Wittgenstein. 100-Prozent-Förderung für Anlieger? Die Interessengemeinschaft listet auf, welche Straßenzüge nicht gefördert werden. Die Kriterien im Überblick

Bis zur Landtagswahl am 15. Mai ist es nicht mehr lang. Und neben der Frage, welche Parteien an diesem Tag das Rennen machen, geht es vielen Menschen in Siegen-Wittgenstein vor allem um eins: Wird Paragraf 8 des Kommunalabgabengesetzes endlich gestrichen? Das zumindest wünschen sich zahlreiche Anwohnerinnen und Anwohner schon seit Jahren und fordern eine Abschaffung dieser Gebühren – so auch Bürgerinitiativen und die Interessengemeinschaft Siegen-Wittgenstein für beitragsfreie Straßen, die derzeit mit ihrer Kampagne #Mogelpackung auf den erst kürzlich beschlossenen Antrag der CDU und FDP im NRW-Landtag reagieren.

„Heute ist ein guter Tag für Bürgerinnen und Bürgern, die an Anliegerstraßen in unserem Land wohnen. Sie werden mit sofortiger Wirkung und auch rückwirkend von der Belastung durch Straßenausbaubeiträge befreit“, sagte Anke Fuchs-Dreisbach noch am 24. März dieses Jahres. Der Landtag hatte beschlossen, mit den bereitstehenden Fördermittel die Anliegerbeiträge für den Straßenausbau nicht mehr zu 50, sondern zu 100 Prozent zu bezuschussen. Die Kommunen müssen dafür einen Antrag stellen.

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Doch: Mit ihrem aktuellen Regierungsantrag wollen CDU und FDP zunächst nur die Anlieger von der Zahlungsverpflichtung befreien, indem das Land ihnen diese Kosten auf dem Wege einer Förderung abnimmt. Abgelehnt wurde ein Antrag von SPD und Grünen, die Straßenausbaubeiträge aus dem Kommunalabgabengesetz (KAG) zu streichen und den Kommunen den Beitragsausfall aus Landesmitteln zu ersetzen.

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„Es gibt zwar eine 100-prozentige Entlastung für Anwohner, die unter die Förderrichtlinie fallen. Aber es ergibt sich keine Abschaffung der Straßenbaubeiträge mit dem beschlossenen Antrag der CDU und FDP“, so Diana Borawski, Interessengemeinschaft Siegen-Wittgenstein für beitragsfreie Straßen. Viele Anlieger, deren Straße in den letzten Jahren fertig gestellt worden ist, fallen nicht unter die Förderlinie. „Die Stichtagsregelung ist viel zu eng formuliert“, so Borawski. „Der Antrag ist in meinen Augen eine bewusste Täuschung der Bürgerinnen und Bürger.“

Die Kriterien

Diese Kriterien verhindern derzeit eine Förderung:

Die Baumaßnahme wurde vor dem 1. Januar 2018 beschlossen.

Die Baumaßnahme hat keinen Grundsatzbeschluss mit Datum.

Die Maßnahme wurde vor 2018 im städtischen Haushalt erwähnt.

Die Baumaßnahme ist zwar ab 2020 umgesetzt worden es liegt aber kein Straßen- und Wegekonzept vor. „In Bad Berleburg gibt es bislang kein Straßen- und Wegekonzept, das den Vorgaben des Landes entspricht“, sagt Borawski.

Den Anwohnern liegt für eine Baumaßnahme vor ihrer Haustür bis zum 31. Dezember 2024 keine Abschlussrechnung vor.

Maßnahmen in Wittgenstein

Auch in Erndtebrück ist man verärgert. Im vergangenen Monat haben die Anwohner der Wabrichstraße (Kreisstraße 33) ihren Beitragsbescheid bekommen und sollen nun den vollen Betrag zahlen. „Die Anwohner waren entsetzt, dass der Bescheid zugestellt wurde – wurde doch von der Politik signalisiert: Ab sofort und rückwirkend zahlt niemand mehr für Straßenbaubeiträge“, sagt Borawski. Die Anwohner von Weiherstraße, Oberdorf, Zur Hude und Talstraße hoffen unterdessen auf eine vollständige Streichung des § 8 KAG. Auch ihre Straßen sollen ausgebaut werden.

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Und auch in Bad Laasphe geben die Bürger nicht auf: Die Straßen Am Sasselberg, Unterm Köpfchen, Auf der Schlenke, Auf der Stehde, und Am Köpfchen sind zwar fertig ausgebaut, der Bescheid steht aber noch aus. „Nach heutigem Kenntnisstand fällt die Maßnahme nicht unter die Förderrichtlinie. Ein Antrag wird aber geprüft, da die Stichtagsregelung sehr umfänglich ausgelegt werden kann“, erklärt Borawski. Es bestehe also noch Hoffnung für die Anwohner. So auch in den Straßen Untere Kohr, Langenbach, Erndtebrücker Straße, Auf der Kohr, Im Kalterbach und Zum Hardtchen: Alle Straßen sollen ausgebaut werden. Die Anlieger hoffen auf eine Streichung des § 8 KAG.

Die Kommunen

Und was sagen die Kommunen? Christoph Koch, Dezernent und Fachbereichsleiter Planen, Bauen, Wohnen: „Die Novellierung des Programms wird derzeit bei uns gesichtet und für etwaige Förderanträge ausgewertet.“ Eine grundlegende Reformierung des KAG sei wünschenswert. „Dies sollte dann auch eine eindeutige Regelung der Finanzierung von Land und Kommunen im Sinne des Konnexitätsprinzips beinhalten.“ Der Aufwand für eine Fördermittel-Beantragung nach der Förderrichtlinie sei derweil nicht unerheblich. Koch: „Da nun eine 100-prozentige Förderung im Raum steht, wäre der Aufwand durch Abschaffung der KAG-Regelung sicherlich reduzierbar.“

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Auch im Bad Laaspher Rathaus hofft man, dass eine Mehrbelastung der Kommunen etwa durch reduzierte Schlüsselzuweisungen ausbleibt. Der Aufwand, einen Förderantrag zu stellen, sei aber bislang nicht so hoch. „Der Antrag selbst war bislang im Vergleich zu anderen Förderanträgen nicht so umfangreich, sondern benutzerfreundlich gestaltet. Und die Informationen, die im Antrag abgefragt werden, müssen von der Kommune ohnehin zusammengetragen werden.“