Erndtebrück. Eine junge Mutter beobachtet am Ederauenpark einen Mann, der zu masturbieren scheint – sie nimmt sich ein Herz und konfrontiert ihn.

Ein besonderes Zeichen von Mut und Zivilcourage setzte zunächst im Juni dieses Jahres und in der Folge jetzt im Bad Berleburger Amtsgericht eine junge Mutter aus Erndtebrück: Nachdem bereits im vergangenen Jahr in der Nähe des Ederauenparks ein Mann direkt vor ihr masturbiert hatte, beobachtete sie im Juni dieses Jahres erneut und an derselben Stelle einen Mann, der verdächtige Bewegungen vornahm. Die Erndtebrückerin konfrontierte ihn daraufhin direkt – und brachte den Fall zur Anzeige.

„Mir war es wichtig, dass die Aufmerksamkeit auf dieser Stelle liegt, denn dort sind auf dem Weg zum Ederauenpark viele Familien mit Kindern unterwegs“, sagte die 32-Jährige. Am 29. Juni war sie mit dem Kinderwagen und einer Freundin in ihrer Mittagspause auf dem Weg in den Ederauenpark.

Verdächtige Bewegungen beobachtet

Nachdem sie ihr Auto am Raiffeisenmarkt abgestellt hatte, bemerkte sie hinter dem Häuschen an der Brücke, die über die Eder führt – der direkte Weg zum Eingang des Ederauenparks – verdächtige Bewegungen. „Dort hat immer wieder jemand um die Ecke geschaut.“ Dabei habe sie auch Bewegungen der Hand – ein „hin- und herbewegen“ – wahrgenommen, die bei ihr ein „ungutes Gefühl“ verursachten: Ein Jahr zuvor hatte sie bereits sehr deutlich an dieser Stelle sehen müssen, wie ein Mann direkt vor ihr masturbiert hatte. Damals hatte sie das Gesicht nicht erkennen können – diesmal war sie entschlossen, das Ganze im Keim zu ersticken und auch andere vor dem Anblick zu schützen.

Lesen Sie auch: Wittgenstein: Vater züchtigt seine Kinder im Namen Gottes

Nachdem der Versuch, den Mann mit einem fingierten lauten Telefonat ganz in der Nähe zu vertreiben, nicht funktionierte, nahm sich die 32-Jährige ein Herz und konfrontierte den Mann. „Ich habe ihn angebrüllt, ob er das denn nicht lassen könnte.“ Der Mann sei sich keiner Schuld bewusst gewesen: „Er sagte, dass er nur rauche.“ Dennoch – auch aufgrund ihrer Vorerfahrung – rief sie die Polizei und erstattete Anzeige. Denn was sie sich diesmal gezielt und genau eingeprägt hatte, war das Gesicht des Mannes – und den erkannte sie sowohl auf Lichtbildern bei der Polizei als auch am Freitag im Gericht auf der Anklagebank wieder: „Das ist der Angeklagte, 100-prozentig“, so die junge Mutter im Zeugenstand.

Angeklagter steht bereits unter Bewährung

Dieser 23-jährige Angeklagte, der bereits unter Bewährung steht, widersprach hingegen: „Ich war zu diesem Zeitpunkt gar nicht in der Nähe des Tatorts.“ Vielmehr sei er da gerade auf dem Heimweg von der Arbeit gewesen, um im heimischen Stall noch Arbeiten vornehmen zu können – eine Tatsache, die er mit dem Tagebucheintrag seiner Großmutter bestätigen wollte. Darin, das legte sein Verteidiger jedoch offen, sei zwar die Arbeit im Stall an diesem Tag, aber nicht die Uhrzeit vermerkt, zu der der 23-Jährige zuhause eintraf. Er hatte auch seine Mutter mit zur Verhandlung gebracht, die aussagen könne, dass er zum Tatzeitpunkt zuhause gewesen sei.

Lesen Sie auch: Bad Berleburger legt „ekelerregende“ Bilder an Schulen aus

Ein vorzeitiges Ende bereitete der Verhandlung dann jedoch die Zeugin selbst, die zu Protokoll gab, dass sie nicht mit absoluter Gewissheit sagen könne, ob der Mann tatsächlich masturbiert habe oder nicht. „Sie haben sich genau richtig verhalten, das Ganze zur Anklage zu bringen“, lobte Richter Torsten Hoffmann. Und auch Oberamtsanwältin Judith Hippenstiel zog sprichwörtlich den Hut vor dem Mut der jungen Mutter: „Wenn sich alle Zeugen so wie Sie verhalten würden, so mutig und in der Aussage so differenziert, dann hätten wir hier weniger Probleme. Vielen Dank“, wendete sich Hippenstiehl an die Zeugin.

Der 23-Jährige hingegen wurde aufgrund eines fehlenden Nachweises von der Anklage freigesprochen – aber nicht ohne eine Standpauke der Oberamtsanwältin: „Sie haben uns nach Strich und Faden belogen – Sie waren vor Ort und wurden wiedererkannt. An der Aussage der Zeugin besteht kein Zweifel.“ In diesem Falle würde er auch seine Mutter zu einer Falschaussage – und damit einer Straftat – anstiften, warnte Richter Hoffmann den Angeklagten. Aus diesem Grund verzichteten dann auch alle Beteiligten auf eine Anhörung der Mutter.