Bad Berleburg. Zum ersten Mal fanden die Demonstrationen - pro und contra - parallel statt. In Bad Berleburg sind auch einige bekannte Gesichter darunter.

Die einen imitieren Schafsgeräusche, die anderen spielen Zirkusmusik und Kinderlieder, um die jeweils anderen damit zu verhöhnen – Zwischenfälle gab es am Montagabend aber nicht, als etwa 230 Menschen erneut gegen die Corona-Maßnahmen demonstrierten, während sich etwa 130 zum ersten Mal zu einer Gegendemonstration am selben Ort in der Bad Berleburger Kernstadt versammelten.

„Menschen mit Herz sind unteilbar“, sagt ein Transparent auf der einen Seite, „Meine Freiheit heißt Solidarität“ steht auf einem Plakat auf der anderen Seite. Friedlich, aber nicht ohne von einander Notiz zu nehmen, begegneten sich beide Parteien das erste Mal in dieser Form (wir berichteten). Während aber auf dem Parkplatz gegenüber dem Johannes-Althusius-Gymnasium bereits die erste Rede gehalten wurde, waren gegen 18.30 Uhr noch keine Demonstranten auf der Poststraße unterwegs. Stattdessen versammelten sich die „Spaziergänger“ sich noch im Rathauspark.

Die Begegnung

Erst gegen 18.45 Uhr starteten die Corona-Skeptiker ihre Demonstration durch die Innenstadt. 230 Menschen liefen dabei über die Poststraße – vorbei an den 130 Gegendemonstranten in Höhe der Sparkasse und anschließend über die Schulstraße wieder zurück. Als die Impf-Gegner auf der Poststraße vorbeiziehen, tönt es aus den Lautsprechern der Impf-Befürworter: „Ich geh‘ mit meiner Laterne und meine Laterne mit mir…“ Und über Megafon bekommen die schweigenden „Spaziergänger“ zu hören: „Bei uns ist es viel lustiger!“ Die Gegendemo nahmen die Corona-Skeptiker aber gelassen.

An der Poststraße warten die Gegendemonstranten mit ihren Plakaten auf die „Spaziergänger“.
An der Poststraße warten die Gegendemonstranten mit ihren Plakaten auf die „Spaziergänger“. © WP | Lisa Klaus

Diese soll im Übrigen keine einmalige Sache gewesen sein, wie Thorsten Fischer von Die Linke Wittgenstein vor Ort verriet. „Wir sind überrascht über die Reaktionen und den Zuspruch und hoffen, dass alles friedlich bleibt“, so Fischer. Und friedlich blieb es – wie auch bei den vorherigen Montagsdemonstrationen in den vergangenen Wochen. Doch schon nach dem zweiten, dritten Mal war für Fischer und seine Parteikollegen klar, „dass wir zur Gegendemonstration aufrufen. Wir halten die Impfung für das wichtigste Mittel, um aus der Pandemie rauszukommen. Durch Fehlwissen aber auch durch die Ungewissheit werden Ängste geschürt..“ Wann genau die nächste Gegendemo stattfinden wird, ist derzeit noch unklar.

Die Demonstranten

Auch vor Ort war Poetry-Slammer Tobias Beitzel, der in den vergangenen Wochen die Montagsdemonstranten beobachtet und zwei Videos auf seinen Social-Media-Kanälen hochgeladen hat, indem er auf humorvolle Art und Weise die Demo kritisierte. „99 Prozent er Reaktionen darauf waren positiv“, sagte er. Aber er weiß auch: „Wenn man so etwas hochlädt, muss man auch mit Hasskommentaren rechnen.“ Denen begegnet er „positiv und mit Humor“. Ein weiteres ähnliches Video aber sei nicht geplant.

"Die Partei" aus Bad Laasphe nutzt ihre Plakate von der vergangenen Kommunalwahl, um Flagge zu zeigen. Tobias Wied trägt dazu einen Aluhut. © Eberhard Demtröder | Eberhard Demtröder

Mit einer zehnköpfigen Delegation war auch „Die Partei“ aus dem Bad Laaspher Stadtrat in Bad Berleburg vertreten. „Was die Spaziergänger hier veranstalten, ist aber nicht mit der Wiederbelebung der Innenstadt gemeint“, meint Fraktionsvorsitzender Markus Schmidt angesichts der Montagsdemonstranten auf der Poststraße. Außerdem: „Nazis sind Bäh“, sagt er und warnt gemäßigte Corona-Skeptiker: „Man sollte sich nicht von den Rechten instrumentalisieren lassen.“ Nachdem die Zahl der Demonstranten in den letzten Wochen nicht weniger geworden sei, so Schmidt weiter, müssten die Impf-Befürworter als deutliche Mehrheit in der Bevölkerung jetzt reagieren.

Lesen Sie auch: Lesen Sie auch: Bad Berleburg: Protest gegen Coronaleugner geplant

„Die Querdenker haben kein Lachen im Gesicht“, stellt „Partei“-Mitglied Tobias Wied außerdem fest. Um Flagge zu zeigen, hält „Die Partei“ Plakate aus dem Kommunalwahlkampf vom vergangenen Herbst hoch. „Die haben von ihrer Aktualität nichts eingebüßt“, findet Markus Schmidt.

Der Appell

Unterdessen spielt „Die Linke“ als einer der Mitveranstalter auf dem Parkplatz die „Internationale“, ruft zum „letzten Gefecht“ auf. Wolfgang Roeser vom Vorstand der Linken, Ortsverein Wittgenstein, sucht in seiner Rede nicht zuletzt den Dialog mit den Impfgegnern. „Rosa Luxemburg sagte bereits: ,Reden ist unser Privileg. Wenn wir ein Problem haben, das wir nicht durch Reden lösen können, dann hat alles keinen Sinn.‘ Daher lasst uns reden“, so Roesers Appell. „Es gibt gute Gründe für eine Impfung – und die Risiken sind geringer als die Risiken einer Infektion.“

Die Corona-Skeptiker waren zahlenmäßig am Montag überlegen. An den Gegendemonstranten zogen sie friedlich vorbei.
Die Corona-Skeptiker waren zahlenmäßig am Montag überlegen. An den Gegendemonstranten zogen sie friedlich vorbei. © WP | Lisa Klaus

Dr. Felix Riedel, Redner der Bad Berleburger Grünen, bringt Corona und andere weltweite Probleme in einen Zusammenhang: „Wir haben eine Pandemie und Klimakatastrophe und Artensterben und Fluchtwellen und Konflikte. Es kann nicht sein, dass ein paar, meist rechtsradikal geleitete, antiwissenschaftliche Leute unsere gesellschaftlichen Kräfte ablenken.“

Lesen Sie auch:Corona-Demo in Bad Berleburg bleibt ohne Zwischenfälle

Auch Bernd Schneider (Grüne) und Lena Kaiser aus Bad Berleburg demonstrieren: „Seid solidarisch – lasst Euch impfen“. Jörg Ehm aus Dotzlar ist derweil erstaunt: „Ich hätte nicht gedacht, dass so viele da sind“, sagt er mit Blick auf die Teilnehmer der Impf-Befürworter. Das sei „doch ein guter Anfang“. „Geht lieber impfen!“ rät der Dotzlarer auf seinem Demo-Plakat – und auf der Rückseite: „Seht genau hin, mit wem ihr ,spaziert’!“