Bad Berleburg. Vereinsamung von Menschen aller Altersklassen wird schlimmer. Einige Menschen wollen etwas dagegen tun. Aber dabei gibt es auch Probleme.

Laut Forschern sind zehn bis 20 Prozent der Menschen aller Altersklassen in Deutschland von Einsamkeit betroffen. Einsamkeit ist definitiv kein neues Phänomen, doch die Corona-Pandemie erschwert die Situation: Sie ist Drahtzieher für Einsamkeit und hinterlässt Spuren bei den Menschen.

Gleichzeitig steht sie der Bekämpfung von Einsamkeit auch in Wittgenstein aufgrund diverser Einschränkungen im Wege: Das öffentliche Leben hat sich verändert, viele Veranstaltungen und soziale Treffpunkte fallen weg und auch das private Umfeld hat sich zum Teil gewandelt. Durch das fehlen sozialer Kontakte geraten einige Menschen in eine Spirale der Einsamkeit.

Und genau gegen diese Spirale setzt der Kreisverband Siegen-Wittgenstein des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) ein Zeichen: Im Juli 2021 riefen die Beteiligten den ehrenamtlichen Besuchsdienst ins Leben. Im Raum Siegen, Kreuztal und Netphen sind es bereits 30 Ehrenamtliche, die regelmäßig 28 Menschen, die sich nach sozialen Kontakten sehnen, besuchen.

Menschen sehnen sich nach Kontakt

„Es läuft super. Aber wir sind noch nicht bis Wittgenstein durchgedrungen“, weiß Golnaz Talimi, Projektleiterin des ehrenamtlichen Besuchsdienstes. Das soll sich nun aber ändern, denn auch im Wittgensteiner Land gebe es eine Nachfrage von Menschen, die gerne Besuch empfangen würden. Deswegen bot Talimi eine Informationsveranstaltung in der alten Landratsvilla in Bad Berleburg an, in der der Interkulturelle Mehrgenerationentreffpunkt des DRK Bad Berleburg seinen Sitz hat.

Neben alleinstehenden Senioren sind es auch junge Menschen Mitte der Zwanziger, die das Angebot des DRK im Raum Siegen freudig annehmen. In der jüngeren Altersklasse handelt es sich oftmals um Menschen, die krankheitsbedingt nur wenige soziale Kontakte pflegen können — sich aber sehr nach ihnen sehnen.

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Koordinatorin Golnaz Talimi liegt es sehr am Herzen, dass sich sowohl die Besucher als auch die Besuchten wohlfühlen. Bevor es überhaupt zu einem Besuch kommt, macht sich Talimi erst einmal ein Bild von beiden Parteien. Dann könne sie am besten abwägen, welcher Besucher zu welchem Klienten passt.

So haben sich zum Beispiel eine 71-jährige Besucherin und eine 87-jährige Besuchte gesucht und gefunden: Sie verbringen sehr viel Zeit miteinander, spielen, quatschen und fahren gemeinsam zum Einkaufen oder zu Arztterminen. Genau so harmonisch läuft es auch bei einer 29-jährigen Besucherin und einer 78-jährigen Seniorin ab: Sie treffen sich wöchentlich zum Rommé und auch Plaudern steht bei den beiden hoch im Kurs.

Beide Seiten profitieren

Während die 29-Jährige aufgrund vieler Reisen in verschiedene Länder einiges über diverse Kulturen berichten kann, erzählt die 78-Jährige spannende Geschichten aus alten Zeiten. „So profitieren beide Seiten“, freut sich Golnaz Talimi. Den Besuchern steht es frei, wie viel Zeit sie mit den Klienten verbringen. In der Regel sei es etwa eine Stunde pro Woche.

Der ehrenamtliche Besuchsdienst sei generell sehr frei — und könne sich auf die Bedürfnisse und Wünsche der Klienten anpassen. Wichtig ist aber, dass die Besucher keinen Pflegedienst ersetzen. Die Besuche seien dennoch nicht immer eine leichte Aufgabe. Die Schicksalsschläge mancher Menschen können belastend sein. Deswegen bieten die Mitwirkenden des Besuchsdienst freiwillige Workshops und Schulungen an, in denen zum Beispiel über Demenz oder Depressionen gesprochen wird.

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In Siegen gibt es außerdem einen monatlichen Stammtisch für Besucher, in denen reger Austausch stattfindet. Bald soll es auch einen Mediator für die Besucher geben, der wertvolle Tipps liefern kann und mit dem gemeinsam Erfahrungen reflektiert und aufgearbeitet werden können. Für Wittgensteiner, die sich mehr soziale Kontakte wünschen, könnte es schon bald mit dem Besuchsdienst losgehen. Zwar waren es nur zwei Frauen, die an der Informationsveranstaltung teilgenommen haben.

Aber Golnaz Talimi ist sich sicher, dass noch einige Personen nachrücken werden. „Ich weiß, wie wertvoll das ist“, sagt eine 64-jährige Bad Berleburgerin, die in den ehrenamtlichen Besuch einsteigen will. Sie selbst betreue regelmäßig ihre 96-jährige Mutter, die auf den Rollstuhl angewiesen ist. Es sei wichtig sich Zeit für Menschen zu nehmen, die alleine sind.

Und auch die andere Bad Berleburger Interessentin (62) möchte für weniger Einsamkeit in Wittgenstein sorgen. Sie ist in der mobilen Altenpflege tätig und weiß aus Erfahrung, wie viele Menschen sich einsam fühlen und sich über Besuch freuen würden. „Das hat mich motiviert, etwas zu machen“, so die 62-Jährige.