Wittgenstein. Krieg und Inflation heizen zwei große Probleme für die Menschen an, die auf die Tafeln angewiesen sind. Es fehlt an allem, berichtet Anette Trapp.
Abnehmende Spendenbereitschaft der Supermärkte und steigender Nachfrage durch ukrainische Familien, die versorgt werden müssen: Die Lage der regionalen Tafeln verschärft sich weiter. In Wittgenstein gibt es immer mehr bedürftige Menschen – aber aufgrund der aktuellen Weltlage werden weniger Lebensmittel gespendet. „Wir sind mittlerweile in einer wirklich prekären Situation“, schildert Anette Trapp (55), Vorstandsmitglied der Bad Berleburg - Erndtebrücker Tafel. Sie engagiert sich seit vielen Jahren ehrenamtlich bei der Berleburger Tafel.
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Aber warum ist die Situation an der Tafel gerade so angespannt?
Anette Trapp: Da spielen einige Faktoren ineinander und viele Dinge müssen berücksichtigt werden. Zum einen ist ein ausschlaggebender Grund der schreckliche Krieg in der Ukraine. Die daraus entstandene hohe Inflation treibt die Bedürftigkeit an. Es sind immer mehr Leute auf das Angebot der lokalen Tafeln angewiesen. Wir beobachten mit großer Sorge, dass seit einigen Wochen die Anzahl der Menschen zunimmt, die einen Antrag auf Bedürftigkeit bei den Kommunen stellen, um das Angebot der Tafel wahrnehmen zu können. Darunter sind auch viele ukrainische Familien. Und auch die hohen Spritpreise sind ein kostspieliger Punkt und machen uns zu schaffen. Wir fahren beispielsweise bis nach Biedenkopf und holen dort im Hinterland Spenden ab. Zum anderen gehen die Lebensmittelspenden der lokalen Supermärkte seit Kriegsausbruch zurück. Die Spendenbereitschaft ist eingebrochen. Die Märkte können selbst nicht mehr in dem Umfang beliefert werden wie vorher und durch die hohen Spritkosten wird auch nicht mehr so viel vor Ort gelagert.
Wie viele Personen betreuen die Tafeln aktuell?
Aktuell versorgen wir in Bad Berleburg 167 Personen über 14 Jahren und 84 unter 14 Jahren mit Lebensmitteln. Was uns aber beunruhigt und Probleme macht, sind die 98 Erwachsenen und 22 Kinder unter 14 Jahren, die aktuell auf unserer Warteliste stehen. Diese Warteliste wird immer größer und länger. Aber wir können die hohe Nachfrage einfach nicht mehr bedienen. Denn die Lebensmittel wie auch unsere Kapazitäten sind knapp und reichen dafür nicht aus. Und bei der Erndtebrücker Tafel sieht es nicht anders aus. Da sind es 106 Bürgerinnen und Bürger, die die Tafel regelmäßig besuchen und auch dort können im Moment keine weiteren Personen aufgenommen werden. Wir können nicht mehr ausgeben als wir zum Spenden einsammeln. Wir versuchen zwar weiterhin Leute, die auf die Spende angewiesen sind, aufzunehmen, stoßen dabei aber auch räumlich immer mehr an unsere Grenzen. Und selbst wenn wir mehr Leute aufnehmen würden, haben wir nicht genug Mitarbeitende, um die Besucher alle zu bedienen. Wir bräuchten mehr helfende Hände, um die momentane Nachfrage zu stemmen. Wir sind immer auf der Suche nach Freiwilligen, denn unsere Damen werden auch älter. Aber Tafel ist ein Knochenjob.
Was ist denn aktuell das größte Problem für die lokalen Tafeln?
Unsere größte Sorge momentan sind die vielen Leute, die noch auf den Wartelisten stehen. Da sind fast 100 Leute auf der Liste, die wir einfach im Moment nicht bedienen können. Die Mehrzahl der Menschen auf den Listen sind mittlerweile ukrainische Flüchtlinge. Seitdem sie nach ihrer Flucht hier angekommen sind, kommen immer mehr Familien aus der Ukraine. Aber auch immer mehr Rentner, Familien mit mehreren Kindern und Alleinerziehende finden sich auf der Warteliste. Die merken die gestiegenen Lebenskosten ja auch mit am meisten. Sie können sich wegen der Preissteigerung in allen Bereichen ihr Leben kaum noch leisten und wären auf die Lebensmittel angewiesen. Ich kann mir auch vorstellen, dass aufgrund der Inflation die Liste zukünftig noch länger wird. Daran können wir aber vorerst auch nichts ändern, denn unsere Kapazitäten sind erschöpft. Das Lager ist leer und die Restposten wurden bereits in Tüten gepackt und den Menschen mitgegeben. Wir würden gerne mehr für die Menschen tun, aber wir kommen momentan aufgrund der hohen Nachfragen und der gleichzeitig sinkenden Spendenbereitschaft einfach an unsere Grenzen.
Wie kann man den Tafeln helfen?
Aktuell mangelt es uns am meisten an Lebensmitteln und Helfern. Die wichtigste Aufgabe wird sein, dass wir schauen müssen, wo und wie wir ausreichend viele Lebensmittel für die große Zahl an Bedürftigen in Zukunft für die Tafeln beschaffen. Wenn jemand sagt, er würde gerne selber etwas tun oder ein wenig Geld übrig hat, um damit Lebensmittel zu spenden, wäre den Tafeln im Moment am aller meisten geholfen, selbst wenn es „nur“ zehn Dosen Gemüse sind. Denn unsere Tafeln benötigen dringend Spenden.
Was schätzen Sie an ihrer freiwilligen Arbeit bei der Tafel und warum ist es Ihnen ein Anliegen sich zu engagieren?
Einerseits habe ich den Eindruck, dass ich durch meine ehrenamtliche Arbeit bei der Tafel den Menschen in Wittgenstein wirklich helfen kann. Auf der anderen Seite ist es ein gutes Gefühl, Lebensmittel, die sonst einfach weggeworfen werden, retten zu können. Zu sehen, dass die Spenden Menschen, die weniger haben dabei helfen sich selbst und die Familie zu versorgen, ist wirklich schön. Denn wenn ich sehe, wie noch brauchbare Lebensmittel weggeschmissen werden, geht mir das gegen den Strich! Und dann muss man sagen: Es ist auch wirklich die nette Gemeinschaft. Wir sind ein super Team und verstehen uns untereinander sehr gut. Gerade für unsere Rentnerinnen, die sich um die Ausgabe kümmern, ist das schön. Da sind auch schon einige Freundschaften entstanden.