Bad Berleburg. Die Schließung der Bad Berleburger Wohngemeinschaft hat für Diskussion gesorgt. Jetzt reden Angehörige und Mitarbeiter Tacheles.
„Das ist eine Schande, dass die Wohngemeinschaft geschlossen werden musste. Das ist Rufmord.“ Ute Becker ist außer sich, als sie von der Schließung der Bad Berleburger Pflege- und Beatmungswohngemeinschaft Philadelphia Home GmbH erfährt und über das, was in den vergangenen Wochen in den Medien zu lesen war. Verschiedene Gerüchte machten seitdem schnell die Runde.
Nun aber melden sich Angehörige von ehemaligen Patienten und Mitarbeiter von Philadelphia Home zu Wort und erzählen aus ihrer Sicht, was es mit der Schließung auf sich hat und wie sie die Zeit in der Pflege- und Beatmungswohngemeinschaft erlebt haben.
Das sagen die Angehörigen
Eine dieser Angehörigen ist Ute Becker. Ihr Mann war eineinhalb Jahre Bewohner der Pflege- und Beatmungswohngemeinschaft am Bad Berleburger Sengelsberg. „Zwei Mal die Woche bin ich dort zu Besuch gewesen. Es war das Beste, was meinem Mann passieren konnte“, sagt sie.
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Es ist der 19. Dezember 2019, als ihr Mann plötzlich umfiel. „Er war zu lange ohne Sauerstoff“, erinnert sie sich. Nach dem Krankenhaus- und Rehaklinikaufenthalt kam er nach Bad Berleburg, wo sich die Familie Becker zwei Wohngemeinschaften anschaute und sich schließlich für das am Sengelsberg entschied. „Wir haben die Entscheidung nie bereut. Immer, wenn ich zu Besuch war, wurde sich liebevoll um meinen Mann gekümmert.“ Nie habe er auch nur eine einzige Druckstelle vom Liegen gehabt, erinnert sich Becker.
„Ich würde diesem Team sofort wieder einen Angehörigen anvertrauen. Was hier geleistet wurde, war außergewöhnlich. Das habe ich bei meinen Besuchen mit eigenen Augen gesehen.“
Bewohnerin kämpft sich zurück ins Leben
Auch Enrico Blomberg ist froh, dass seine Lebensgefährtin am 1. Dezember 2020 in die Wohngemeinschaft einzog. Mittlerweile lebt die Hallenbergerin wieder zuhause und ist froh, dass sie damals den Weg nach Bad Berleburg fand. „Was die Pflegekräfte im Philadelphia Home für meine Freundin getan haben, ist das, was eigentlich schon in der Rehaklink hätte gemacht werden sollen.“ Im Philadelphia Home schließlich habe sie sich zurück ins Leben gekämpft. Rund drei Monate lang lag sie zuvor im Koma. kam bettlägerig in der Wohngemeinschaft an. Dort lernte sie wieder zu Schlucken und zu Laufen.
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„Das sagt doch eigentlich schon alles, oder“, so Blomberg. Die Kritik, nicht jeder Bewohner habe ein eigenes Bad gehabt, verstehe er nicht. „Es ist eine Wohngemeinschaft für Menschen, die intensive Pflege benötigen. Wie sollte meine Freundin damals alleine ins Bad gehen, wenn sie bettlägerig ist? In der Regel findet die Pflege dort am Bett statt. Mal davon abgesehen, dass es in einer normalen WG auch nicht für jedes Zimmer ein separates Bad gibt.“ Die Wohngemeinschaft Philadelphia Home wurde 2019 eröffnet und richtete sich an pflegebedürftige Menschen ab dem Pflegegrad III und/oder Menschen, die eine 24-Stunden-Bereitschaft benötigen.
Das sagen die Mitarbeiter
Doch was war nun der Grund für die Schließung der Bad Berleburger Pflege- und Beatmungswohngemeinschaft Philadelphia Home GmbH?
„Der Grund ist ein akuter Personalmangel“, erklärt Geschäftsführerin Irina Meiners auf Nachfrage unserer Redaktion am Telefon. „Drei Krankmeldungen von Pflegefachkräften waren für uns nicht mehr zu kompensieren. Wir haben viel Geld in Leihpersonal investiert, doch auch das ist langfristig keine Option.“
Sie habe selbst den Kreis Siegen-Wittgenstein kontaktiert und dort die Situation geschildert – mit dem Fazit: Die Wohngemeinschaft wird geschlossen. Die drei Bewohner von Philadelphia Home seien in anderen Einrichtungen unterzubringen. Die Kritik in den vergangenen Wochen habe das Team schwer getroffen. „Das war an den Haaren herbeigezogen und war für uns alle sehr unangenehm“, schildert Meiners ihre Reaktion. „Wir selbst haben bis zum Schluss gehofft, dem Personalmangel Herr werden zu können. Die Bewohner standen bei uns immer an erster Stelle. Jeder hier im Team hat sich viel Mühe gegeben.“
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Seit der Schließung ist es leer in der ehemaligen Pflege- und Beatmungswohngemeinschaft am Sengelsberg. Auch die Internetseite der Wohngemeinschaft wird in Kürze vom Netz genommen. Denn: Einen Wiedereinstieg von Philadelphia Home in Bad Berleburg wird es nicht mehr geben. Allerdings verriet Lilia Detje-John, Vermieterin der Immobilie auf Nachfrage, dass schon an einer Nachfolge-Lösung am gleichen Standort gearbeitet werde: „Es wird erneut eine Pflege- und Beatmungswohngemeinschaft geben – aber nicht mehr mit Philadelphia Home.“ Die ersten Bewerber dafür gebe es bereits, so Detje-John „Wir hoffen, dass künftig noch mehr Pflegefachkräfte ausgebildet werden. Der Pflegefachkraftmangel trifft jeden in der Pflegebranche hart.“