Sohl. Ohne Telefon könne es schnell um Leben und Tod gehen, sagen die Bewohner. Vom Bürgermeister, um Hilfe gebeten, sind die Sohler jedoch enttäuscht.

Kein Festnetz-Telefon auf dem Sohl bei Fischelbach – in letzter Zeit kommt das wegen der heftigen Stürme immer häufiger vor, wenn Bäume auf die Freileitungen stürzen. Mobilfunk-Empfang gibt’s in dem abgelegenen 35-Seelen-Ort unmittelbar an der Grenze zu Hessen gleich gar nicht – und Internet im Grunde nur per Satellit. Jetzt soll Bad Laasphes Bürgermeister Dirk Terlinden helfen, die Lage zu verbessern – doch bietet er den Bewohnern bislang eher Hilfe zur Selbsthilfe. Gerade für Senioren in der kleinen Siedlung ist das Telefon-Problem eine Katastrophe.

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Der aktuelle Ausfall

Nur mit hessischer Vorwahl erreichbar

Die Bauernschaft Sohl wurde 1711 von drei Bauern gegründet.

Verwaltungsmäßig gehörte der Ort bis Ende 1974 zu Fischelbach, postalisch von 1907 bis 1974 zu Ewersbach. Deshalb muss auch heute noch die Telefonvorwahl 02774 für das hessische Dietzhölztal gewählt werden.

Bereits seit dem 19. Februar seien erneut weite „Teile des Dorfs wieder ohne Telefonverbindung“, so der Sohler Alexander Rothenpieler – „weil die Telekom es nicht schafft, die Telefonverbindung wiederherzustellen oder aufrechtzuerhalten“. Und die letzte längere Störung vom 28. Oktober bis 6. November 2021 liegt noch nicht lange zurück. Von ihr berichtete Rothenpieler bereits – sowohl am 11. November als auch am 17. Februar bei der Einwohner-Fragestunde im Bad Laaspher Rat.

Die betroffenen Bewohner

Von den ständigen Ausfällen stark betroffen: die Familie Heinrich. Die beiden Senioren Gretel und Willi Heinrich (beide 86) bewegen sich mit Rollatoren fort, sind tagsüber oft allein im Haus. Sie nutzen deshalb ein Notruf-System, „das allerdings auf eine funktionierende Telefonleitung angewiesen ist“, erläutert Alexander Rothenpieler. Der Künstler ist ein Nachbar der Heinrichs, setzt sich für das Ehepaar und den gesamten Ort ein.

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„Meine Frau hat einen Gehirntumor“, erzählt Willi Heinrich. „Was soll denn werden, wenn da mal ein Notfall eintritt? Muss man dann nach Fischelbach fahren, um anzurufen?“ Ganz offensichtlich sei so ein Dörfchen wie der Sohl für die Politiker nur ein Zuschussgeschäft, bedauert der 86-Jährige.

Die Leitungen

Über diesen Masten oberhalb vom Sohl laufen die Telefon-Leitungen für die Siedlung, durch den Wald kommend aus Richtung Hessen.
Über diesen Masten oberhalb vom Sohl laufen die Telefon-Leitungen für die Siedlung, durch den Wald kommend aus Richtung Hessen. © Eberhard Demtröder

An den alten Freileitungen für das Telefon vom benachbarten Hessen herüber seien viele Masten morsch, berichtet Ralf Heinrich – und sieht eine gute Chance verpasst: Als vor Jahren eine neue Stromleitung von Fischelbach hinauf zum Sohl unter die Erde gebracht worden sei, hätten man die Telefonleitung im Grunde einfach dazulegen können.

Auf dem Sohl lebten noch „weitere ältere Menschen und viele Familien mit kleinen Kindern“, schildert Rothenpieler dem Bürgermeister die Situation vor Ort in einer E-Mail. Hier könne „jeder Sohler Bürger in eine Notsituation geraten durch Unfall oder Krankheit, in der schnelle Hilfe benötigt wird“.

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Die denkbare Abhilfe

„Abhilfe könnte ein Telekom-Funkmast schaffen“, regt Rothenpieler an, „der dann auch eine Handynetz-Abdeckung und eine halbwegs erträgliche Internet-Versorgung ermöglichte“. Da die Telekom im Moment neue Standorte für Funkmasten suche, „wären Ihnen alle Sohler dankbar, wenn Sie als Bürgermeister auf den Anbieter zugingen und sich für das Aufstellen eines Umsetzers auf dem Sohl stark machten. Alternativ, aber vermutlich teurer wäre es, das Kabel unterirdisch zu verlegen oder mit dem versprochenen Breitband-Ausbau auf dem Sohl zu beginnen“.

Das sagt der Bürgermeister

In einer E-Mail an Willi Heinrich, die der Redaktion vorliegt, räumt Bad Laasphes Bürgermeister Dirk Terlinden ein, dass auch eine Splittersiedlung wie Sohl einen gesetzlichen Versorgungsanspruch für Telefon und schnelles Internet habe, jedoch nicht beim Mobilfunk. Aber Terlinden sieht sich als Vertreter der Stadt nicht zuständig, verweist „bei regelmäßigen Ausfällen der telefonischen Erreichbarkeit“ vielmehr auf die Bundesnetzagentur.

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Die Siedlung Sohl: Mit Strom wird sie inzwischen zuverlässig über Erdkabel versorgt. Damals beim Einpflügen der Stromleitungen hätte man gleich das Telefonkabel dazulegen sollen, finden die Sohler heute.
Die Siedlung Sohl: Mit Strom wird sie inzwischen zuverlässig über Erdkabel versorgt. Damals beim Einpflügen der Stromleitungen hätte man gleich das Telefonkabel dazulegen sollen, finden die Sohler heute. © Eberhard Demtröder

Darüber hinaus erlaubt sich der Bad Laaspher Bürgermeister in seiner E-Mail „den Hinweis, dass der Wohnort Sohl aufgrund seiner geografischen Lage und der auftretenden eingeschränkten telefonischen Erreichbarkeit offenbar für Ihre gesundheitlich eingeschränkten Eltern besondere individuelle Lebensrisiken mit sich bringt, die sich unter anderem aus der von Ihnen geschilderten Notwendigkeit einer jederzeitigen Verfügbarkeit eines Hausnotruf-Systems ergeben.“ Ob dieser Aspekt jedoch „noch von den Versorgungspflichten nach dem Telekommunikationsgesetz erfasst wird, obliegt der weiteren Prüfung und Beurteilung durch die Bundesnetzagentur“.

Das sagt die Netzagentur

Hier hat Alexander Rothenpieler nachgefragt – und das Ergebnis schildert er in einer E-Mail an den Bürgermeister. Laut Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe wie auch der Bundesnetzagentur befinde sich „die Organisation der behördlichen Gefahrenabwehr“ im Zuständigkeitsbereich der Kommune. Und dazu gehöre: „Der Bürger muss zu jeder Tages- und Nachtzeit über die Notrufnummern 110 bzw. 112 Hilfe erreichen können“, hat Rothenpieler erfahren. Hier verweise die Stadt an die Netzagentur und die wieder zurück an die Stadt, bedauert Willi Heinrichs Sohn, Ralf Heinrich.

Unterdessen hegt Senior Willi Heinrich keinerlei Gedanken an einen Umzug. Er möchte mit seiner Frau auf dem Sohl wohnen bleiben – in seinem vertrauten Elternhaus.