Wittgenstein. Gas-Abschläge erhöhen oder nicht? Experten erklären, für wen das sinnvoll ist und geben Tipps, wie hohe Nachzahlungen vermieden werden können.

Noch ist zwar Sommer – der Winter aber kommt und die Heizkosten explodieren: Die ersten Gasanbieter haben bereits die Abschläge erhöht, weitere werden folgen. Laut einer repräsentativen Umfrage im Auftrag von Verivox hat bisher erst jeder dritte Haushalt (33 Prozent) eine Jahresabrechnung für Gas erhalten. „Gut die Hälfte davon (55 Prozent) musste eine Nachzahlung leisten, bei gut jedem dritten Haushalt (36 Prozent) wurden die Abschläge für die kommende Heizsaison bereits erhöht – durchschnittlich um 52 Prozent“, heißt es dort. Doch was bedeutet das für Mieter und Hauseigentümer in Wittgenstein? Wir haben mit Marc Hofmann, Geschäftsführer der Wohnungsgenossenschaft Wittgenstein und Marco Karsten vom Deutschen Mieterbund Siegerland und Umgebung darüber gesprochen, wie sinnvoll es ist, schon jetzt die Abschläge zu erhöhen.

Keine Frage des Mietvertrages

Grundsätzlich gilt: Ob die Gas-Abschläge separat monatlich an den Gas-Versorger gezahlt werden oder aber in den Nebenkosten der Miete enthalten sind, ist nicht unbedingt eine Frage des Mietvertrags, sondern hänge von der technischen Ausstattung der Wohnung bzw. des Hauses ab, wie Marc Hofmann erklärt. „Wird das Haus durch eine Zentralheizung beheizt, betreibt der Hauseigentümer/Vermieter die Heizung und beschafft auch den entsprechenden Brennstoff. Der Vermieter hat also einen Liefervertrag mit z.B. einem Gasversorger oder kauft regelmäßig Öl/Pellets ein. Die (Nebenkosten-) Abrechnung dieser Kosten erfolgt dann jährlich zwischen Vermieter und Mieter.“

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Anders sieht es aus, wenn die Wohnung bzw. das Haus über einzelne, dezentrale Heizungen beheizt wird. „Hier hat jede Wohnung eine eigene Heizung. In diesen Fällen schließt der Mieter in aller Regel direkt einen Liefervertrag mit z.B. einem Gasversorger ab“, ergänzt Marc Hofmann. Dass die Diskussionen rund um die Gasversorgung und die steigenenden Kosten viele Menschen im Kreis Siegen-Wittgenstein beschäftigt, weiß auch Marco Karsten vom Deutschen Mieterbund Siegerland und Umgebung. „Nachfragen besorgter Mieter bezüglich der gestiegenen Gaspreise und der damit verbundenen Steigerungen bei den Nebenkosten erreichen uns täglich.“

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Viele Gas-Kunden überlegen daher bereits jetzt, die Gas-Abschläge zu erhöhen. „Wenn durch Preissteigerungen oder Mehrverbräuche höhere Heizkosten zu erwarten sind, kann es sinnvoll sein, die Abschläge oder Vorauszahlungen zu erhöhen. Das setzt jedoch voraus, dass noch finanzieller Spielraum da ist, die Abschläge zu erhöhen“, so Hofmann. Sollten Mieter selbst einen Vertrag mit einem Gas-Anbieter haben, könnten sie dies prüfen und dem Gasversorger mitteilen. Und „auch wenn dies derzeit vermieterseitig nicht gefordert werden kann, möchten einige Mieter bereits jetzt die eigenen Vorauszahlungen erhöhen, um eine zukünftige hohe Nachzahlung zu vermeiden oder zumindest zu begrenzen.“

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Laut Karsten ist das kein Problem – können Mieter die eigenen Vorauszahlungen freiwillig erhöhen und dies dem Vermieter mitteilen. „Nach gegenwärtigem Sachstand kann dabei ein Erhöhungsbetrag von ca. 0,80 Euro je Quadratmeter beheizter Wohnfläche und Monat bei einem durchschnittlichen Gebäude sinnvoll sein, wenn bisher noch keine Anpassung erfolgt ist und bei zurückliegenden Abrechnungen weder ein erhebliches Guthaben, noch eine erhebliche Nachzahlung angefallen ist“, erklärt Karsten. Und auch Hofmann stimmt zu: „Wenn Mieter freiwillig ihre Abschläge erhöhen möchten, spricht von unserer Seite in aller Regel nichts dagegen.“

Hohe Nachzahlungen vermeiden

Sollten die Abschläge nicht rechtzeitig erhöht werden, könnte es laut Marco Karsten für Mieter sonst im Zweifel teuer werden. „Da über Heiz- und Betriebskosten jährlich abgerechnet werden muss und als Abrechnungsjahr meist das Kalenderjahr gewählt ist, muss die Abrechnung über das Kalenderjahr 2022 erst bis spätestens 31. Dezember 2023 vorgelegt werden. Eine realistische Anpassung der Vorauszahlungen tritt somit gegebenenfalls erst stark zeitverzögert ein und es drohen erhebliche Nachzahlungen.“

Denn wenn die Preise für Heizenergie weiter steigen werden, wird sich dies in den kommenden Abrechnungen niederschlagen.

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Und für Vermieter rät Karsten: „Da die Preissituation weiterhin äußerst instabil ist, durch die weiteren Entwicklungen im Ukrainekonflikt beeinflusst wird und auch von politischen Entscheidungen abhängt, sollten Mieter die Entwicklung im Auge behalten und, wenn auch keine Anpassung der Vorauszahlungen vorgenommen wird, möglichst einen angemessenen Betrag ansparen, um auf eine Nachzahlung im kommenden Jahr vorbereitet zu sein.“

Tipps: So schonen Sie Ihren Geldbeutel (Quelle: GdW Bundesverband Deutsche Wohnungs- und Immobilienunternehmen)

Der GdW Bundesverband Deutsche Wohnungs- und Immobilienunternehmen, dem auch die Wittgensteiner Wohnungsgenossenschaft angehört, hat eine Liste mit zahlreichen Empfehlungen erstellt, wie man „ganz einfach“ den Geldbeutel in Sachen Heizen und beim Energieverbrauch schonen kann. Dazu gehören unter anderem:
20 bis 22 Grad Celsius Raumlufttemperatur sind in der Heizperiode ausreichend. Um die Umwelt und den eigenen Geldbeutel zu schonen, sollte man die Wohnung auf keinen Fall so stark heizen, dass man darin im T-Shirt sitzen kann.

Heizung vor dem Lüften abdrehen: Drehen Sie Ihre Thermostatventile zu, wenn Sie die Fenster zum Lüften öffnen. Ansonsten „denkt“ Ihre Heizung, dass der Raum kalt ist und stärker beheizt werden muss.

Fenster nichtdauerhaft gekippt lassen: Gekippte Fenster verschwenden Energie, wenn sie lange Zeit gekippt bleiben. Effizienter ist es, die Fenster mehrmals am Tag für einige Minuten zum Stoßlüften ganz zu öffnen.

Im Schlafzimmer vor dem Schlafengehen und nach dem Aufstehen üften – so wird verhindert, dass sich die beim Schlafen freigewordene Feuchte dauerhaft in die Wände und Möbel einspeichert. Heizung nachts und bei Abwesenheit gezielt herunterdrehen: Es sollte jedoch eine Mindesttemperatur von 16 bis 17 °C beibehalten werden, da es sonst leichter zu Feuchteschäden kommen kann.

Heizkörper nicht dauerhaft auf null stellen: Drehen Sie die Heizkörper in regelmäßig benutzten Räumen während der Heizperiode nie ganz ab. Wenn Räume auskühlen, sinken die Wandtemperaturen. Heizkörper sollten frei gehalten werden, so dass sich die Wärme rasch im Raum verteilen kann. Verkleidungen, davorstehende Möbel oder lange Vorhänge sind ungünstig, da diese Wärme schlucken.

Innentüren zwischen unterschiedlich beheizten Räumen geschlossen halten. Kühle Räume sollten nicht mit der Luft aus wärmeren Räumen geheizt werden. Denn sonst gelangt nicht nur Wärme, sondern auch Luftfeuchtigkeit in den kühlen Raum.

Elektrogeräte: Lassen Sie Fernseher und andere Elektrogeräte nach der Nutzung nicht im Standby-Modus, sondern schalten Sie sie ganz aus. Ladegeräte können übrigens auch dann Strom verbrauchen, wenn sie nur in der Steckdose stecken, aber kein Gerät angeschlossen ist. Kühlschränke: Ein energieeffizienter neuer Kühlschrank kann gegenüber einem Altgerät 150 kWh und mehr an Strom im Jahr einsparen. In einem Jahr können so mehr als 50 Euro gespart werden.