Bad Berleburg. Hagelkörner, groß wie Tischtennisbälle, umgestürzte Bäume, Wasser in Kellern und Aquaplaning: „Es war beängstigend“, sagt eine Schwarzenauerin.
Das Sturmtief „Lambert“ hat in Wittgenstein heftig gewütet. Nach ersten Erkenntnissen der Polizei gab es keine Personenschäden. Aber schwere Hagelschauer haben in Sassenhausen, Arfeld und Schwarzenau für Sachschäden an Autos und Häusern gesorgt. Straßen wurden überschwemmt und Keller liefen voll. Polizei und Feuerwehr hatten vor allem mit zahlreichen Straßensperrungen durch umgestürzte Bäumen zu tun.
Gewitterzelle trifft das Edertal
„Das war schon beängstigend“, berichtet die Schwarzenauerin Katja Born. Ihr Auto und das neue der Tochter haben Hagelschäden. Am schlimmsten soll es es aber die Mitarbeiter der Firmen Otto und Agrodur erwischt haben, die ihre Autos auf den Firmenparkplätzen stehen hatten. Die Firma Otto bestätigt, dass „alle Autos, die draußen standen, Hagelschäden haben.“ Mehr können sie aktuell noch nicht sagen. Aber auch Häuser und Gärten hat es erwischt: Bei Borns ist der Schiefer an der Hauswand beschädigt Katja Born richtet den Blick aber eher auf die Nachbarschaft: „Da ist vieles kaputt gegangen, Photovoltaikanlagen, fast alle Gewächshäuser, Dachfenster...“ Da kommen Erinnerungen an das schwere Unwetter vom 8.8.1988 hoch, dass damals auch nur in Schwarzenau wütete. „Aber dieses war noch viel schlimmer“, sagt Born.
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So sieht es bei der Firma Agrodur und in der Staudengärtnerei Kroh aus
Bei Agrodur laufen am Freitag die Aufräumarbeiten: „Alle Autos unserer Mitarbeiter sowie unsere Firmenfahrzeuge, die sich gestern auf dem Werksgelände in Schwarzenau befunden haben, wurden beschädigt. Momentan befindet sich der Dachdecker in unserem Hause, um die Gebäude auf weitere Schäden zu überprüfen. Zum Beispiel gibt es Schäden an zweiwandigen Dachluken, wo die obere Schicht nun kaputt ist“, berichtet Inka Wolff von der Firma Agrodur.
Die Wittgensteiner Staudengärtnerei in Arfeld wurde ebenfalls vom Unwetter getroffen. „Die Dachfläche des großen Gewächshauses ist beschädigt, hier muss die Folie erneuert werden“, sagt Inhaber Lars-Peter Kroh. Die Stauden, die im Freien stehen, sind vom Hagel „zerrupft“ worden: „Ein Teil der Stauden ist aktuell nicht verkaufsfähig. Wir müssen schauen, wie es in fünf bis sechs Wochen aussieht – die Stauden treiben ja wieder aus“, so Kroh weiter. Ein Gutachter, der die Schadenshöhe schätzen soll, ist für die kommende Woche bestellt. „Wir müssen abwarten und sehen, wie hoch die Schäden sind. Es war schon heftig.“
Verkehrslage in Wittgenstein
Am stärksten trafen die Unwetter Bad Berleburg. Aktuell gesperrt ist die Kreisstraße 44 zwischen dem Laibach und dem Schwarzenauer Hüttental. Dort laufen laut Niklas Zankowski von der Kreispolizeibehörde aktuell noch Forstarbeiten, um die Straße freizuschneiden.
Sturm Lambert und die Folgen für Wittgenstein und Nachbarn
Auf der aktuell wichtigen Umleitungsstrecke Kreisstraße K50 zwischen Arfeld und Meckhausen war Erdreich auf die Straße gespült worden, dass die Polizei selbst beseitigen konnte. Bäume, Äste und Unrat versperrten aber auch die Kreisstraßen 51, 47 und 55. In der Bernauer Straße in der Bad Berleburger Kernstadt musste die Feuerwehr am frühen Donnerstagabend eine Keller auspumpen.
In Bad Laasphe mussten Polizei und Feuerwehr gleich zweimal auf der B62 zwischen Bad Laasphe und Saßmannshausen ran, um umgestürzte Bäume zu beseitigen. Einsätze wegen Bäumen auf der Straße für die Feuerwehr gab es außerdem auf der Landstraße L719 Volkholz Richtung Siegquelle oder im Kreuzungsbereich der Landstraße 718 von Banfe nach Fischelbach bzw. dem Abzweig der K36 Richtung Hesselbach.
Wetter-Experte: Hagel-Potenzial vorhersehbar
Als Schwerpunkt für den großen Hagel gestern macht der Wittgensteiner Wetter-Experte Julian Pape im Wesentlichen das Edertal aus, nachdem am Donnerstagnachmittag ein heftiges Gewitter von Bad Laasphe her ins Bad Berleburger Stadtgebiet hereingezogen war. In Sassenhausen habe es dann angefangen zu hageln, ehe es damit in Dotzlar, Arfeld und Schwarzenau weiterging.
Dass in Wittgenstein kräftiger Hagel entstehen kann, sei für den Donnerstag im Grunde vorhersehbar gewesen, so Pape – allerdings nicht seine genaue Zugbahn.
Hagel bilde sich bei starken Turbulenzen in einer Gewitterwolke, erklärt Pape – wenn Wassertröpfchen immer wieder „hoch und runter gedrückt“ würden – bei enormen Temperatur-Unterschieden in verschiedenen Luftschichten mit unter null Grad in mehreren Kilometern Höhe. Und je öfter sich diese Achterbahn-Bewegung vollziehe, desto größer und schwerer würden am Ende die Eisklumpen, so Pape – „bis sie dann herunterkommen“.
Am Freitagmorgen folgte dann ein Einsatz wegen eines Baumes auf der Landstraße 718 zwischen Bad Laasphe und Sassenhausen. Außerdem mussten Polizeibeamte im Bad Laaspher Gennernbach noch helfen, eine Herde ausgebüxter Schafe einzufangen. In Erndtebrück waren drei Straßen zeitweise unpassierbar: Die Landstraße 720 einmal zwischen Benfe und Erndtebrück und einmal zwischen der Goddelsbach und Röspe, sowie die Kreisstraße 33 von Erndtebrück nach Zinse.
Das sagen die Feuerwehren
Die Kameradinnen und Kameraden der Freiwilligen Feuerwehren in Bad Berleburg, Bad Laasphe und Erndtebrück hatten gleich mehrere Einsätze. Während es tagsüber in Bad Laasphe noch ruhig war, wurden die Einsatzkräfte hier spät nachts alarmiert. „Das fing so gegen 1 Uhr in Rückershausen an“, berichtet Andreas Hinkelmann, Pressesprecher der Freiwilligen Feuerwehr Bad Laasphe. Dort wurden die Feuerwehrleute auf die Dille gerufen worden, wo ein Baum durch das Wetter umgeworfen wurde und ein Pkw in den Baum fuhr – zum Glück aber gab es hierbei keine Verletzten. Später dann wurden die Einsatzkräfte der Löschgruppe Feudingen nach Volkholz alarmiert, die Löschgruppe Banfe war in Hesselbach unterwegs und die Feuerwehrleute des Löschzuges 1 waren gleich mehrfach auf der L 718 in Richtung Sassenhausen unterwegs. „Im Gegensatz zu Bad Berleburg sind wir aber noch glimpflich davon gekommen“, so Hinkelmann.
In Bad Berleburg kamen aufgrund des Unwetters 25 Einsätze über die Leitstelle – hinzu kamen weitere Einsätze über Zurufe. Und da war alles dabei – vom Baum auf der Straße oder auf der Stromleitung bis hin zu vollgelaufene Keller. „Wir hatten enorme Niederschlagsmengen. In der Vergangenheit hatten wir eigentlich nicht so viel mit vollgelaufene Keller zu kämpfen, das hat uns dieses Mal voll erwischt“, sagt Klaus Langenberg, Leiter der Bad Berleburger Feuerwehr.
Und auch in Erndtebrück hatten die Feuerwehrleute eine kurze Nacht. Auch sie wurden mehrfach alarmiert. „Wir hatten mehrere Bäume auf den Straßen“, berichtet Karl-Friedrich Müller, Chef der Erndtebrücker Feuerwehr. Unter anderem langen sie in Richtung Röspe, in Richtung der Radarkuppel sowie in Richtung Benfe und auf einer weiteren Landstraße. „Zudem wurde das Gestänge eines Festzeltes bei einer Feierlichkeit verbogen“, so Müller. Auch hier wurde die Feuerwehr zur Sicherung gerufen.
Das sagt die Stadt Bad Berleburg
Aus dem Bad Berleburger Rathaus kam am Morgen eine Stellungnahme: „Insgesamt sind die Auswirkungen von Tief ‘Lambert’ im Stadtgebiet von Bad Berleburg nach erster Sichtung angesichts der vorherigen Prognosen moderat ausgefallen. Die Freiwillige Feuerwehr sowie weitere Einsatzkräfte waren auf Straßen und Verkehrswegen sowie bei den weiteren Einsätzen schnell vor Ort, um Hindernisse zu beseitigen – und sind weiterhin unterwegs. Derzeit noch gesperrt ist die Kreisstraße 44 zwischen Laibach und Hüttental. Die Dauer der Sperrung hängt vor allem von der weiteren Witterungsentwicklung ab. Vor diesem Hintergrund bitten die Verantwortlichen aus Sicherheitsgründen auch darum, Wander- und Radwege an diesem Wochenende zu meiden. Aufgrund der Vielzahl von Strecken und der Längen war es bislang noch nicht möglich, sämtliche Waldbereiche zu überprüfen. Dies bedeutet, dass potenzielle Hindernisse und Gefahren noch nicht überall beseitigt sind. Dies soll so schnell wie möglich erfolgen – die Stadt Bad Berleburg bittet um Verständnis.“
BLB-Live abgesagt
Eigentlich sollte am Donnerstagabend, 22. Juni, das zweite Konzert im Rahmen von BLB live stattfinden. Doch aufgrund der Unwetterwarnung wurde das Open-Air-Konzert an diesem Abend abgesagt. „Auf Empfehlung der Ordnungsbehörden und Experten von Wetter Wittgenstein sagen wir BLB live heute ab. Die Gesundheit und Sicherheit unserer Gäste hat oberste Priorität“, schreiben die Veranstalter in den sozialen Netzwerken. Doch es gibt auch eine gute Nachricht: „Aufgeschoben ist nichtaufgehoben. Wir werden die Veranstaltung nachholen.“
Eigentlich sollte am 22. Juni die Band „Plugged Hills“ auf dem Markplatz auftreten. „Wir werden die Veranstaltung auf jeden Fall nachholen – ein genaues Datum werden wir gemeinsam mit der Band abstimmen“, sagt Sandra Janson, Geschäftsführerin des Bad Berleburger Jugendfördervereins.