Erndtebrück. Ein verschlafenes Dörfchen war Erndtebrück 1880, bevor die Eisenbahn kam. Leicht war das Leben nicht. Aber dann kam Schwung in die Gemeinde.
Erndtebrück ist ein historisches Eisenbahnerdorf – aber wie war es eigentlich, bevor die Bahn in die kleine Gemeinde kam? Ein Bericht aus dem Jahr 1939, bestehend aus Erinnerungen an alte Zeiten, im damaligen Wittgensteiner Kreisblatt gibt einen Einblick in das idyllische, aber auch harte Leben im Erndtebrück des Jahres 1880:
„Wie fast alle Wittgensteiner Dörfer, so schlief auch Erndtebrück seinen Dornröschenschlaf bis zu Anfang der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts. Von industrieller Betätigung, Eisenbahnverkehr, von Erndtebrück als Luftkurort und Wintersportplatz, davon ließ man sich bis dahin nichts träumen. Die wenigen Reisenden, die der Postwagen brachte – es waren in der Regel Inhaber oder Vertreter auswärtiger Fabriken oder kaufmännischer Firmen – trugen auch kaum dazu bei, das Bild der Weltabgeschiedenheit und walddörflicher Ruhe zu verändern.
Zehn Pfennig pro Kilometer mit der Postkutsche
„Hatte man selber etwa in Laasphe, Berleburg, Hilchenbach oder sonst auswärts Angelegenheiten zu besorgen, so ersparte man meistens die Gebühren für die Postfahrt, je Kilometer zehn Pfennig, und legte den Weg zu Fuß zurück. Auch der junge Lehrer, aus Laasphe gebürtig, der anfangs April 1883 seine erste Lehrerstelle in Erndtebrück antrat, setzte die Postverwaltung sehr selten in Nahrung und konnte die 1,90 Mark, die er für die einfache Fahrt hätte zahlen müssen, wenn er fast allsamstäglich seine Angehörigen in seinem Heimatorte besuchte, für andere Zwecke verwenden.
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„Am nächsten Montagmorgen hieß es allerdings für ihn mit den Hühnern aus den Federn, um über Saßmannshausen, Holzhausen, Leimstruth und durch die Breitenbach oder durch das Buchholz über Feudingen wieder in seinem Wirkungsort einzutreffen, da damals dort während des Sommerhalbjahres der Unterricht um 7 Uhr morgens begann.
„Nebenbei sei bemerkt, dass sein Berufsgenosse in Birkefehl in den Sommermonaten sein Unterrichtswerk noch eine Stunde früher anfing, damit die Eltern durch ihre größeren Kinder bei Arbeiten aller Art ausgiebiger unterstützt werden konnten.
Vor der Schule noch Erledigungen auf Feld und Weide
„Trafen die älteren Mädchen und Jungen trotz der frühen Stunde rechtzeitig zum Unterricht ein, so hatte manches dieser Kinder doch schon vorher Besorgungen in Haus, Feld, Wiese und Weide verrichten müssen. Die beiden Klassenzimmer in dem Schulhaus an der Bergstraße waren für die damals schon beträchtliche Schülerzahl kaum ausreichend.
„In dem Raum für die jüngeren Kinder konnte nicht einmal, außer den Schulbänken und dem Ofen (in dem noch einige Jahre Torf gebrannt wurde, den man in der Nähe des Dorfes grub), ein Lehrerpult Platz finden. Von Lehrmitteln war nur wenig mehr als nichts vorhanden. Schulwanderungen, Ausflüge oder Schulfeste fanden nicht statt.
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Der Bau der Bahn von Hilchenbach nach Bad Laasphe brachte ungewohntes regeres Leben nach Erndtebrück. Schon während der Absteckung der Strecke kam eine Anzahl von Vermessungsbeamten der Eisenbahndirektion Elberfeld nach Erndtebrück, mehrere mit Familie, die hier Wohnung nahmen.
„Und da inzwischen die Leisten- und Fassdaubenfabrik Berger und Rommel entstanden war, so machte sich, hauptsächlich bei den Zugezogenen, bald der Wunsch nach Gründung einer Vereinigung zur Pflege geselligen Lebens geltend, die unter dem Namen ,Irmgardia’ zustande kam.“