Erndtebrück. In der Hundeschule „Die Schnüffler“ bildet Susanne Schmidt Hunde im Mantrailing aus. So lernen Hunde vermisste Personen in Notlagen zu finden.
Kara, Mina und Mirabelle treffen sich einmal die Woche, um ihrem Geruchssinn auf die Probe zu stellen. Die drei Damen sind keine Menschen, sondern Hündinnen, die gemeinsam bei der Hundeschule „Die Schnüffler“ auf Spurensuche nach vermissten Menschen gehen. Beim Mantrailing, was auf Deutsch übersetzt so viel wie „Menschen verfolgen“ bedeutet, werden vermisste Menschen von den Hunden gesucht und aufgespürt. Dabei ist es vollkommen egal, welche Hunderasse mitmachen möchte. „Das kann wirklich jeder Hund“, sagt Hundetrainerin Susanne Schmidt. „Der größte Hund im Training ist ein amerikanischer Akita, der kleinste eine Französische Bulldogge. Bisher habe ich noch jedem Hund das Trailen beigebracht“, so Susanne Schmidt. Das bedarf natürlich etwas Übung, aber dafür sind die Trainingsstunden da.
Immer in Dreiergruppen bietet Susanne Schmidt mehrmals die Woche Mantrailing an. Das besondere an der Gruppe der drei Hundedamen: Die Vierbeiner sind Angsthunde. „Die Hunde bauen mit dem Mantrailing Selbstbewusstsein auf“, erklärt die Trainerin. Kara ist zum sechsten Mal dabei. „Mit fremden Menschen hat Kara Probleme, vor allem mit Männern“, erklärt Hundehalter Frank Dickel. „Kara ist ein Jagdhund-Mischling und hat immer die Nase auf dem Boden. Weil sie beim Mantrailing fremde Leute suchen muss, dachte ich mir, machen wir mal mit“, sagt er weiter – in der Hoffnung, dass Kara durch die Übungsstunden ihre Angst überwinden kann. Und es funktioniert: Kara begrüßt mittlerweile die anderen Teilnehmer und lässt sich sogar streicheln.
Mantrailing hilft den ängstlichen Hunden Selbstbewusstsein aufzubauen
Zum warm werden nimmt ein Teilnehmer Kontakt zum Hund auf und versteckt sich erstmal nur hinter der nächsten Ecke. „Beim ersten Training sehen die Hunde, wenn die Person wegrennt und verfolgen sie. Dann steigern wir es langsam“, erklärt Susanne Schmidt den Trainingsablauf. Dabei lernen die Hunde auch voneinander. „Kara ist Mina beim letzten Mal hinterhergelaufen und da machte es Klick“, sagt Susanne Schmidt. „Der Knoten ist vergangene Woche geplatzt, seitdem läuft es mit dem Mantrailing“, stimmt Frank Dickel zu.
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Nach der Aufwärmübung kommt der Geruchsträger zum Einsatz: ein Kleidungsstück der zu suchenden Person – in einem Frischhaltebeutel aufbewahrt, damit der Geruch lange bestehen bleibt. Mirabelle schnuppert an der Mütze und rennt sofort los. „Mirabelle ist ein sehr ängstlicher Hund, aber das ist jetzt schon viel besser geworden“, sagt Besitzerin Katja Steiner. Zielstrebig führt Mirabelle ihr Frauchen vom Parkplatz in den benachbarten Ederauenpark, die Nase immer auf dem Boden. Ziel beim Mantrailing ist es, dass die Hunde genau den Weg gehen, den die zu suchende Person gelaufen ist. Das klappt im Training noch nicht immer, aber zum Ziel kommen die Vierbeiner alle. Schnell findet Mirabelle Frank Dickel, der auf einer Bank im Park sitzt. Schwanzwedelnd begrüßt sie ihn und freut sich über die Leckerlis als Belohnung.
Im Wald und in der Stadt werden die Einsätze der Spürhunde geübt
Die Mantrailer üben an ganz verschiedenen Orten. Im Winter in der Stadt, in Sommer im freien Gelände. Dabei lernen die Hunde unterschiedliche Situationen und Begebenheiten kennen: Wald, Wiese, aber auch mal einen öffentlichen Parkplatz oder den Kreisverkehr an der Hauptstraße. „Das war das Schwierigste, als der Kreisverkehr miteingebunden war“, sagt Elisabeth Demuth. Ihre Hündin Mina ist schon ein „alter Hase“ bei den Mantrailern, aber der Verkehr an der Straße war für sie eine Herausforderung. So sind die Spürnasen aber auf verschiedene Situationen vorbereitet.
Hundetrainerin Susanne Schmidt trailt selbst seit über 15 Jahren. In ihrer Hundeschule bietet sie das Mantrailing von Anfang an mit an. „Ich habe früher Rettungssuchhunde ausgebildet. Als Flächensuchhund eignet sich mein Hund aber nicht, deswegen habe ich das Trailen angefangen“, erklärt Susanne Schmidt. Bei Einsätzen war die Hundetrainerin auch schon dabei. „Das sind Privatalarmierungen. Die Polizei nutzt die eigenen Mittel. Wir kommen zum Einsatz, wenn es sonst keiner macht“, erzählt sie. Zum Beispiel als in Bad Laasphe im vergangenen Jahr ein 17-Jähriger vermisst wurde. „Wir haben ihn zwar selbst nicht gefunden, aber durch die Hunde gab es Hinweise und so konnte der Junge gefunden werden“, erklärt sie.
Hundetrainerin Susanne Schmidt bei Suchaktionen im Einsatz
Solche Hinweise sind zum Beispiel das „Negativ anzeigen“, wenn ein Hund die Spur verliert, weil sie endet oder der Vierbeiner doch falsch abgebogen ist. Das passiert Mina beim Training. Der Wind trägt den Geruch quer durch den Park zu ihr und sie nimmt eine falsche Abbiegung. Dann ist die Spur weg. Erst sucht Mina noch und schnüffelt am Boden, dann setzt sie sich hin und schaut ihr Frauchen ratlos an. „Sie hat die Spur verloren“, sagt die Trainern. Deswegen geht es zurück zur Abzweigung. Dort hat Mina den Geruch sofort wieder in der Nase und läuft zielstrebig weiter. „Das ist wichtig, dass die Hunde lernen anzuzeigen, wenn nichts da ist“, erklärt Susanne Schmidt. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn Personen in ein Auto steigen und wegfahren. Bei einer echten Suchaktion, ist es entscheidend, dass die Hunde anzeigen, wenn die Spur endet. Wasser, also ein Fluss oder starker Regen, hindert die Spürnasen daran, die Spur weiterzuverfolgen oder macht es sehr viel schwieriger. „Sehr starker Wind schwächt die Geruchsspur ebenfalls“, erklärt die Hundetrainerin.
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„Wenn der Groschen gefallen ist, leisten die Hunde unglaubliche Sachen“, sagt Susanne Schmidt. Sie berichtet von einer Übung, in der eine Ein-Euro-Münze im Kreis herumgegeben wurde. Der letzte Teilnehmer, der die Münze berührt hat, musste gesucht werden. Der Hund schnupperte an der Münze und fand die Person. Prüfungen gibt es bei den Mantrailern auch. Zwar keinen offiziellen, aber einen „Hundeschulen internen Leistungsnachweis“. Und dabei müssen die Fellnasen einiges leisten: Eine 24- bis 36-Stunden alte Spur über eine Strecke von 1,5 Kilometern mit fünf Kreuzungen verfolgen. Der Prüfer kennt dabei die Geruchsspur ebenfalls nicht. Eines ist beim Training offensichtlich: Die Freude, wenn die gesuchte Person gefunden wurde, ist jedes Mal groß. „Die Hunde sind sehr motiviertet, sie machen es gern“, sagt Elisabeth Demuth. Und dafür gibt es am Ende natürlich eine leckere Belohnung. Nach eineinhalb Stunden Training sind die Spürnasen platt. „Kara schläft nachher nur noch“, sagt Frank Dickel.
Und was für die drei Hunde im Training Spaß ist, ist in anderen Situation bitterer Ernst. „Wir haben 2021 bei der Suche nach einer älteren Frau geholfen, sie wurde aus einem Altenheim vermisst. Wir haben sie gefunden. Eine dritte Nacht im Wald hätte sie nicht überlebt“, sagt Susanne Schmidt und macht damit deutlich, wie wichtig die Arbeit der Mantrailer ist.