Wittgenstein. Handel: Die Auslistungen von russischen Produkten betreffen vor allem Spirituosen. Doch auch eine Buchhandlung ist auf besondere Weise betroffen.
Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine ist aktuell in aller Munde. Die Angst vor möglichen Öl- und Gas-Engpässen sowie die Boykottierung russischer Import-Produkte durch manche Supermarktketten beschäftigt viele Menschen. Wie sich das auf den lokalen Handel in Supermärkten und auch dem Buchhandel auswirkt, hat die Redaktion recherchiert. Indes scheint sich die Situation bisher nur wenig auf die Regale auszuwirken.
„Wir haben generell nicht viele russische Artikel in den Regalen“, erzählt Alexander Loos, Marktleiter bei „Hit“ in Bad Berleburg. Bereits vor fünf oder sechs Jahren habe man festgestellt, dass russische Produkte in der Region kaum angenommen würden, und daraufhin einen Großteil dieser aus dem Sortiment gestrichen. Die derzeitigen Auslistungen beträfen vor allem Artikel aus dem Spirituosenbereich.
Aktuelle Lieferverzögerungen
Dass russische Produkte aus den Regalen verschwänden, so Loos weiter, liege einerseits an den derzeitigen Lieferverzögerungen, beinhalte andererseits auch indirekt eine Solidaritätserklärung mit den gefährdeten Menschen in der Ukraine. Eindeutig politisch positionieren wolle man sich bei „Hit“ jedoch nicht. Man habe daher auch die Länderflaggen, mit denen viele ausländische Produkte gekennzeichnet seien, bis auf Weiteres von den Verpackungen entfernt. „Wann russische Produkte in die Marktregale zurückkehren“, sagt Loos abschließend, „steht in den Sternen.“ Berleburger Kunden jedenfalls hätten bislang noch nicht auf das Fehlen russischer Artikel reagiert.
Silvia Becker, Angestellte bei der Buchhandlung MankelMuth in Bad Berleburg, kommt zu einem ähnlichen Schluss. „Am Leseverhalten unserer Kunden hat sich eigentlich nichts geändert“, sagt sie, „wohl aber am Kunden selbst“. In Gesprächen merke sie immer wieder, wie sehr die politische Lage die Menschen aufwühle. Auch Lehrer kämen in den Laden – auf der Suche nach Leseempfehlungen, die vor allem den jüngeren Schülern die Situation altersgerecht erklärten und ihnen die Angst nähmen.
„Schon Viertklässler“, berichtet Becker, „haben ein erstaunlich differenziertes Verständnis für das, was gerade passiert. Sie sind in der Lage, zu unterscheiden zwischen einem ‚bösen‘ Volk und einem ‚bösen‘ Machthaber – sie verstehen, dass es so etwas wie ein kollektiv ‚böses‘ Volk gar nicht gibt. Was schlecht ist in der Welt, das kommt fast immer von oben – von denen, die zu viel Macht haben und sie missbrauchen.“ Im Bereich der Kinderliteratur stünden daher zurzeit vermehrt Bücher im Fokus, die sich mit Themen wie Flucht und Vertreibung auseinandersetzen. Kriegsliteratur für Kinder sei dagegen so gut wie überhaupt nicht gefragt.
Blick in Putins Netz
Bei den erwachsenen Lesern sei es besonders Catherine Beltons Sachbuch „Putins Netz – Wie sich der KGB Russland zurückholte und dann den Westen ins Auge fasste“, das stark nachgefragt würde. Obwohl die deutsche Übersetzung erst im Februar erschienen ist, seien auch Nachdrucke inzwischen vergriffen. Wie viele andere ist Silvia Becker entsetzt über den Ukraine-Krieg, sieht das Interesse ihrer Wittgensteiner Kunden am Thema jedoch positiv. Gerade jetzt sei Empathie sehr wichtig, betont die Buchhändlerin; beim Abschied sage man einander nun eher einmal „Passen Sie auf sich auf“.