Wittgenstein. Das schmerzt: In Wittgenstein haben sich die Verträge für Ausbildungen zum Teil fast halbiert. Azubis sollen nun auf neuen Wegen gewonnen werden.

Es ist ein ernüchternder Rückgang, der schmerze – so äußerte sich jetzt IHK-Geschäftsführerin Sabine Bechheim über den Ausbildungsmarkt in den Kreisen Siegen-Wittgenstein und Olpe. Einen besonders auffälligen Rückgang haben dabei jedoch die Wittgensteiner Kommunen, allen voran Erndtebrück, zu verzeichnen.

„1899 neue Lehrverträge schlossen die IHK-zugehörigen Unternehmen im vergangenen Jahr in den Kreisen Siegen-Wittgenstein und Olpe ab. Das entspricht einem Rückgang von 1,8 Prozent, der umso mehr schmerzt, als die durch Corona verlorenen Ausbildungsbewerbungen, die noch längst nicht aufgeholt sind. Viele Unternehmen haben mehr Plätze angeboten als zuvor, doch die Anzahl der Bewerber ist gesunken. Das Ergebnis ist ernüchternd“, so Bechheim.

Auffällige Entwicklung im Altkreis

Blickt man mit Wittgensteiner Augen auf die Zahlen, schmerzt das Ergebnis womöglich noch mehr, denn im Altkreis ist die Entwicklung besonders auffällig. In allen Kommunen sind laut IHK Rückgänge zu verzeichnen: Minus 44 Prozent in Erndtebrück, minus 30 Prozent in Bad Laasphe und minus 20 Prozent in Bad Berleburg. Aber was sind die Gründe für den Einbruch?

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Die Ursache ist ein alter Bekannter: Der demografische Wandel macht auch in dieser Angelegenheit den Wittgensteiner Kommunen zu schaffen. Der Bonuspunkt Erndtebrücks dabei war zuletzt in den Augen des Sozialforschers Dr. Frank Luschei, der den demografischen Wandel im Kreis aufarbeitete, die Arbeitsplatzdichte der Edergemeinde. In Erndtebrück gab es 2019 eine höhere Arbeitsplatzdichte als im Durchschnitt des Kreises Siegen-Wittgenstein und deutlich mehr als in NRW. Dabei wird vor allem auf die Berufspendler gehofft, die beim täglichen Besuch in der Gemeinde, die stark an ihrer Attraktivitätssteigerung arbeitet, irgendwann den Entschluss fassen, herzuziehen. „Die Gemeinde hat gute Arbeitgeber und daraus resultierend eine hohe Zahl an Berufspendlern“, so die Verwaltung noch im August 2022.

Nachwuchs steht nicht mehr in den Startlöchern

Doch der deutliche Rückgang der Lehrstellenverträge in Erndtebrück, aber auch in Bad Berleburg und Bad Laasphe sprechen dafür, dass der Nachwuchs nicht in den Startlöchern steht – die IHK bezeichnet das als „veränderten Anspruch der Jugend an Lebens- und Arbeitsmodelle. Das werde auf Dauer den regionalen Fachkräftemangel weiter verschärfen, insbesondere in den Branchen, die bereits jetzt darunter zu leiden haben.“

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Doch schlagen hier auch die Nachwehen der Corona-Pandemie zu Buche: „Obwohl die Ausbildungs- und Berufsmessen in der Region kurz nach dem Lockdown relativ gut besucht waren, absolvierte der jetzige Bewerberjahrgang erheblich weniger praktische Berufsorientierung als frühere. Die Schulschließungen der Corona-Jahre wirken sich hier immer noch voll aus. So konnten etliche Jugendliche nicht den Überblick über bedarfsgerechte Berufsmöglichkeiten gewinnen.“

Pläne für eine Verbesserung

Die IHK plane daher für das neue Jahr 2023, ihr Marketing für die Ausbildung in Industrie, Handel und Dienstleistungen zu verstärken. „Wir stellen die Ausbildungsmessen als Instrument der Berufsorientierung derzeit neu auf. An der konzeptionellen Überarbeitung beteiligen sich etliche Unternehmen. Das zeigt, wie hoch das Interesse der Ausbildungsbetriebe an einer kontinuierlichen Nachwuchssicherung ist“, verdeutlicht Geschäftsführerin Sabine Bechheim. Auch Schulen sollen demnach aktiv mit einbezogen werden.

Und auch bezüglich der Eltern möglicher neuer Azubis macht sich die IHK Gedanken: Neue Wege bei der Ansprache der Eltern von zukünftigen Schulabsolventen sollen gegangen werden. „Es geht darum, die Schüler und ihre Familien von den Chancen zu überzeugen, die in der betrieblichen Ausbildung liegen. Gelingt dies nicht, wird sich der Rückgang auch auf die Bildungsinfrastruktur auswirken, denn weniger Auszubildende bedeuten zugleich weniger Schüler an den Berufskollegs. Deshalb ist es wichtig, den Schritt weg von den fixen Klassenfrequenzstärken hin zu mehr digitalem und flexiblem Unterricht zu gehen“, so Bechheim.