Bad Laasphe. Der Künstler Albrecht Rieger schreibt seinen ersten schwarzen Roman „Die Krähen“. Im Interview erzählt er, warum er das als Zyprian Anderson tut.

„Die Krähen“ – so heißt der erste Roman aus der Feder des Autors Zyprian Anderson, ein schwarzer Roman mit viel Spannung. Hinter dem Pseudonym verbirgt sich der Bad Laaspher Künstler Albrecht Rieger (61).

Herr Anderson oder besser Herr Rieger, wie kommt man als freischaffender Künstler vom Bild zum schwarzen Roman? Was war der entscheidende Impuls? Und warum gerade diese Gattung?

Ich komme umgekehrt vom Schreiben zum Bild. Mein erstes Gedicht habe ich im Alter von 15 Jahren geschrieben. Seither schreibe ich immer wieder Lyrik und gelegentlich Prosa-Stücke. Irgendwann habe ich aus dem Gekrakel, das ich beim Schreiben auf dem Blatt Papier mache, wenn ich nachdenke, ein Bild gefertigt. Und dann ging das los. Meine Bilder gehen fast immer von einem Gedicht oder von ausformulierten Gedanken aus. Jedes Bild steht für einen Gedanken oder ein ganzes Konvolut solcher.

Und worum geht es Ihnen nun mit dem neuen Roman?

Mit dem Roman „Die Krähen“ wollte ich etwas schreiben, was eher im Bereich Unterhaltungsliteratur angesiedelt ist. Ich wollte wissen, ob ich das hinbekomme. Und schon beim ersten Kapitel bemerkte ich, dass mir alles mühelos leichtgefallen ist. Eigentlich gefallen mir nur wenige Kriminalromane und ich habe nicht viele gelesen. Sehr viele sind entweder viel zu harmlos oder maßlos übertrieben. Die immer gleichen Handlungsverläufe dieser Romane und auch Filme langweilen mich. So war klar, dass ich etwas mache, das davon abweicht.

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Buchautor Albrecht Rieger alias Zyprian Anderson: „Der Roman lebt von krassen Szenen krimineller Gewalt, Sex und Drogen, minutiösen Beschreibungen der Gefühle der Hauptperson während ihrer Verbrechen.“
Buchautor Albrecht Rieger alias Zyprian Anderson: „Der Roman lebt von krassen Szenen krimineller Gewalt, Sex und Drogen, minutiösen Beschreibungen der Gefühle der Hauptperson während ihrer Verbrechen.“ © Unbekannt | Eberhard Demtröder

Was ist so anders beim Stil des Roman Noir?

Im Roman Noir ist der Unterschied zwischen Gut und Böse äußerst unscharf. Dort gibt es keine allgemeingültige Wahrheit, kein wackerer Kommissar stellt die heile Welt wieder her. Es gibt keinen strahlenden Helden. Die düstere Stimmung des Roman Noir ist die Stimmung von Menschen, die auf der Schattenseite des Lebens leben und deshalb nicht selten kriminell werden. Das ist viel realistischer als eine mit einem Mordfall aufgepeppte Romantik-Geschichte, an deren Ende sich der Mord nur als ein Versehen des Täters herausstellt. Dort fallen dauernd irgendwelche Leute mit dem Hinterkopf auf einen Stein, weil sie geschubst wurden. Grausam, grausam, vor allem für den Leser.

Ihr Buch heißt „Die Krähen“. Was sind das für schräge Vögel?

Die Krähen sind eine Chiffre für etwas, das im Roman nur angedeutet wird, und das der Leser sich selbst erschließen muss. Krähen werden nur an vier Stellen im Roman beiläufig erwähnt. Am deutlichsten noch in der Schlussszene des Buches, die in Frankreich spielt. Mehr wird nicht verraten.

Ein Mörder, vermutlich politisch motiviert, ein hinterhältiger Charakter, ein verstörender Höllenritt durch einen blutigen Sommer – der Klappentext lässt auf etwa 450 Seiten Dramatik pur vermuten. Machen Sie doch mal unsere Leserinnen und Leser neugierig auf Ihren Roman…

Der Roman lebt von krassen Szenen krimineller Gewalt, Sex und Drogen, minutiösen Beschreibungen der Gefühle der Hauptperson während ihrer Verbrechen. Er lebt von genau recherchierten Aktionen der Hauptperson zur Verschleierung ihrer Identität und von Geldflüssen, von Waffenkäufen im Darknet, von politischen Extremisten und Selbstjustiz. Dabei ist nichts übertrieben oder verharmlost. Solche Dinge könnten sich jeden Tag ereignen und tatsächlich ereignen sie sich. Ich zeige, wie schwierig es ist, in Deutschland seine Spuren zu verwischen, ich zeige einige schräge Milieus, ich zeige die Ruchlosigkeit mancher Krimineller, ihre Verzweiflung und ihr Leid. Das alles ist der Wirklichkeit entnommen und sehr, sehr nah an der Wirklichkeit – allerdings ohne tatsächlich existierende Personen und Vorgänge zu beschreiben. Mein Roman hat dabei eine klare Botschaft. Die soll und wird sich der Leser allerdings selbst erschließen.

Es ist ganz offensichtlich der erste Roman aus Ihrer Feder. Oder haben Sie früher schon einmal Literatur verfasst?

Steckbrief: Albrecht Rieger

Albrecht Rieger (61) alias „Zyprian Anderson“ ist in Gronau bei Hannover geboren und in Mittelhessen aufgewachsen. Nach dem Abitur studierte er Germanistik und Kunstgeschichte mit Abschluss Magister Artium und hängte eine Ausbildung zum Public-Relations-Berater an.Rieger reiste durch Afrika und Indien, machte sieben Jahre Yoga und Meditation, ist seit 1982 Vegetarier. Er arbeitete als Referent und Pressesprecher bei der Messe Frankfurt GmbH, ist seit 2001 mit seiner Frau Bettina verheiratet, war Marketingleiter bei Regupol in Bad Berleburg und ist „seit 2019 endlich frei“, wie er selbst sagt.Die Hobbys des 61-Jährigen: Speed Hiking, also Wandern im Turbogang in den Wäldern Wittgensteins „oder was von denen übrig ist“, literarisches Schreiben, Zeichnen und Geschichte – „zurzeit das Spätmittelalter und die frühe Neuzeit“.

Wie gesagt: Ich habe immer schon Lyrik geschrieben und Prosa-Stücke. Ich werde in absehbarer Zeit auch einen Lyrik-Band veröffentlichen. Ich war aber nie ein Geschichtenerzähler. Schließlich hat mir auch mein Berufsleben die Zeit dafür geraubt. Ich habe allerdings vor, einen weiteren Roman zu schreiben, der die gleiche Geschichte von „Die Krähen“ aus der Perspektive eines investigativen Journalisten erzählt. Das wird dann eine Ermittlungsgeschichte wie in einem Kriminalroman. Titel bislang: „Die Sterblichkeit der Seele“, auch ein Roman Noir.

Sie sagen in Ihrem Facebook-Auftritt, dass Sie in Ihren Bildern schon seit Langem Texte nutzen. Warum?

Weil meine Bilder aus Sprache entstehen. Am Anfang ist immer ein Text oder ein Gedanke. Da liegt es nahe, die Texte, auf denen sie beruhen, auch in sie einzubauen. Das machen übrigens mehr Maler als man denkt.

Sie schreiben wie viele Autoren unter Pseudonym. Hat der Name „Zyprian Anderson“ dabei eine besondere, tiefere Bedeutung?

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Diese Bedeutung habe ich auf Zyprians Facebook-Seite @zyprian.anderson entschlüsselt. Also Z und A für Beliebigkeit, da dazwischen alle Buchstaben des Alphabets liegen. Außerdem Zy.An, wie die grelle Farbe und das Gift Zyankali als Hinweise auf die Stimmung im Roman.

Der Autor Wolfgang Breuer mit Berleburger Wurzeln hat sich mit Wittgenstein-Krimis einen Namen gemacht. Sehen Sie ihn – oder sich – als literarische Konkurrenz? Immerhin ist der „Roman Noir“ eine Untergattung des französischen Kriminalromans…

Erst kürzlich hat der gebürtige Berghäuser Wolfgang Breuer seinen neuen Wittgenstein-Krimi „Gnadenlos“ vorgestellt.
Erst kürzlich hat der gebürtige Berghäuser Wolfgang Breuer seinen neuen Wittgenstein-Krimi „Gnadenlos“ vorgestellt. © Unbekannt | Privat

Der Roman Noir verhält sich zu Heimatkrimis wie Wodka zu Hugo. Nein, es existiert überhaupt keine Konkurrenz. Ich denke, wir sprechen unterschiedliche Leser an, obwohl an einer Stelle meines Buches einmal Bad Laasphe erwähnt wird. Biedenkopf kommt häufiger vor, aber auch der Vogelsberg, Duisburg, Cottbus, Eggenfelden oder Loches in Frankreich. Mundart gibt es in einer Szene auch, allerdings dem Ruhrpott seine Sprache, woll? Es ist die Sprache meiner Mutter, die aus Bochum kommt.

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Von welchen eigenen Erlebnissen haben Sie sich für die Szenarien in Ihrem Buch inspirieren lassen? Und wie ist am Ende die ganze Geschichte entstanden?

In der Vorschau zu meinem Buch schreibe ich: „Zyprian Anderson hat schon viel erlebt. Mehr gibt er nicht von sich preis.“ Tatsächlich sind etliche persönliche Erlebnisse in mein Buch eingeflossen. Ich sage nicht, welche. Aber auch Gespräche mit Leuten, deren Nähe ich sonst nicht suche, regelrechte Recherchen und Fantasie. All das habe ich vermischt, so dass sich am Ende niemand in einer Figur des Romans wiedererkennen kann. Genau diese Mischung erzeugt dann aber die Wirklichkeitsnähe – was der Leser daran merkt, dass das, was er dort liest, nur von jemandem beschrieben werden kann, der so etwas schon mitgemacht hat oder es sich zumindest hat erzählen lassen.

Und die Handlung insgesamt?

Die Handlung folgt eher dem Schema eines Abenteuer-Romans als dem einer Kriminalgeschichte. Wie gesagt, von regelrechten Krimis halte nicht allzu viel. Die Fragestellung zu vielen Passagen des Buches war die: Was würde ich tun, wenn ich ein Schwerverbrecher wäre? Wie würde ich mich verhalten, wie würde ich meine Taten planen, wie würde ich mich dem Zugriff der Polizei entziehen? Das habe ich recherchiert. Aus den Ergebnissen dieser Recherchen bestehen wesentliche Teile des Buches.

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Sie haben 2020 mit dem Schreiben begonnen, also mitten in der Corona-Pandemie. Wie fühlt man sich dabei?

Sehr gut. Meine Frau und ich saßen in unserem zur Pestburg umfunktionierten Haus und ich habe begonnen, das zu tun, was Menschen seit dem Mittelalter in Pestburgen und in 1001 Nächten tun. Sie erzählen sich Geschichten, während es draußen bedrohlich ist. Das ist ein wunderbarer Zeitvertreib. Man muss sich nur trauen. Daraus wurde dann dieser Roman.

Hat Ihre bildnerische Kunst unter dem Schreiben eigentlich gelitten?

Albrecht Rieger zu seinen Bildern: „Am Anfang ist immer ein Text oder ein Gedanke. Da liegt es nahe, die Texte, auf denen sie beruhen, auch in sie einzubauen.“
Albrecht Rieger zu seinen Bildern: „Am Anfang ist immer ein Text oder ein Gedanke. Da liegt es nahe, die Texte, auf denen sie beruhen, auch in sie einzubauen.“ © Unbekannt | Privat

In 2020 habe ich nicht so viele Bilder gemacht. Dafür sind dann in 2021 ganz tolle Sachen entstanden – gewissermaßen das, was sich bis dahin angestaut hatte, allem voran mein Zyklopen-Zyklus und die anderen Bilder, die Motive der griechischen Mythologie aufgreifen.

Welchen Themen widmen Sie sich vornehmlich, sowohl auf der Leinwand als auch auf dem Schreibpapier? Haben Sie vielleicht irgendwie einen Hang zum Abgründigen?

Ich habe eher einen Hang zum Tiefgründigen. Oberflächlichkeit ist mir ein Graus. In meinen Bildern im Stil der „Art Brut“, des Neo-Expressionismus behandle ich Themen wie zum Beispiel Umweltzerstörung und Klimawandel, Desinformation, das Verhängnis exponentieller Entwicklungen der menschlichen Zivilisation – und das ein Jahr vor Corona.

Was sagt Ihre Familie zu Ihrem künstlerischen Treiben?

Mein Treiben ist eine ruhige, geordnete Beschäftigung, vollkommen unspektakulär. Meine Frau unterstützt mich in allem.

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Was machen Sie beruflich?

Nichts. Ich habe das Berufsleben fast planmäßig hinter mich gebracht. Ich hatte nie vor zu arbeiten, bis ich 66 Jahre alt bin. Ich bin seit langem vom Frugalismus und der Fire-Bewegung beeinflusst, also dem bescheidenen Leben in finanzieller Unabhängigkeit. Hedonistischer, also von Lust gesteuerter Konsum ist mir fremd. Jetzt kann ich endlich machen was ich will, ich bin ein freier Mensch.

Und, natürlich ganz wichtig: Wie kommen Krimifans an Ihr Buch?

Das Buch bekommt man im Buchhandel. Einfach fragen und bestellen. Dann kann man es abholen oder sich ins Haus liefern lassen. Es ist auch verfügbar als E-Book zum Download. Zyprian Anderson, Die Krähen. Das reicht, es ist unverwechselbar.