Bad Berleburg/Büren. Die neuesten Entwicklungen im Fall Robert Muradyan. Dem Familienvater und seiner Frau geht es schlecht. Aber es gibt Unterstützung.
„Robert sitzt jetzt in Abschiebehaft in Büren“, berichtet der Bad Berleburger Hotelier Andreas Benkendorf über die neuesten Entwicklungen im Fall des armenischen Familienvaters Robert Muradyan, der in sein Heimatland abgeschoben werden soll. Der 43-jährige war am Donnerstag bei einem Termin im Ausländeramt des Kreises Siegen-Wittgenstein festgenommen worden. Seine Lebensgefährtin Marine Boghean und die jüngere gemeinsame Tochter Arbi (5) wurden dagegen nach Bad Berleburg zurück geschickt.
Lesen Sie auch:
- So lief der Fall Muradi im Februar und März ab
- Jubel in Aue-Wingeshausen: Vorerst keine Abschiebung im Fall Muradi
- Das Trauma der Abschiebehaft wiegt schwer
Arbeitgeber setzt alle hebel in Bewegung
Robert Muradyans Arbeitgeber Benkendorf setzt seit gestern alle Hebel in Bewegung, um ein Bleiberecht für Muradyan, dessen Lebensgefährtin und die gemeinsamen Töchter Arpi und Viktorya (14) zu erreichen. „Es ist unglaublich, was sich da tut. Wir bekommen Unterstützung aus dem ganzen Land“, berichtet Benkendorf. Helfer aus dem Kreis Siegen-Wittgenstein haben jetzt auch eine Petition für ein Bleiberecht der Bad Berleburger Familie formuliert. Es handelt sich um das „Bündnis Recht zu bleiben“, das auch schon bei der aserbaidschanischen Familie Muradi aus Aue-Wingeshausen geholfen hat. Das sind erste Lichtblicke.
Aber Benkendorf berichtet auch von Schattenseiten: „Büren muss der schlimmste Abschiebeknast sein, den es gibt.“ In dem ehemaligen Gefängnis bei Paderborn wird Muradyan bis zu seinem Abschiebetermin am 7. April in Haft bleiben. Der Termin gilt laut Benkendorf auch für dessen Lebensgefährtin und die Kinder. Durch eine Übersetzerin hatte Benkendorf erfahren, wie es seinem Mitarbeiter geht: „Er hat durch die engen Fußfesseln Schmerzen gehabt und hat Angst in den engen Hafträumen.“
Partnerin und Töchter in Angst
Angst haben auch die Töchter und ihre Mutter. „Marine kann mit der Situation schlecht umgehen. Sie hat am Donnerstag einen Zusammenbruch gehabt. Um die Kinder hat sich dann eine Bad Berleburger Familie gekümmert. Sie sind spazieren gegangen und haben Waffeln gebacken. Aber abends, wenn es dunkel wird hat Arpi immer Angst“, berichtet Benkendorf. „Robert tröstet sie dann immer.“
„Im Kreishaus schnappt die Falle zu“
Das Bündnis „Recht zu Bleiben“ veröffentlichte am Freitag eine Stellungnahme zum Fall Muradyan und sieht erhebliche Parallelen zum Fall Muradi und spart nicht mit heftiger Kritik am Vorgehen der Behörden: In der Stellungnahme heißt es: „Wieder kam es zu einer Festnahme in der Kreisausländerbehörde - diesmal mit Anlegen von Fußfesseln, aber nach dem bekannten Schema: ein üblicher Termin zur Verlängerung der Duldung wird genutzt, um die Eheleute unter falschen Angaben zu separieren und Herrn Muradyan festzusetzen. Die Fußfesseln wurden derart fest angelegt, dass es für Herrn Muradyan schmerzhaft war. Eine Lockerung gab es trotz Bitten nicht. Die Parallelen zum Fall von Frau Muradi sind offensichtlich [...] Mit der gestrigen Verhaftung und Verbringung in Abschiebehaft ist deutlich, dass diese Masche System hat: die Termine im Kreishaus sind eine Falle, die zuschnappt, wenn die Menschen arglos ihrer Pflicht nachkommen. Wiederholt stellt sich die Frage, inwiefern die Behörde zu einer Angstbehörde in der Community der Geflüchteten wird. [...] Das Bündnis ist schockiert über die unverhältnismäßige und unmenschliche Härte, welche die Kreisbehörde praktiziert und scheinbar für angemessen und steigerungsfähig hält. [...]
Kindeswohl gefährdet
Herr Muradyan ist aktuell in der Abschiebehaft Büren und soll mit Frau und zwei Kindern am 7. April nach Armenien abgeschoben werden. Armenien ist ein Land, das die Kinder nicht kennen und dessen Sprache sie nicht sprechen. Das Kindeswohl wird hier offensichtlich nicht geprüft und findet keine Beachtung durch die Behörde. In der Stellungnahme des Kreises wird das Kindeswohl nicht erwähnt. Erwähnt wird aber die absurde Lösung, auszureisen nach Armenien und mit einem Arbeitsvisum wieder einzureisen. Das als ernsthaften Vorschlag zu präsentieren, zeigt, wie weit weg vom Alltag die Behörde arbeitet. Frau Boghean ist durch einen Unfall in der Kindheit eingeschränkt und braucht medizinische Hilfe. Die Familie hat ein eigenständiges Einkommen und für die Mutter ist ab der Frühjahrssaison ein Arbeitsplatz in der Küche fest eingeplant. Das Bündnis unterstützt die Forderung nach einer sicheren Zukunft für die Familie in Bad Berleburg. Der Petitionsausschuss NRW wurde eingeschaltet.
Das ist seit gestern nicht mehr möglich. Und auch die drohende Familienabschiebung bereitet Marine Boghean und ihren Kindern Angst. „Sie wissen, dass sie jederzeit abgeholt werden können“, sagt Benkendorf. Auch der Hotelier hat kaum geschlafen. Er kümmert sich um den Rechtsbeistand für die Familie und der Verein „Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren“, hat schon wichtige Tipps gegeben.
Bürgermeister setzt sich ein
Auch Bad Berleburgs Bürgermeister Bernd Fuhrmann setzt sich für ein Bleiberecht ein: „Robert Muradyan und seine Familie sind seit Beginn ihrer Zuweisung nach Bad Berleburg sehr beliebt und im besonderen Maße um Integration bemüht. Die gesamte Familie spricht gut oder sogar sehr gut Deutsch“, schreibt Fuhrmann in einer Stellungnahme. Aber auch das große ehrenamtliche, soziale Engagement von Muradyan würdigt der Bad Berleburger Bürgermeister: „Herr Muradyan ist handwerklich sehr geschickt und war – übrigens ebenso wie Herr Muradi – unter anderem bei der Herrichtung von Wohnungen für weitere Geflüchtete ehrenamtlich im Einsatz. Er hat zudem unter anderem auch bei der Renovierung des interkulturellen Mehrgenerationentreffpunktes in Bad Berleburg mitgewirkt.“
Als einen wesentlichen Punkt nennt Fuhrmann auch, dass der 43-jährige seit 2020 in festen Arbeitsverhältnissen Geld verdient. Das er für den Hotelier Andreas Benkendorf nahezu unverzichtbar geworden sei, bringt Fuhrmann auf eine entscheidende Frage: „Die Frage – nicht zuletzt auch vor diesem Hintergrund – ist, ob es nicht möglich und hilfreich wäre, die angekündigte Änderung der Gesetzeslage durch den Bund abzuwarten, um dadurch der Familie ein selbstbestimmtes Leben in Deutschland zu ermöglichen?“
Bernd Schneider spricht von „erbärmlichen Vorgehen“
Das Kreistagsmitglied von Bündnis90/Die Grünen aus Bad Berleburg, Bend Schneider, kritisiert Landrat Andreas Müller und auch dessen zuständigend Dezernenten: „Herr Landrat Müller, Herr Dezernent Rosenthal, was für ein erbärmliches Vorgehen. Solche Menschen in Ketten legen, ist das wieder deutscher Staat und deutsche Verwaltung? Einfach mal stillhalten und gar nichts tun, wie das moderne und humane Behörden in Deutschland in solch sensiblen Fällen andernorts praktizieren.“