Wittgenstein. Mehr als 4000 Lehrerstellen in NRW waren im Juli unbesetzt. So wirkt sich der Lehrermangel auf den Unterricht in Wittgenstein aus.

Die Ferien neigen sich dem Ende entgegen. Bereits in der kommenden Woche beginnt der Schulalltag wieder. Doch: Gibt es überhaupt genug Lehrkräfte für das neue Schuljahr? Erst im Juli wurde öffentlich bekannt, dass die Lücke zwischen bereitstehenden Lehrerstellen und der tatsächlichen Besetzung in Nordrhein-Westfalen größer geworden ist – und das trotz gewachsener Ausgaben für die Schulen und zusätzlicher Lehrerjobs. Demnach ist die Zahl der Lehrerstellen zwar seit 2017 auf rund 160.120 gewachsen, davon aber waren am 1. Juni dieses Jahres rund 4369 nicht besetzt. Das geht aus Zahlen hervor, die das nordrhein-westfälische Schulministerium auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur zur Verfügung gestellt hat. Doch: Wie ist die Situation im Altkreis Wittgenstein?

Die Stellenausschreibungen

Die Daten, die die Bezirksregierung Arnsberg der Redaktion auf Nachfrage zur Verfügung stellt, zeigen, dass es im Mai dieses Jahres an den öffentlichen Schulen im Altkreis insgesamt sechs Stellenausschreibungen gegeben hat – zwei von ihnen von der Realschule Erndtebrück und je eine weitere vom Johannes-Althusius-Gymnasium in Bad Berleburg und dem Berufskolleg in Bad Berleburg. Die übrigen zwei Stellen wurden von zwei Grundschulen im Altkreis ausgeschrieben. Hierzu noch ein Hinweis: „Zu Anfang des neuen Schuljahres 2022/2023 kann sich die Situation in der Unterrichtsversorgung anders darstellen, als in der Tabelle mit den Daten von Mai“, so Christoph Söbbeler, Pressesprecher der Bezirksregierung Arnsberg. Ein Grund hierfür seien laufende Einstellungen.

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Was die die Gesamtquote betrifft – also die Personalausstattung in Prozent gemessen an der Summe an Stellenbedarf und den sonstigen Stellen – so kommen die öffentlichen Schulen im Altkreis Wittgenstein auf 102,90 Prozent. Doch das heißt nicht, dass alle Stellen besetzt sind. Besonders Grundschulen zeigen hier eine Unterbesetzung – bis auf eine Grundschule im Bad Berleburger Raum zeigten im Mai alle einen Wert unter der 100-Prozent-Marke.

Gleich mehrere Hürden

Und was sagen die Schulleiter zum Sachverhalt? Wir haben mit einigen gesprochen – unter anderem mit Clemens Binder vom JAG in Bad Berleburg. „Wir haben eine Stelle in Physik nicht besetzt. Diese haben wir bereits mehrfach ausschreiben dürfen, jedoch bislang keine geeignete Kandidatin oder Kandidaten finden können. Dadurch spannt das Laken, passt aber noch.“ Auswirkungen auf den Unterricht habe dies noch nicht. „Das Problem sind aus meiner Sicht die Pflichtstunden, z.B. am Gymnasium mit 25,5 Stunden Unterricht pro Woche. Dies liegt an der Obergrenze der Belastbarkeit der Einzelnen und stellt eine hundertprozentige Auslastung der Lehrerkapazität dar. Wenn dann Krisen zu bewältigen sind – wie Corona oder der Ukrainekrieg – geht es in die Überlast, was krank macht und zu hohen Krankheitsständen führt, die wiederum im ausgelasteten System aufgefangen werden müssen. Es könnte also sein, dass eigentlich noch mehr Lehrerstellen fehlen.“

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Und noch ein Problem wird deutlich: „Laut Schüler-Lehrerrelation sind wir zahlenmäßig gut aufgestellt, was aber nichts über die Fächerverteilung der jeweiligen Kollegen aussagt“, schreibt uns Corie Hahn, Schulleiterin des Städtischen Gymnasiums Bad Laasphe. Und auch die Elternzeit spielt eine Rolle – so an der Realschule in Bad Berleburg. „Wir sind gut besetzt – aufgrund von Elternzeit jedoch nicht komplett“, sagt Georg Kroll, der stellvertretende Schulleiter. „Wir hoffen, dass wir dies im laufenden Schuljahr noch nachbesetzen können.“

„In fast allen Fällen fehlt das zweite Staatsexamen“

Und wie schaut es bei den privaten Schulen im Altkreis aus? „Natürlich haben auch wir Lehrerbedarf. Es kommen zwar Bewerbungen ins Haus, allerdings fehlt diesen Bewerbern in fast allen Fällen das zweite Staatsexamen. Ohne dieses ist eine Lehrerlaubnis an einer staatlich anerkannten Realschule auf Dauer nicht möglich. Ebenso müssen Bewerber, die zwar ein Lehramt studiert haben, zum Beispiel für das Gymnasium, für die Anstellung an der Realschule eine gesonderte Qualifizierungsmaßnahme bei der Bezirksregierung absolvieren. Hier werden den Privatschulen zusätzlich Steine in den Weg gelegt“, so Melanie Dietrich, Leiterin der Realschule Schloss Wittgenstein in Bad Laasphe.

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„Des weiteren darf an Privatschulen, wie der unseren, nur Personal in den Fächern eingesetzt werden, in denen auch Fakulta vorliegt. Das spricht natürlich für eine hohe Unterrichtsqualität. Fachfremd darf nicht eine einzige Stunde unterrichtet werden. Um den Bedarf aber aufzufangen, haben in den vergangenen Jahren viele Lehrkräfte unserer Schule eine Zusatzqualifizierung in einem Mangelfach bei der Bezirksregierung abgelegt.“