Siegen-Wittgenstein. Tourismusregionen Sauerland und Siegen-Wittgenstein stellen um auf umweltbewussten, nachhaltigen Tourismus und präsentieren sechs Beispiele.
Der Touristikverband Siegerland-Wittgenstein e.V. und der Sauerland-Tourismus e.V. werden sich und ihre Destinationen als „Nachhaltige Reiseziele” zertifizieren lassen. Als einens von sechs Beispielen zwischen Siegen, Schmallenberg und Willigen ist auch die Wisent-Wildnis am Rothaarsteig mit ihrer Wisenthütte als autarke Erlebnisgastronomie Teil des Konzeptes.
Die Touristiker steigen damit in einen Prozess ein, bei dem sie sammeln und sortieren, wie es um die Nachhaltigkeit in all ihren Facetten in beiden Regionen bestellt ist – und wie sie sich stetig darin verbessern können. Ziel dieses Prozesses ist es, das renommierte Siegel „TourCert” zu erreichen. Bei einer Kick-off-Veranstaltung in Lennestadt-Langenei haben die beiden Verbände ihre touristischen Ortsstellen und weitere Partnerinnen und Partner aus Wirtschaft, Gesellschaft und Naturschutz über das ambitionierte Ziel und Unterstützungsmöglichkeiten informiert.
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„Nachhaltiger Tourismus bringt ökologische, ökonomische und soziale Aspekte zusammen“, erläutert Monika Dombrowsky, Geschäftsführerin des Touristikverbandes Siegerland-Wittgenstein e. V. „Es geht darum, unseren Gästen eine ganzheitliche Erholung in einer authentischen Region zu bieten, deren sämtliche Ressourcen wir so verträglich nutzen, dass auch die Einheimischen hier gern leben und ihr Einkommen – unter anderem in der wichtigen Tourismusbranche – dauerhaft sichern können“, ergänzt Dr. Jürgen Fischbach, Geschäftsführer des Sauerland-Tourismus e.V.
Zertifizierung ist jetzt das große Ziel
Seit jeher orientieren sich die beiden inspirierenden Outdoorregionen mit ihren Angeboten und Produkten an nachhaltigen Maßstäben, mit dem Zertifizierungsprozess unterziehen sie ihre Arbeit jedoch einer gründlichen – und von einer externen Fachjury zu prüfenden – Bestandsaufnahme. „Dabei werden wir genau unter die Lupe nehmen: Wo stehen wir als Verbände und als Regionen, welche Aufgabenfelder können und müssen wir priorisieren und wie können wir uns ständig verbessern“, stellen die Geschäftsführenden fest. „Nachhaltigkeit ist keine Aufgabe, die wir jemals abschließen, sie ist ein kontinuierlicher Weg – der einen langen Atem braucht.“ Um den Prozess zu steuern, haben die beiden Regionen die Nachhaltigkeitsbeauftragten Jule Kampen (Siegen-Wittgenstein) und Anna Galon (Sauerland) für diese Aufgabe berufen.
An diesen Stellen wird Nachhaltigkeit bereits gelebt
Im Rahmen des Zertifizierungsprozesses werden die beiden Regionen einen Nachhaltigkeitsbeirat gründen, der sich regelmäßig mit strategischen Themen für die Zukunft befassen soll, sowie Partnerbetriebe in der Hotellerie, Gastronomie und im Freizeitwesen für eine gemeinsame Zertifizierung werben. Über diese und weitere Schritte haben sie bei einer Kick-off-Veranstaltung informiert, unterstützt durch einen informativen Vortrag der „TourCert“-Beraterin Angela Giraldo. Diese Veranstaltung diente aber auch der Inspiration aller Teilnehmenden, denn bei mehreren Impulsvorträgen wurde deutlich, dass an verschiedenen Orten in Siegen-Wittgenstein und im Sauerland Nachhaltigkeit bereits gelebt wird.
„Nachhaltiges Hotel für moderne Gäste“
1. Marion Steinberg stellte das Projekt „Nachhaltiges Hotel für moderne Gäste“ vor, das in Sundern-Wildewiese bald Gestalt annehmen soll. Sie wies schmunzelnd darauf hin, dass ihr Familienbetrieb immer schon nachhaltig gewirtschaftet habe: „Wir waren schon nachhaltig, bevor wir es selbst wussten – bevor das Thema modern wurde und so in den Fokus gerückt ist. Das Bewusstsein gegenüber der Natur und den Menschen ist bei uns mehr als nur ein Trend.“ Wichtig sei neben Digitalisierung und Regionalität vor allem die Wertschätzung der Mitarbeitenden. Besonders ist in Wildewiese auch der „Grüne Faden“. „Auf kleinen Holzschildern, die an vielen Stellen angebracht sind, weisen wir auf die Nachhaltigkeit hin. Wer mehr erfahren möchte, kann mittels QR Code gucken, was wir alles machen. Wichtig ist uns dabei, das ohne erhobenen Zeigefinger zu tun!“
Inklusionshotel Fünf10
2. Jürgen Laarmann vom Inklusionshotel Fünf10 aus Netphen rückte die soziale Dimension der Nachhaltigkeit in den Mittelpunkt. Seine Begeisterung war spürbar, als er über seine Arbeit berichtete: „Wenn eine Mitarbeiterin sich abends bedankt, dass sie an diesem Tag mit mir und hier im Hotel arbeiten durfte, das berührt schon sehr.“ Das Fünf10 ist das erste Inklusionshotel in Südwestfalen; hier arbeiten seit 2019 acht Menschen mit und 19 ohne Behinderung gleichberechtigt Hand in Hand zusammen. „Wenn man morgens zur Arbeit kommt und das Strahlen in den Augen sieht und diese Energie spürt, dann macht es einfach Spaß.“ Neben dem Hotel mit Rezeption, Housekeeping und Service wird auch noch die Akademie Neun10 geführt, in der Tagungen, Seminare, Vorträge oder eLearnings stattfinden. Voraussichtlich Ende Juni wird das Haus dann auch über eine eigene Küche verfügen, um den gesamten Betrieb abzurunden.
Personenschifffahrt Biggesee
3. Nicole Keseberg und Aleksander Farkas von der Personenschifffahrt Biggesee berichteten davon, wie die Ausflugsschiffe auf den Sauerland-Seen sukzessive auf Elektromotoren umsteigen. Dieser Einblick in den Umbau der Schiffe mit riesigen Akkus beeindruckte das Publikum sichtlich. „Ziel ist es, eine Grüne Flotte auf den Sauerländer Seen unterwegs zu haben. Wir wollen zeigen, dass die E-Mobilität auch in der Schifffahrt an vielen Stellen machbar ist.“ Darüber hinaus sei auch die komplette Arbeit hinter den Kulissen, wie zum Beispiel der Ticketverkauf, voll digital, es werden lokale Caterer gebucht und Mehrwegsysteme verwendet.
Wisent-Hütte in Bad Berleburg
4. Die Wisent-Hütte in Bad Berleburg als autarke Erlebnisgastronomie präsentierte Tobias Decker. Die Hütte ist weder an das Strom-, noch an das allgemeine Wasserversorgungsnetz angeschlossen. Daher gibt es dort ein Blockheizkraftwerk, eine Photovoltaikanlage, zwei extra gebohrte Brunnen und eine Biokläranlage. Die komplette Küche wird mit Flüssiggas betrieben. „Sogar die Kaffeemaschine haben wir umgerüstet“. Für potenzielle Strom-Ausfälle gebe es große Batterien und „ansonsten sind wir ja eine Erlebnisgastronomie, da ist das schon mal so, dass man keinen Strom hat. Das kriegen wir gut verkauft!“
Hotel Menge aus Arnsberg
5. Das Konzept der Gemeinwohl-Ökonomie, dem sich ihr Familienbetrieb verschrieben hat, stellte Friederike Menge vom Hotel Menge aus Arnsberg vor. Dieser ganzheitliche Ansatz betrachtet sowohl das Unternehmen als auch das soziale Umfeld als Ganzes und entwickelt es weiter. Ihr Engagement bilanziert sie in einer so genannten Peergroup von gleichgesinnten Unternehmen, die ein ehrliches und gemeinschaftliches Besprechen und Bewerten der Ziele erlaubt. „Ich wollte einen Ansatz wählen, der ohne ‚Hauruck‘ auskommt, sondern uns eine gesunde und ganzheitliche Umstellung ermöglicht. Die Gemeinwohl-Ökonomie passt zu mir und meinem Hotel“, sagte Menge.
Berghotels Astenkrone
6. Jörg Templin, Direktor des Green Leaf Stufe 4 zertifizierten Berghotels Astenkrone, gehört – zusammen mit Winterberg – zu den Vorreitern der touristischen Nachhaltigkeit und inspirierte mit seinem Engagement. Sein Motto: „Tue Gutes und rede darüber.“ Denn Nachhaltigkeit solle Spaß machen, motivierte er, sie habe nichts mit Verzicht zu tun, sie sei ein gutes Gefühl. Schon 2017 habe sich sein Haus auf den nachhaltigen Weg gemacht, immer in Gemeinschaft mit allen Mitarbeitenden. „Ich brenne für das Thema Nachhaltigkeit und versuche, alle mitzunehmen.“
Norbert Lopatta, Tourismusdirektor aus Willingen, erläuterte, wie sich die hessischen Destinationen zusammen mit dem hessischen Landesverband ebenfalls um ein TourCert-Siegel bewerben. Spannend sei hier, dass sich ein ganzes Bundesland auf den Weg mache, um sich zertifizieren zu lassen. Er betonte, wie wichtig es sei, als Tourist-Info ein gutes Vorbild zu sein: „Man muss es zeigen und man muss es vorleben.“
Eindrucksvoll führten alle Vortragenden zusammen vor Augen: In Siegen-Wittgenstein und im Sauerland passiert bereits so viel, was nachhaltige Wirkung hinterlässt, und die Regionen fit für eine touristische Zukunft macht, die ökonomische, ökologische und soziale Aspekte vereint.