Bad Laasphe. 84 Jahre nach der Bad Laaspher „Glasnacht“ erinnert sich die Stadt an verfolgte und ermordete Mitbürger und auch an die Täter.

Es war nicht eine einzelne Nacht, die das Leben so vieler Menschen für immer veränderte. Das macht diese Gedenkveranstaltung im Bad Laaspher Haus des Gastes deutlich. Der Freundeskreis christlich-jüdische Zusammenarbeit und die Stadt Bad Laasphe erinnern aber traditionell am 9. November an die deutschlandweiten Pogrome gegen jüdische Mitbürger vor 84 Jahren, die auch in Bad Laasphe zu einem Fanal des Hasses und der Intoleranz wurden.

Mehr als 70 jüdische Bad Laaspher wurden in der NS-Zeit Opfer eines verbrecherischen Regimes, das darüber hinaus auch so genannte Zigeuner, Homosexuelle und Behinderte entrechtete, verfolgte, aus dem Land trieb oder ermordete.

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In einem bewegenden, mit Fotos begleiteten Vortrag ließ der Vorsitzende des Freundeskreises die Geschehnisse dieser Pogromnacht 1938 in Laasphe noch einmal sichtbar werden. In Bad Laasphe hatte der Schrecken nach einer Gedenkfeier der NSDAP zum Jahrestag des Hitler-Ludendorff-Putsches schon um 23.30 Uhr auf dem Wilhelmsplatz begonnen. Neben den Versammlungsteilnehmern wurden weitere Parteigänger hinzugerufen.

„In einer Führerbesprechung wurden die ,Einzelheiten der in der Nacht durchzuführenden Judenaktion’ besprochen“, berichtet Rainer Becker. „In Laasphe wurde also schon in eigener Regie gehandelt, während allgemein die Angehörigen der NSDAP mit SA, SS und weiteren Untergliederungen zwischen Mitternacht und 7 Uhr morgens am 10. November mobilisiert wurden.“

300 NS-Täter verwüsten jüdisches Eigentum

Rund 300 Angehörige von SA und SS gingen anschließend sehr planvoll vor, zerstörten die Häuser und Geschäfte von jüdischen Laasphern. Allein 50 von ihnen griffen die Synagoge an der Mauerstraße an. Sehr detailreich schildert Becker die Schreckensnacht.

Der CVJM-Chor Tonspuren begleitet die Gedenkveranstaltung zum Pogromgedenken in Bad Laasphe. Im Vordergrund stehen Teelichter, die für jedes einzelne Opfer der NS-Diktatur in Bad Laasphe stehen.
Der CVJM-Chor Tonspuren begleitet die Gedenkveranstaltung zum Pogromgedenken in Bad Laasphe. Im Vordergrund stehen Teelichter, die für jedes einzelne Opfer der NS-Diktatur in Bad Laasphe stehen. © WP | Lars-Peter Dickel

Was aber umso erschreckender wirkt, ist, was Becker über die Nachkriegszeit und die juristischen Folgen der Bad Laaspher „Glasnacht“ zu berichtet hat: Im Juli 1945 hatte es offenbar auf Initiative der Militärbehörden erste Ermittlungen zur Laaspher „Glasnacht“ gegeben, die jedoch nicht fortgeführt wurden. Die Akten verschwanden, hat der Historiker Dr. Ulrich Opfermann herausgefunden. Als einer der wenigen musste später das frühere Mitglied der NSDAP, Arnold Reuter, auf der Anklagebank Platz nehmen. Nach den Vorermittlungen wurde gegen 15 Personen Anklage erhoben, die bei drei Angeschuldigten wieder fallengelassen wurde. Reuter erhielt als Haupttäter sechs Monate Freiheitsstrafe, seine Mittäter drei Monate. Doch ein Straffreiheitsgesetz aus dem Dezember 1949 sorgte dafür, dass alle Strafen unter sechs Monaten erlassen und alle bis zu einem Jahr zur Bewährung ausgesetzt wurden.

Bürgermeister wird deutlich

Bad Laasphes Bürgermeister Dirk Terlinden zog bei allem Erinnern auch Parallelen zu aktuellen Situation: „Niemand hätte sich noch vor einem Jahr, als wir uns hier trafen, vorstellen können, dass aus der abstrakten Sorge um den Fortbestand von Frieden in Europa heute die konkrete Gewissheit geworden ist: Seit dem 24. Februar dieses Jahres ist wieder Krieg mitten in Europa und ein Ende ist nicht absehbar. Parallelen zu den Ereignissen von 1938 sind durch den Einmarsch Russlands in die Ukraine allgegenwärtig. Das Programmheft für heute appelliert, dass Völkermord nie wieder geschehen soll! Leider bedarf es solcher Appelle“, so Terlinden.

Aber der Bürgermeister erinnerte auch daran, dass sich der Freundeskreis christlich-jüdische Zusammenarbeit seit gut 30 Jahren für Aussöhnung und Völkerverständigung einsetzt. Sichtbares Zeichen sei das Projekt „in der ehemaligen Synagoge eine Gedenk- und Begegnungsstätte einzurichten“. Für Bad Laasphe machte Terlinden außerdem klar: „Es ist kein Platz für Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit in unserer Stadt.“