überall wächst“, sagt Annette Dickel-Boldar. Was kann die Brennnessel? Die Samenstauden können geröstet oder getrocknet werden. „Menschen können sie nach einer Krankheit nehmen, wenn sie sich noch schlecht fühlen. Sie wirkend aufbauend.“ Ansonsten eignet sich das Nesselgewächs hervorragend für Aufgüsse oder Tees. „Früher wurden vor dem Verkauf Pferde mit Brennnesseln gefüttert. Das sorgte für glänzendes Fell.“
Die bisherigen Folgen der Serie:
Mit Bad Berleburger Konditormeister zur perfekten Praline
Alertshäuserin: Spinnen kann enorm entspannend wirken
Und warum brennt die Brennnessel? Unter einem Vergrößerungsglas wird sichtbar, dass kleine Härchen wie gläserne Nadeln an den Blätter sitzen und an der Spitze einen Tropfen haben. „Fasse ich die Blätter an, geht der Tropfen weg: Wie eine Mini-Injektion in die Haut. Daraus bilden sich die Pusteln“, erklärt die Kräuterexpertin. Ihr Tipp: „Mit einem Nudelholz drüber rollen. Die Haare werden gebrochen und die Blätter können einfach angefasst werden“. So können sie gut unter einen Salat gemischt werden. Auch aus dem meist eher unbeliebten Löwenzahn, der sich in den heimischen Gärten an allen erdenklichen Stellen durchschlägt, kann ein leckerer Salat entstehen. „Am besten wenn der Löwenzahn frisch aus dem Boden kommt“, denn dann sind sie Blätter am frischesten. Generell gilt: „Was im Frühjahr aus der Erde kommt, ist am vitamin- und mineralhaltigsten“, so Dickel-Boldar.
Giersch – gegen Rheuma, Gicht oder Arthrose
„In der Zeit der Hexenverbrennung ist viel altes Wissen verloren gegangen“, sagt die Kräuterpädagogin. Das liege vor allem daran, dass das Wissen früher von Mund zu Mund weitergegeben wurde. Auch heute noch wird vielen, die sich mit dem Thema beschäftigen, vorgeworfen sie seien „Quacksalber“, so Annette Dickel-Boldar. „Ich habe gerne gekocht und schnell gemerkt: Ich finde Pflanzen im normalen Umfeld zum Kochen oder für Salate.“ Durch ihre Arbeit als Pflegerin interessiert sich Annette Dickel-Boldar auch für Heilpflanzen: „Viele Kräuter sind omnipotent – für Küche, Mensch und Tier.“
Back to the Roots
In unserer Sommerserie „Back to the Roots“ zeigen wir Ihnen Handwerke, Techniken und Methoden, mit denen man viele Dinge – wie früher – selbst machen kann. Manche Dinge sind althergebracht, andere moderner. Vielleicht finden Sie dabei etwas, das Sie selbst mal ausprobieren wollen. 8.7. Spinnen11. 7. Pralinen herstellenHeute: Wildkräuter 18.7. Fahrradreifen flicken22.7. Käse herstellen25.7. Brot backen29.7. Honig und Imkern1.8. Wild zerwirken5.8. Wurst herstellen8.8. Marmeladen zubereiten11.8. Pilze sammeln15.8. Eier aus dem Garten18.8. Kleidung reparieren22.8. Gemüse einwecken
Ein weiteres – meist als Unkraut bezeichnetes – Gewächs ist der Giersch: „Giersch ist unheimlich Vitamin-C-haltig und ist gut gegen Rheuma, Gicht oder Arthrose. Außerdem wirkt Giersch ausleitend“, weiß die Kräuterpädagogin. Aber was fange ich mit dem Giersch aus dem Garten an?
Mit Minze schnell den Tee aufkochen
Hier eine Rezeptidee für „Römischen Giersch“: 200 Gramm Giersch, zwei Zwiebeln und vier Knoblauchzehen klein schneiden. Mit etwas Butter anbraten und mit Salz, Pfeffer und Zitronensaft abschmecken. Als Gemüsebeilage essen oder mit Haferflocken und einem Ei mischen und wie Frikadellen formen und anbraten. „Passt wunderbar zu Spargel und Kartoffeln, ein gutes Frühjahrs-Essen“, so die Kräuterexpertin. Wer möchte, kann auch etwas Knoblauchrauke oder Bärlauch dazu mischen.
Mit Minze ist ganz schnell ein Tee aufgekocht. Die Flüssigkeit abkühlen lassen, in eine Sprühflasche füllen und auf Gesicht und Körper aufsprühen. „Das ist gut bei Hitze im Sommer oder in den Wechseljahren“, verrät Annette Dickel-Boldar. Die Minze sorgt für eine natürliche Erfrischung. Der Kräuterpädagogin ist es wichtig, dass altes Wissen bewahrt wird. „Die Menschen sollten sich zutrauen, Dinge, die in der Natur liegen, wieder zu benutzen. Mit gutem Wissen: Was esse ich da, wie wirkt die Pflanze?“
Das Lieblingsrezept der Kräuterexpertin
Die Wingeshäuserin beschäftigt sich seit 2007 mit dem Thema Kräuter und Pflanzen und hat 2010 die Ausbildung zur Kräuterpädagogin gemacht. „Wenn es mir nicht gut geht, gehe ich in den Garten. Grün beruhigt und kann sogar den Blutdruck senken. Man kann im Garten gesunden.“ Auch für die Kleinen gibt es einfache Ideen mit Pflanzen aus dem Garten: Gänseblümchen pflücken und die Blüten auf ein gebuttertes Brot legen und genießen. Oder Blumenkränze gestalten mit Kletten-Labkraut – auch einfach als Klette bekannt. Einfach zu einem Kranz formen und verschieden Blumen auf den Kranz „kleben“. „Eine schöne Idee für einen Kindergeburtstag“, findet Dickel-Boldar.
Und das Lieblingsrezept der Kräuterexpertin? „Kräuterquark: Verschiedene Kräuter aus dem Garten – ganz nach Geschmack – in den Quark rühren und dazu Kartoffeln. Das esse ich sehr gerne.“
Tipps zur Anwendung der Kräuter
Wichtig zu wissen: Bei der Anwendung von Wildkräutern gibt es einiges zu beachten.
1. Nur Pflanzen verwenden, die ich wirklich erkenne. Bei einigen Pflanzen kann es schnell zu Verwechslungen kommen, die mitunter gefährlich werden können.
2. Pflanzen nie sammeln, wenn es nass ist. Die Pflanzen können sonst Stockflecken oder Schimmel ansetzen. Der ideale Pflückzeitpunkt ist an einem Sonnentag am späten Vormittag, so die Kräuterexpertin. Am besten aus dem eigenen Garten oder von Orten, an denen kein dichter Verkehr herrscht oder oft Hunde spazieren gehen.
3. Immer nur ungedüngte Kräuter benutzen.
4. Heilpflanzen nur kurmäßig anwenden, also nicht dauerhaft: „Alles, was ich immer nehme, wird zur Gewohnheit und hilft nicht mehr“, so Annette Dickel-Boldar.