Wittgenstein. Immer mehr Menschen im Kreis Siegen-Wittgenstein sind auf Unterstützung im Alltag angewiesen. So sehen Pflegedienstleister die Zukunft.

Die Pflegebedürftigkeit im Kreis Siegen-Wittgenstein steigt stark an. Seit 2017 ist die Zahl der Pflegebedürftigen im Kreis um 56,5 Prozent gestiegen, allein seit 2019 um 26,4 Prozent, so die Zahlen des Statistischen Landesamts NRW. Ein rasanter Anstieg der vor allem auf den demografischen Wandel zurückzuführen ist. Waren 2017 noch 12.429 Menschen im Kreis Siegen-Wittgenstein pflegebedürftig, so waren es 2019 bereits 15.396 und 2021 insgesamt 19.455. „Gründe für den Anstieg sind allerdings nicht nur der demografische Wandel, sondern auch der seit 2017 weiter gefasste Pflegebedürftigkeitsbegriff, durch den auch Menschen ohne Pflegestufe mit erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz als pflegebedürftig eingestuft werden“, erklärt Michael Lobscheid von der Krankenkasse IKK classic in einer Pressemitteilung.

Anfragen bei Pflegeeinrichtungen in Wittgenstein steigen

Dass die Pflegebedürftigkeit der Menschen im Kreis immer weiter wächst, spüren auch die Pflegeeinrichtungen und die ambulanten Pflegedienste in Wittgenstein. Die Anfragen nach stationärer Pflege im Seniorenstift Elim in Oberndorf kommen täglich. „Manchmal haben wir sogar drei bis vier Anfragen am Tag“, sagt Elke Six von der Verwaltung. Oft fragen Krankenhäuser wegen Kurzzeitpflege oder Wiedereingliederungen an, die Zimmer seien meist alle belegt. „Wir haben zwei bis drei Leute auf der Warteliste. Oft wird der Pflegegrad vor Ort noch erhöht, weil der Pflegebedarf doch höher ist“, erklärt Pflegedienstleitung Christiane Brühl. Zum einen spiele sicher der demografische Wandel eine Rolle, aber die Pflegedienstleitung sieht auch noch eine andere Ursache für die höhere Auslastung: „Die Versorgung zuhause ist nicht mehr möglich. Im Haushalt gehen oft zwei Leute arbeiten, um die Familie zu ernähren. Man kann nicht einfach aufhören zu arbeiten, um Angehörige zu pflegen. Von daher ist der Bedarf an stationärer Pflege in Pflegeheimen gestiegen“, so Christiane Brühl.

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Auch in Erndtebrück gibt es mehr und mehr Nachfragen nach Pflegeplätzen im AWO-Seniorenzentrum.
„Wir haben definitiv mehr Nachfragen. Der Bedarf an stationärer Pflege ist gestiegen“, sagt Einrichtungsleitung Marina Schmid. „In Zukunft wird der Bedarf noch mehr werden. Der Pflegekraftmangel macht es nicht einfacher“, so die Einrichtungsleitung weiter.

Mobile Pflegedienste können der Nachfrage kaum gerecht werden

Vielen Menschen ist es wichtig, trotz notwendiger Unterstützung, in den eigenen vier Wänden wohnen zu bleiben. Deswegen steigt die Nachfrage nach ambulanter Pflege ebenfalls. „Wir können bestätigen, dass im Vergleich zu den Vorjahren auch für uns in Wittgenstein eine stetige Steigerung der Pflegebedürftigkeit erkennbar ist und war, was uns als ambulanten Pflegedienst hinsichtlich des Fachkräftemangels immer wieder vor eine Herausforderung stellt und voraussichtlich auch zukünftig ein Problem darstellen könnte“, erklärt Carolin Wied vom Diakonischen Werk Wittgenstein.

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Der Pflegedienst Mobi-Care Wittgenstein kann der steigenden Nachfrage kaum noch gerecht werden. „Wir haben so viele Anfragen, dass wir nicht alle annehmen können. Die Nachfrage ist enorm gestiegen. Wir können nur so viele Menschen bedienen, wie Personal da ist“, sagt Inhaberin Monika Hammer. Die Auflagen der Krankenkassen werden immer strenger und lassen manche Behandlungen ambulant vom Pflegedienst nicht mehr zu. „Für vieles braucht man eine Fortbildung, die dauern manchmal ein Jahr. Wir können es uns nicht leisten Personal für ein Jahr zur Fortbildung zu schicken“, so Monika Hammer.

Weiterer Anstieg der Pflegebedürftigkeit erwartet

Die Zukunftsprognosen sehen keine Trendwende. Laut der Pflegevorausberechnung des Statistischen Bundesamts wir die Zahl der pflegebedürftigen Menschen in NRW allein durch die zunehmende Alterung bis 2035 um 12 Prozent und bis 2055 um 33 Prozent steigen. In Angesichts des Pflegekraftmangels stehen hier herausfordernde Zeiten an. Wie die wachsende Zahl pflegebedürftiger Menschen in Wittgenstein in Zukunft versorgt werden soll, wird sich zeigen. Denn die freien Plätze – egal ob ambulant oder stationär – sind jetzt schon heiß begehrt.