Wittgenstein. Hausbesitzer und Geschäftsleute machen sich Sorgen. Banken und Sparkassen treffen Vorkehrungen. Und es gibt einen Vorteil gegenüber Großstädten.
Immer wieder werden Geldautomaten gesprengt, um an das Bargeld im Innern zu kommen. Die brutalen Täter schrecken dabei auch nicht vor Personenschäden zurück. Das zeigen die jüngsten Beispiele. Nachbarn von Bankfilialen oder gar Menschen, die in Wohnungen über den Selbstbedienungsterminal leben, machen sich Sorgen.
Sorgen von Nachbarn
So zum Beispiel in der Graf-Casimir-Straße. Silvia Dickel grenzt mit ihrem Bioladen „Naturale“ direkt an die SB-Stelle der Deutschen Bank. „Früher war das kein Thema. Aber tatsächlich, seit die letzten Anschläge auf Automaten passiert sind, habe ich schon darüber nachgedacht. Das ist nicht ohne“, sagt die Ladeninhaberin. „Gut, es passiert meistens nachts, und vielleicht geht dann bei uns im Laden etwas kaputt, aber im Haus wohnen ja auch Menschen“, spricht Silvia Dickel die größte Gefahr aus.
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Der Besitzer der Immobilie mit Bioladen, Bankfiliale und Mietwohnungen ist Jörg Birkenhauer. „Als ich von den Automatensprengungen gelesene habe, dachte auch: Junge, Junge, da geht viel kaputt. Aber tatsächlich bin ich doch entspannt. Wir sind so nah an der Polizei, dass die zu Fuß rüber laufen könnten und die Täter sofort festnehmen könnten.“ Wichtig ist auch Birkenhauer vor allem eines: „Steine kann man wieder aufstapeln und Blech gerade biegen, nur den Menschen darf nichts passieren. Aber die Täter scheinen darauf ja keine Rücksicht zu nehmen.“
Gefährdungslage im Blick
Die Gefährdungslage in Wittgenstein ist aber auch eine andere als in größeren Städten und in Autobahnnähe. Ein Rückblick: Eine Automatensprengung hat es hier noch nie gegeben. Der letzte Bankraub liegt sogar über 20 Jahre zurück. Der letzte Banküberfall war 2001: Damals war die Niederlassung der Sparkasse Wittgenstein in Wingeshausen von bewaffneten Männern überfallen worden. Die Serientäter hatten auch in Oberschledorn, Cobbenrode, Wenholthausen und Wünnenberg zugeschlagen und insgesamt 720.000 DM erbeutet. Sie waren aber nur wenig später von Zielfahndern der Polizei gestellt worden.
Der Haupttäter erhielt eine Haftstrafe von zehneinhalb Jahren, ein Mittäter musste fünf Jahre ins Gefängnis, ein weiterer setzte sich ins Ausland ab. Seitdem hat es keine direkten Angriffe auf Banken gegeben.
Kundenverhalten verändert Automatenverteilung
In der Zwischenzeit ist aber auch die Zahl der kleinen Niederlassungen überall auf dem Land geschrumpft. Internetbanking und bargeldloser Zahlungsverkehr sind auf dem Vormarsch. Vor genau einem Jahr verkündete die Sparkasse Wittgenstein eine veränderte Geschäftsstellenstruktur: Reine SB-Stellen mit Automaten sind nicht mehr gefragt. Corona hat diesen Trend verstärkt. „Die Bargeldtransaktionen sind in 2020 um 20 Prozent zurückgegangen. Wir rechnen damit, dass sich das Zahlungsverhalten der Wittgensteiner Bürger in Folge der Pandemie nachhaltig verändert hat“, erläuterte damals Sparkassenvorstandsmitglied Andreas Droese. Der zurückgehenden Nutzung der SB-Stellen stehen Kosten für Wartung, Datenleitungen, Mieten und Versicherungen gegenüber. Mit der Schließung und dem Automatenabbau wurde auch die „Angriffsfläche“ für Kriminelle verkleinert.
Heißer Draht zum Landeskriminalamt
Trotzdem sei die Sicherheit aller Standorte immer ein Thema: Sparkassen-Pressesprecher Eberhard Kießler: „Wir führen zur Gefährdungseinschätzung turnusmäßige Überprüfungen unserer Geldautomaten-Standorte mit einem externen Partner durch und wir beobachten laufend die Entwicklung zum Thema Geldautomaten-Sprengungen. Gleichzeitig bewerten wir die Empfehlungen des LKA NRW und die Hinweise unseres Sparkassenverbandes sowie die regionale Entwicklung. Weitere Sicherungsmaßnahmen zum Schutz vor möglichen Personen- und Sachschäden unterliegen der laufenden Prüfung.“ Ins gleiche Horn stößt auch die Volksbank Wittgenstein. Deren Vorstand Kai Wunderlich äußert sich gegenüber dieser Zeitung nicht zu den einzelnen Konzepten, betont aber: „Wir investieren viel Zeit und Geld in Sicherheitskonzepte und bis jetzt hat alles sehr gut funktioniert.“
Sowohl Sparkasse als auch Volksbank wissen außerdem einen „Standortnachteil“ auf ihrer Seite. Die von Politik, Wirtschaft und Bürgern bemängelte schlechte Verkehrsanbindung führt dazu, dass die organisierte Kriminalität – beispielsweise Automatensprenger oder Einbrecher – wegen der schwierigeren Fluchtwege um Wittgenstein einen Bogen macht.