Wittgenstein. PV-Anlagen auf Grün- und Ackerland: Laut Bundesregierung ist das möglich. Manche Landwirte sehen ihre Existenz dadurch jedoch bedroht.

Das Thema „Erneuerbare Energien“ beschäftigt die Menschen in der Region nach wie vor – gerade im Hinblick auf einen möglichen Blackout in den Wintermonaten. Doch das Thema sorgt auch für Diskussionen – unter anderem bei den Landwirten. Denn: Seit kurzem ist Solarstrom nicht nur auf Ackerflächen möglich (Agri-PV), sondern auch auf Grünflächen. Doch die Gewinnung von Solarstrom auf Grünland bleibt umstritten, das weiß auch Kreislandwirt Lothar Menn. Er spricht sich gegen PV-Anlagen auf Acker- und Grünland aus – aus einem guten Grund.

„Dass die Klimakrise da ist, wissen wir. Das kann man nicht leugnen. Nur ein warmes Wohnzimmer bringt wenig, wenn der Kühlschrank leer bleibt. Wo soll das denn enden, wenn wir eine landwirtschaftlich genutzte Fläche nach der anderen zubauen? Der Boden auf der Erde ist nicht unendlich“, so Menn. Immerhin werden die Flächen von den Landwirten dringend benötigt. Der Kreislandwirt befürchtet, dass die Pacht durch mögliche PV-Anlagen in die Höhe getrieben werde und Landwirte die Flächen am Ende gar verlieren. Denn: „Viele Betriebe sind Pachtflächen. Die Landwirte selbst haben dann am Ende nicht einmal etwas davon – auch nicht von der Förderung.“

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Die Bundesregierung regelt die Förderung von Agri-Photovoltaik (Agri-PV) über das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Und auch Photovoltaikanlagen auf Dauergrünland sollen als förderfähige Flächenkulisse gemäß des EEG berücksichtigt werden. Für Lothar Menn jedoch ist das ein Schritt zu schnell: „Ich habe das Gefühl, wir machen den zweiten Schritt vor dem Ersten. Man kann noch so viele PV-Anlagen bauen – wenn es kaum Speichermöglichkeiten gibt, macht es wenig Sinn.“ Ebenso wichtig sei der Standort – sowohl im Hinblick auf Solar- wie auch Windkraftanlagen. „Natürlich ist erneuerbare Energie wichtig, doch wir müssen erst schauen, welche Flächen wir haben und welche sinnvoll genutzt werden könnten. Es gibt so viele Industrieflächen, die für PV-Anlagen in Frage kämen.“

Potenzial auf Dachflächen nutzen

Das sieht auch Henner Braach, Vorsitzender des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes, so. Bei einer Fach-Klausurtagung der CDU-Kreistagsfraktion Siegen-Wittgenstein sagte er: „In unserer Region sind sogenannte Agri-PV-Verfahren, bei denen gleichzeitig Flächen für die landwirtschaftliche Produktion und durch aufgeständerte Photovoltaik-Anlagen für die Stromproduktion genutzt werden, kein Zukunftsmodell. Das mag bei Flächen von Obstanbau noch funktionieren, nicht aber im Getreide-Ackerbau oder der notwendigen Grünlandnutzung.“

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Bei Geschäftsmodellen der Agri-PV-Wertschöpfung werde hier die agrarische Nutzung in der Flächenkonkurrenz den Kürzeren ziehen. Stattdessen sei das Potenzial für Neuanlagen auf Dachflächen weiterhin vorhanden. Auch sei intensiv über die Überdachung von Pkw-Parkraum mit PV-Anlagen nachzudenken.

Finanzielle Anreize für PV auf Neubauten

Und was sagen die Kommunen zum Thema Agri-PV? Immerhin sind sie für die Genehmigungsverfahren zuständig. „Das Thema Agri-PV ist in Bad Laasphe und auch in Wittgenstein differenziert zu betrachten. Die Bereitstellung von landwirtschaftlich genutzten Flächen für die Nutzung als AGRI-PV sehe ich derzeit eher nicht. Auch sind nach meinen Informationen die Landwirte in diesem Bereich eher zurückhaltend unterwegs, da die Flächen für die betriebliche Nutzung uneingeschränkt zur Verfügung stehen müssen“, so Bad Laasphes Bürgermeister Dirk Terlinden. Es stünden zunächst andere Standorte – im wesentlichen Dachflächen – für PV-Anlagen zur Verfügung.

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Auch die Gemeinde Erndtebrück ist bestrebt, bereits versiegelte Flächen für die Nutzung von Sonnenenergie bestmöglich zu nutzen. Sie setzt bei Neubaugebieten finanzielle Anreize zur Umsetzung von „PV auf Neubauten und baut sukzessive auf eigenen Gebäuden die Nutzung durch PV-Anlagen aus“, teilt die Gemeinde mit. Aber auch das Thema Agri-Photovoltaik werde derzeit an vielen Stellen diskutiert. Doch: „Agri-PV-Anlagen, die nicht ausschließlich dem landwirtschaftlichen Zweck dienen, sind auf landwirtschaftlichen Flächen im Außenbereich nur dann umsetzbar, wenn zuvor planungsrechtliche Grundlagen geschafften werden.“ Inwiefern hier durch Gesetzgebungen zukünftig Vereinfachungen zu erwarten sind, bleibe abzuwarten.

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Dennoch: „Ein Energiewechsel – und damit verbunden eine Energiewende – ist zwingend erforderlich“, sagt auch Christoph Koch, Dezernent und Fachbereichsleiter Planen, Bauen, Wohnen der Stadt Bad Berleburg. „Neben vielen weiteren Energieträgern, etwa Windkraft, Biomasse, grüner Wasserstoff und Wasserkraft. sind auch PV-Anlagen und damit auch Agri-PV-Anlagen in unsere Überlegungen zum Energiewechsel einbezogen. Die Stadt Bad Berleburg befindet sich gemeinsam mit Interessenten derzeit in Abstimmungsgesprächen zur baurechtlichen Bewertung und Einordnung von Freiflächen- und Agri-Solaranlagen.“

Derzeit werden die Rahmenbedingungen für Freiflächen-Photovoltaik im Landesentwicklungsplan angepasst. „PV-Anlagen im Außenbereich sind grundsätzlich nicht privilegiert. Sollten die Beschränkungen im Landesentwicklungsplan angepasst werden, wäre für landwirtschaftliche Flächen mit unterdurchschnittlichen Ertragszahlen die Einrichtung von Freiflächen-Photovoltaik eine durchaus interessante Alternative.“