Bad Berleburg. Oft merken pflegende Angehörige erst spät, dass sie längst an ihre Grenzen stoßen. So finden auch sie die nötige Unterstützung – und Entspannung.

Wenn der Partner, die Mutter oder aber das Kind plötzlich zum Pflegefall wird, stehen Angehörige plötzlich vor einer enormen Herausforderung. Wie pflege ich meinen Angehörigen richtig? Wie kann ich ihm das Leben zuhause erleichtern? Nicht selten vergessen sie sich und ihre Bedürfnisse dabei schnell selbst – und merken oftmals gar nicht, wie sehr sie bereits an ihre körperliche und/oder psychischen Grenzen gestoßen sind. Das kann schwere Folgen haben. „Nicht selten leiden pflegende Angehörige unter Depressionen, Schlafstörungen oder Gelenkschmerzen“, sagt Arne Schlick, Leiter des Regionale-Projekts „Auszeit in Südwestfalen“. Daher sei es wichtig, dass auch sie Möglichkeiten bekommen, zur Ruhe zu finden, sich zu entspannen, sich auszutauschen mit anderen pflegenden Angehörigen oder eine Therapie wahrzunehmen. Möglichkeiten, die im Rahmen des Projektes „Auszeit in Südwestfalen – Kur-Angebote für pflegende Angehörige“ angeboten werden sollen. Auch für die Vamed-Rehaklinik Bad Berleburg wurde ein Konzept erstellt. Doch was ist der aktuelle Stand?

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Fakt ist: „Die Zahl der Pflegebedürftigen steigt gemäß Prognose des Bundesministeriums für Gesundheit von aktuell etwa 4,1 Millionen Menschen – davon fast eine Million in NRW – bis zum Jahr 2030 auf 4,6 Millionen Personen weiter an. Rund drei Viertel aller Pflegebedürftigen werden zu Hause gepflegt“, berichtet Projektleiter Arne Schlick. Er selbst hat schon einmal jemanden innerhalb seiner Familie gepflegt und weiß, wie schnell man dabei an seine persönlichen Grenzen stößt. „Daher liegt mir das Projekt auch sehr am Herzen“, sagte er vor Politikern des Gesundheitsausschusses der Stadt Bad Berleburg im Bürgerhaus am Markt. „Rund 70 Prozent der pflegenden Angehörigen sind überlastet.“

Konzept noch nicht genehmigt

Mit dem Projekt „Auszeit in Südwestfalen – Kur-Angebote für pflegende Angehörige“ möchten neun Kurorte und Heilbäder in der Region gemeinsam neue Rehabilitationsangebote für Pflegende schaffen. „Pflegende Angehörige sollen eine ,Auszeit’ vom Alltag nehmen und so mental und körperlich neue Kraft für ihre wichtige Aufgabe sammeln können“, heißt es. Auch die Vamed-Rehaklinik gehört dazu und hat bei den Kostenträgern ein eigenes Konzept als Angebot für rehabilitationswillige pflegende Angehörige eingereicht. Doch: „Dieses Konzept wurde bislang noch nicht genehmigt. Ein erster eigener Anreisetermin für Rehabilitanten, die orthopädische oder psychosoma­tische Rehabilitation benötigen und zusätzlich pflegende Angehörige mit entsprechenden Bedürfnissen sind, wurde von der Vamed-Rehaklinik bereits Anfang des Jahres offeriert, allerdings fehlten die Anmeldungen“, teilt Regina Linde, Fachbereichsleitung Bürgerdienste, in Abstimmung mit dem Geschäftsführer der Vamed-Rehaklinik, Florian König, auf Nachfrage unserer Redaktion mit.

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Was das Kur-Angebot allgemein betreffe, sei es sinnvoll, so Linde weiter, „die Angebote immer für kleine Gruppen zu offerieren, um den als sehr wertvoll angesehenen Austausch der pflegenden Angehörigen untereinander zu gewährleisten. Weitere Termine, die derzeit allerdings auf die Aufnahme der pflegenden Angehörigen mit orthopädischen und/oder psychosomatischen Indikationen begrenzt sind, befinden sich in Vorbereitung“.

Noch nicht möglich ist es hingegen, dass die pflegenden Angehörigen als Rehabilitanten und die Pflegebedürftigen in Kurzzeitpflege gleichzeitig als sogenannte „Tandemlösung“ in der Klinik aufgenommen werden. „Die Vamed-Rehaklinik hat derzeit eine Zulassung als Rehabilitationsklinik und nicht als Pflegeeinrichtung. Für diese Umsetzung wären weitere Genehmigungen erforderlich, unter anderem der WTG-Behörde (früher Heimaufsicht)“, so Regina Linde. „Eine Kooperation mit den Trägern der in Bad Berleburg befindlichen Pflegeeinrichtungen ist optional durchaus möglich, allerdings ist die Umsetzung in der Praxis aufgrund der meist fehlenden Kurzzeitpflegeplätze sehr schwierig.“

Die „Atempause Wittgenstein“

Entlastet werden pflegende Angehörige unter anderem von den derzeit 30 Helferinnen des Vereins „Atempause Wittgenstein“. Sie begleiten pflegende Angehörige, Menschen mit Demenz, mit Behinderung oder generell hilfsbedürftige und kranke Menschen bei den alltäglichen Dingen – unter anderem bei Aktivitäten im und außerhalb des häuslichen Umfelds wie gemeinsames Spazieren, Kochen, gemeinsam Zeit miteinander verbringen. Zudem berät der Verein über individuelle Angebote, informieren über Finanzierungsmöglichkeiten. „Die meisten unserer Helferinnen sind Rentnerinnen, die selbst bereits persönliche Erfahrungen mit der Pflege innerhalb ihrer Familie gemacht haben. Wir sind keine Pflegefachkräfte, aber jeder von ihnen hat eine Qualifizierung und regelmäßige Fortbildungen durchlaufen“, sagt Manuela Afflerbach von der „Atempause Wittgenstein“.

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Durch die stundenweise Unterstützung im Alltag – die in den meisten Fällen regelmäßig in Anspruch genommen wird – werden die Angehörigen entlastet. Drei bis vier Klienten kommen dabei auf eine Helferin. „Wir würden uns freuen, wenn wir weitere Helfer – auch gerne Männer – in unserem Team begrüßen dürfen. Denn die werden dringend benötigt“, warb Afflerbach im Rahmen des Gesundheitsausschusses, der sich intensiv mit dem Thema „Pflegende Angehörige“ auseinandersetzte.

Kurse für pflegende Angehörige

Und auch die Vamed-Rehaklinik Bad Berleburg bietet seit einiger Zeit bereits Kurse für pflegende Angehörige an. „Die fußen auf dem wissenschaftlichen Projekt ,Familiare Pflege’ aus dem Jahr 2006“, berichtet Beate Kuhn, Mitarbeiterin der Vamed-Rehaklinik in Bad Berleburg. Ursprünglich für die Begleitpersonen von Reha-Patienten erstellt, wurde der mehrtägige Initialpflegekurs nun für alle interessierten externen Teilnehmer geöffnet. Aufgeteilt in zwölf Module zu je 45 Minuten geht es unter anderem um Stressbewältigung und Selbstfürsorge, um Praxisübungen sowie auch darum, sich einen Ressourcenkoffer anzulegen. Es geht um Themen wie Bettlägrigkeit und Inkontinenz und um die rechtliche Vorsorge für den Ernstfall. „Wir möchten so die Wahrnehmungsfähigkeit, Sensibilität sowie das familiäre Pflegenetzwerk der Betroffenen stärken, sie ermutigen für die neue Lebensphase ,Pflege’“, so Kuhn.

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Darüber hinaus werden Gesprächskreise, individuelle Pflegetrainings sowie Entspannungsangebote wie Waldbaden für pflegende Angehörige und Begleitpersonen angeboten.

Der nächste Pflegekurs findet vom 12. bis 15. Juni statt. Weitere Informationen hierzu gibt es unter info@vamed-gesundheit.de.