Wittgenstein/Bad Berleburg. Aktuelle Zahlen zu Notfällen sind alarmierend. Das Bad Berleburger Krankenhaus hat Tipps, wie man einen Schlaganfall erkennt und richtig handelt.
Viele Menschenleben können gerettet werden oder schwere Folgen für Betroffene verhindert werden. Dafür ist nur eines wichtig: Rechtzeitig die Symptome eines möglichen Schlaganfall zu erkennen und den Notruf 112 zu wählen.
Das ist nicht selbstverständlich und die Corona-Pandemie hat die Situation sogar noch einmal zugespitzt. Das zeigt eine Statistik, der Allgemeinen Ortskrankenkassen. In ganz Westfalen-Lippe sind auch im zweiten Pandemie-Jahr 2021 die Notfallbehandlungen im Krankenhaus wegen eines Schlaganfalls eingebrochen. So wurden in 2021 insgesamt 9429 AOK-Versicherte in Kliniken in Westfalen-Lippe stationär mit einem Schlaganfall aufgenommen. Das sind zwar etwas mehr als im Vorjahr (9.123), aber mit einem Minus von 5,5 Prozent deutlich weniger (9.979) als vor der Pandemie im Jahr 2019. „Die Corona-Pandemie hat zu großen Einbrüchen bei Notfallbehandlungen beispielsweise aufgrund eines Schlaganfalls geführt. Das gibt Anlass zur Sorge“, sagt AOK-Serviceregionsleiter Dirk Schneider.
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Die Redaktion hat diese alarmierenden Zahlen zum Anlass genommen, in der Bad Berleburger Vamed-Akutklinik beim Chefarzt für Innere Medizin und Kardiologie, Dr. Karim Bou-Nassif, nachzufragen.
Können Sie den Trend bestätigen, dass die Zahl der Schlaganfallpatienten leicht rückläufig ist?
Dr. Bou-Nassif: Ja, wir können diese Entwicklung auch für die Vamed-Klinik Bad Berleburg bestätigen.
Was könnten aus ihrer Sicht die Ursachen für den von der AOK beschriebenen Rückgang in Westfalen-Lippe sein?
Einen Grund sehen wir in der Struktur unserer Klinik: Da wir derzeit weder über eine Stroke Unit noch über akutneurologische Betten verfügen, besteht die Möglichkeit, dass Patienten mit Schlaganfällen oder Hirnbluten aus Wittgenstein unmittelbar in eine Klinik mit einer entsprechenden neurologischen Ausstattung gebracht werden. Dabei gilt bei einem Schlaganfall die Devise: Time is brain – also Zeit ist Gehirn. Dieser Spruch ist plakativ, impliziert jedoch wie dringend eine zeitnahe Schlaganfallbehandlung erforderlich ist, wenn man gravierende Spätfolgen vermeiden will. Aus diesem Grund hoffen wir weiterhin, dass die Landesregierung unserem Antrag auf akutneurologische Betten stattgibt.
Gleichzeitig liegt die Vermutung nahe, dass die Pandemie ein Grund dafür ist, dass weniger Schlaganfallpatienten stationär behandelt wurden: Bereits bei der Versorgung von Patienten mit Herz-Kreislauferkrankungen haben wir in den letzten zwei Jahren einen Rückgang bemerkt, da viele von ihnen den Gang in ein Krankenhaus aus Angst vor einer Ansteckung gescheut haben. Ähnlich könnte es sich bei Menschen verhalten, die einen leichteren Schlaganfall erleiden.
Herzinfarkt und Schlaganfall sind akute Notfall-Situationen, bei denen jede Minute zählt. Was müssen betroffene oder vor allem Angehörige dann tun?
In erster Linie ist es wichtig, dass Betroffene oder ihre Angehörigen die Symptome eines Herzinfarktes oder Schlaganfalls erkennen und richtig deuten, dass sie diese ernstnehmen und in jedem Fall den Rettungsdienst alarmieren – lieber einmal zu viel, als einmal zu wenig.
Typische Symptome für einen Schlaganfall sind beispielsweise Lähmungen verschiedener Körperteile oder des Gesichts sowie Störungen der Sprache, des Verstehens oder des Sehens und auch Schwindel oder Bewusstlosigkeit gehören zu den Anzeichen des so genannten Apoplex.
Gibt es Anzeichen Symptome, auf die ich achten sollte um einen Schlaganfall zu erkennen?
Zusätzlich zu den zuvor genannten Anzeichen sollten Betroffene gewarnt sein, wenn ihre Symptome vermeintlich schnell wieder verschwinden – und sie sollten sich nicht in falscher Sicherheit wiegen! Bei diesen vermeintlich kürzeren und leichteren Schlaganfällen, auch TiAs genannt, handelt es sich oft nur um die Vorboten eines bevorstehenden Schlaganfalls. Diese kurzen Attacken sollten also unbedingt ernstgenommen und abgeklärt werden. Auch hier ist die erste Wahl der Notruf unter Tel. 112.
Welche Risikofaktoren spielen für den Schlaganfall eine Rolle? Wie kann ich mein Risiko zu erkranken senken?
Etwa 80 Prozent aller Schlaganfälle entstehen aufgrund eines Gefäßverschlusses im Gehirn. Man spricht hier von einem so genannten ischämischen Schlaganfall. Gefäßverschlüsse oder Engpässe entstehen häufig aufgrund einer Arteriosklerose, also einer Verkalkung innerhalb der Schlagadern. Doch sie werden auch durch bestimmte Herz-Kreislauferkrankungen, wie zum Beispiel Herzrhythmusstörungen, begünstigt. Durch das arrhythmisch schlagende Herz können Blutgerinnsel entstehen, die sich lösen und ins Gehirn gelangen – wo sie im schlimmsten Fall ein Hirngefäß verstopfen und so einen Schlaganfall auslösen. Das bedeutet, dass zur Prävention eines Schlaganfalls in erster Linie dieselben Regeln gelten, wie für viele Gefäßerkrankungen: Vorbeugend hilft ein gesunder Lebenswandel ohne Rauchen, mit wenig bis keinem Alkohol, viel Bewegung, einer leichten, mediterranen Kost sowie einem normalen Körpergewicht.
Zu den Risikofaktoren zählen eine familiäre Veranlagung, ein hohes Körpergewicht, ein zu hoher Cholesterinspiegel sowie ein Diabetes mellitus und auch ein höheres Lebensalter.
Auch der regelmäßige Gang zum Haus- oder Facharzt sollte mit bestimmten Vorerkrankungen oder ab einem Lebensalter über 50 Jahren zum jährlichen Routineprogramm gehören, damit etwaige Symptome früh bemerkt und behandelt werden können.