Wittgenstein/Westerwald. Im Juni musste der Wisent erlöst werden. Er war in einem jämmerlichen Zustand – verursacht von einem Menschen. Der Staatsanwalt ermittelt.

Der Wisentbulle aus der Wittgensteiner Herde, der am 21. Juni im Westerwald erschossen werden musste, war in einem schlimmen und wahrscheinlich vom Menschen verursachten Zustand – das hat der Obduktionsbericht des Landesuntersuchungsamts in Rheinland-Pfalz ergeben. Auch die Ursache für den Zustand des Wisents konnte eingegrenzt werden: Dem Tier muss mehrere Monate, bevor es aufgefunden wurde, eine Schussverletzung zugefügt worden sein. Die war das Todesurteil für den Wisent.

Abgemagert auf 297 Kilogramm wurde der Wisent am 21. Juni in einem Waldgebiet bei Selters aufgefunden. Zum Vergleich: Ein ausgewachsener Wisent-Bulle kann im gesunden Zustand um die 600 Kilogramm oder noch mehr wiegen. Das Tier war „festliegend“ gefunden worden – es konnte nicht mehr aufstehen.

Durch Kopfschuss erlöst

Von Maden und Fäulnis befallen und mit vereiterter Wunde am Sprunggelenk im linken Vorderbein konnte das Tier nur noch durch einen Kopfschuss erlöst werden. Die Wunde am Bein wurde durch einen Schuss verursacht – davon sei laut Landesuntersuchungsamt auszugehen. Grundlage für diese Schlussfolgerung sind unter anderem „zahlreiche feine röntgendichte Partikel“, die in der Verdickung um die Wunde gefunden wurden. Bei röntgendichten Partikeln kann es sich um Steine, aber eben auch um Munition wie Schrot handeln.

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Aufgrund dieser Ergebnisse ermittelt jetzt auch die Staatsanwaltschaft, denn der Wisent unterliegt

europaweit dem Schutz der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie und wird als prioritäre Art geführt. Laut deutschem Naturschutzrecht gilt der Wisent als streng geschützte Art, darf also weder gejagt, noch gefangen, verletzt oder getötet werden.

Strafrechtliche Prüfung des Falls

„Da es sich bei dem Wisent um eine nach dem Naturschutzrecht streng geschützte Art handelt, die auch nach dem Jagdrecht eine ganzjährige Schonzeit genießt, leitet das Umweltministerium Rheinland-Pfalz den vorliegenden Untersuchungsbericht an die Staatsanwaltschaft Koblenz zur Prüfung möglicher strafrechtlich

Wisent-Streit

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    relevanter Fragestellungen weiter“, heißt es dazu auch in der Pressemitteilung des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität des Landes Rheinland-Pfalz. Für die weiteren Ermittlungen wurde das betreffende linke Sprunggelenk aufbewahrt.

    Verletzung war Anfang vom Ende

    Die Schussverletzung war laut Obduktionsbericht wohl auch der Anfang vom Ende des Tieres. Denn die „hochgradige Abmagerung und die hochgradige Muskelatrophie“ (Muskelschwund), so heißt es, sind vermutlich auf eine unzureichende Nahrungsaufnahme in Verbindung mit der eingeschränkten Mobilität – hervorgerufen durch die Verletzung am Vorderbein – zurückzuführen. Ein wenig Nahrung hatte der Wisent zum Zeitpunkt seines Todes im Magen – der Pansen war „mäßig mit fein zerkleinertem Grünfutter gefüllt“. Auch im Darm war nicht viel zu finden.

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    Dafür konnten im Magen zahlreiche Magen-Darm-Strongyliden (weit verbreitete Parasiten, die eine Gastroenteritis mit Symptomen wie Durchfall und Appetitlosigkeit auslösen können) gefunden werden. In der Schusswunde am Bein entwickelte sich schließlich eine bakterielle Infektion, auf die ein „hochgradiger Kallus“ (also verdicktes und verknöchertes Narbengewebe) folgte, der chronisch eiterte. Der hochgradige Muskelschwund zeigte sich hingegen vor allem am Becken und den Hintergliedmaßen. Außerdem fand sich „Haut in Ablösung“, die Organe waren von „pastenartiger Konsistenz“.

    Wisent galt in Rheinland-Pfalz als „Problembulle“

    Kurz: Das Tier litt seit mehreren Monaten wegen des schwer verletzten, angeschossenen Vorderbeins an stark eingeschränkter Mobilität und fand deshalb nicht mehr genug Nahrung, verlor etwa die Hälfte seines Gewichts und wurde von Maden befallen. Dadurch, dass der Wisent nicht mehr aufstehen konnte, hatte sich zudem noch ein Unterhautödem gebildet. Den erlösenden Schuss, so ist es dem Obduktionsbericht deutlich zu entnehmen, bekam das Tier kurz und schmerzlos in den Kopf.

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    In Rheinland-Pfalz galt der Wittgensteiner Wisent zuletzt als „Problembulle“, soll für Schälschaden und umgestoßene Hochsitze sowie einen schweren Verkehrsunfall bei Montabaur verantwortlich gewesen sein. Der örtliche Kreisjagdmeister hatte zuletzt vorgeschlagen, das Tier in einen Wildpark zu bringen. Es gelang aber nicht, ihn einzufangen.