Wittgenstein. Die Verschiebung ist deutlich. Die Bedeutung der Beratung steigt, die des Bargelds sinkt. Daraus zieht die Sparkasse Konsequenzen.

Die Sparkasse Wittgenstein stellt sich strategisch neu auf. Hintergrund ist die Untersuchung einer internen Arbeitsgruppe, die das Nutzungsverhalten der Kunden analysiert hat. Das Ergebnis ist die Schließung der Selbstbedienungsstellen in Wittgenstein und der kleinen Geschäftsstelle in Girkhausen. Die Schließungen folgen Mitte April, haben aber laut Sparkasse einen positiven Effekt.

Beratungsstandorte bleiben

Die beiden Wittgensteiner Sparkassendirektoren Axel Theuer (links) und Andreas Droese erläutern den Strukturwandel, der in der Hauptsache die SB-Stellen betrifft.
Die beiden Wittgensteiner Sparkassendirektoren Axel Theuer (links) und Andreas Droese erläutern den Strukturwandel, der in der Hauptsache die SB-Stellen betrifft. © Sparkasse Wittgenstein | Sparkasse Wittgenstein

In einem Pressegespräch stellten der Sparkassenvorstand Axel Theuer und Andreas Droese sowie der Leiter des Privatkundengeschäfts, Norbert Mitterrutzner, die Ergebnisse der Strukturanalyse vor. Die gute Nachricht für die Kunden: Das Netz aus sieben Niederlassungen und Geschäftsstellen mit Personal und Beratungsangebot in Bad Berleburg, Bad Laasphe, Erndtebrück, Arfeld, Aue, Banfe und Feudingen bleibt erhalten. „Der persönliche Kontakt zu unseren Kunden ist das Herzstück der Sparkasse Wittgenstein. Wir definieren uns über die Nähe zu unseren Kunden und legen großen Wert auf das Vertrauensverhältnis zwischen Berater und Kunde. Deshalb haben wir uns dazu entschlossen, alle Beratungsangebote in unseren Filialen aufrecht zu erhalten“, erläutert Sparkassenvorstand Axel Theuer.

Strukturpolitik

Theuer und Droese bekräftigen, dass die eigenen Verbände oder auch die großen Banken die Geschäftsstellen-Struktur das Filialangebot noch stärker ausdünnen. Folgte man dem Trend, gäbe es in Wittgenstein nur noch drei Geschäftsstellen in Bad Berleburg, Bad Laasphe und Erndtebrück.

Um die Wirtschaftlichkeit des eigenen Handelns zu überprüfen, wurde die Arbeitsgruppe eingesetzt: „Wir wollten aus dem Kundenverhalten ableiten, ob unsere Filialstruktur noch zeitgemäß ist. Es hat uns sehr gefreut, dass wir mit der Arbeitsgruppe entgegen der Aussage einiger Bankenverbände und Nachbarinstitute zu dem Ergebnisgekommen sind, keine Veränderung an der Zusammensetzung unserer mitarbeiterbesetzten Filialen vorzunehmen“, so Axel Theuer weiter.

Analyseergebnisse

https://www.wp.de/archiv-daten/bad-berleburg-kartenzahlungen-id231590101.htmlDie Untersuchung bestätig zweierlei: Geht es um Kredite, Baufinanzierung, Vermögensanlagen oder Versicherungen, ist das Beratungsangebot hoch geschätzt und die Nähe zum persönlichen Berater gefragt. Beim Zahlungsverkehr ist es genau umgekehrt: Hier zeigt sich ein sich stark veränderndes Kundenverhalten. Bargeld büßt seine Bedeutung ein – und mit ihm der Geldautomat. Die Digitalisierung und das Homebanking wachsen. Die Corona-Pandemie hat diesen Trend beschleunigt: „Die Bargeldtransaktionen sind in 2020 um 20 Prozent zurückgegangen. Wir rechnen damit, dass sich das Zahlungsverhalten der Wittgensteiner Bürger in Folge der Pandemie nachhaltig verändert hat“, erläutert Andreas Droese.

https://www.wp.de/archiv-daten/bad-berleburg-sb-filialen-id231590155.htmlGeldautomaten, Überweisungsterminals und Kontoauszugsdrucker kosten Geld. Raum-Miete, Versicherung und Wartung stehen nur dann in einem Verhältnis zum Aufwand, wenn die Gerätschaften auch stark genutzt werden. Ein Geldautomat rechnet sich beispielsweise dann, wenn er für 100.000 bis 120.000 Verfügungen pro Jahr genutzt wird. Der Spitzen-Automat der Sparkasse Wittgenstein bringt es auf 61.000 und der Durchschnitt aller Automaten auf 39.400 im Jahr, heißt es im Pressegespräch.

Geschäftsstelle Girkhausen

https://www.wp.de/archiv-daten/bad-berleburg-banken-filialen-neu-id231590169.htmlAls einzige „bemannte Geschäftsstelle“ wird in diesem Zuge auch die Sparkasse in Girkhausen geschlossen. Wie Norbert Mitterrutzner erläutert, sind auch hier Zahlen entscheidend. Die Geschäftszeiten waren in der Vergangenheit auf drei Vormittage reduziert worden und der Beratungsservice fand seit 2019 in der Hauptstelle Bad Berleburg statt. Girkhausen kam auf 900 Banktransaktionen im Jahr, das sind 18 Pro Woche und damit 6 an einem Öffnungstag – zu wenig, um den Aufwand zu rechtfertigen.

Kundenbindung

Sparkassen im SVWL nach Bilanzsummen

Die höchste Bilanzsumme der 57 Sparkassen im Verband weist Münster mit 11,5 Milliarden Euro auf. Dortmund folgt auf zwei mit gut 11,1 Mrd. Euro. Auf Platz vier liegt Paderborn-Detmold mit gut 8,4 Mrd. Euro. Bochum folgt auf fünf. (8,25 Mrd. Euro).

Vergleichsweise groß ist auch die Sparkasse Siegen (knapp 4,4 Mrd. Euro/Platz 11). Hagen/Herdecke liegt mit gut 3,5 Mrd. Euro auf Platz zwölf. Im Mittelfeld: Iserlohn (1,87 Mrd./26.); Gevelsberg (1,67 Mrd./29.) und Meschede (1,62 Mrd./ 30.)

Weitere Sparkassen: Hochsauerland (1,475 Mrd./33.); Arnsberg (1,473 Mrd./34.); Hemer (1,374 Mrd./ 36.); Attendorn (1,2 Mrd.(38.); Olpe (1,1 Mrd./40.); Wittgenstein (978 Mio./42.); Schwelm (919 Mio./44.); Ennepetal (816 Mio./46.); Burbach (660 Mio./ 49.).

„Die Reduzierung der Selbstbedienungsstandorte wird ein verändertes Verhalten und andere Wegstrecken mit sich bringen – für die Sparkasse, aber vor allem für unsere Kunden. Dies ist uns bewusst“, stellt Andreas Droese klar. „Wir sind uns aber sicher, dass wir eine Lösung ausgestaltet haben, die sowohl wirtschaftliche Überlegungen berücksichtigt als auch eine gute Versorgungssituation für unsere Kundinnen und Kunden sicherstellt.“

Und Axel Theuer betont, dass man bereits an zusätzlichen Lösungen arbeite: „Unsere Kunden haben in nahezu allen Geschäften die Möglichkeit, bargeldlos zu bezahlen. In Berghausen und Girkhausen befinden wir uns in Gesprächen, um Bargeld-Auszahlungen in den ortsansässigen Geschäften zu ermöglichen.“ Vergleichbares ist in zahlreichen Supermärkten bereits möglich – und auch diese profitierten davon, wenn weniger Bargeld in der Kasse sei.

Wirtschaftliche Aspekte

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Allein mit der Schließung der SB-Stellen sei eine sechsstellige Summe jährlich einzusparen, sagt Droese, ohne konkrete Zahlen zu nennen. Neben Versicherung, Miete, Gebäude-Unterhaltung und Geräte-Wartung fielen auch sehr teure Datenleitungen weg. Das diene auch wirtschaftlich der Situation des Geldinstitutes und dem langfristigen Ziel zum Erhalt einer selbstständigen Sparkasse Wittgenstein, sagt Droese. Und Axel Theuer betont: „Eine Fusion ist für uns kein Thema.“

Automatensprengungen vorbeugen

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Geldautomaten von Banken und Sparkassen – gerade auch in Selbstbedienungsstellen – unterliegen aber auch einem zusätzlichen Risiko, davon berichtet der Pressesprecher der Sparkasse Wittgenstein, Eberhard Kießler. Die Sparkasse Wittgenstein ist bislang von Automatensprengungen verschont geblieben, aber in der SB-Geschäftsstelle Berghausen gab es vor etwas mehr als einem Jahr einen Einbruch. Die Täter versuchten mit Gewalt an den Automaten zu kommen, scheiterten aber. In 2019 habe es 105 Automatensprengungen in NRW gegeben. In den Monaten Januar bis September 2020 sei die Zahl dieser Verbrechen um 40 Prozent auf 146 gestiegen, so Kießler.

In der Nachbarschaft zu Wittgenstein hatte es Automatensprengungen 2019 und 2020 in Schmallenberg gegeben. Im benachbarten Grafschaft blieb es bis 2018 bei vier Versuchen, so dass sich Sparkasse und Volksbank am Ende entschlossen, den Standort zu schließen.