Wittgenstein. Die Unternehmen haben sich zwar vom großen Corona-Schock 2020 einigermaßen erholt. Es bleiben aber viele Probleme, die bewältigt werden müssen.

Den Corona-Schock haben die Unternehmen im Kreis zum größten Teil verwunden – Probleme wie Lieferengpässe und auch der Fachkräftemangel werden die Wittgensteiner Wirtschaft wohl auch noch eine Weile begleiten.

Dennoch: Insgesamt blickt die Industrie, so geht es aus der Konjunkturumfrage 2021 des Verbandes der Siegerländer Metallindustriellen (VdSM) hervor, zuversichtlicher auf die kommenden sechs Monate, als es noch vor einem Jahr der Fall war. Die Mitgliedsunternehmen des Verbandes sind „vorsichtig optimistisch“.

„2021 war ein turbulentes Jahr, die Pandemie war und bleibt das vorherrschende Thema“, erläuterte Christian F. Kocherscheidt, Vorsitzender des Verbands und geschäftsführender Vorsitzender der EJOT Holding GmbH und Co. KG mit Sitz in Bad Berleburg. Im Sommer hatten viele Länder, in die die Unternehmen exportieren, die Lockdowns wieder aufgehoben, Mitarbeiter der Unternehmen kamen aus dem Home Office zurück.

Neue Herausforderungen nach Omikron

„Für uns als Verband ist das sehr schön, die Wirtschaft konnte sich etwas erholen“, so Kocherscheidt. Die Wende kam im Herbst mit dem Auftauchen der Omikron-Variante. „Erneut standen Wirtschaft und Bürger vor neuen Herausforderungen und waren verunsichert.“ Teile der Wirtschaft haben einen Dämpfer erlitten, so Kocherscheidt.

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Ausschlaggebend für den vorsichtigen Optimismus sind die gegenüber dem Vorjahr eindeutig verbesserte Auftragslage sowie die trotz Industrie-Rezession und Corona stabile Lage bei Beschäftigung und Ausbildung. „Wenngleich die gut gefüllten Auftragsbücher für Zuversicht sorgen, ist völlig unsicher, ob die Ordereingänge angesichts der unabsehbaren Auswirkungen von Pandemie und Lieferproblemen auch tatsächlich in Umsätze umgesetzt werden können“, sagt Kocherscheidt.

Kurzarbeit verhilft zur Erholung

Dennoch: Man könne davon ausgehen, dass sich die Weltwirtschaft erholen werde. Zur Erholung besonders beigetragen habe die eingeführte Kurzarbeit. „So konnten wir die Beschäftigung stabil halten.“ Es bleibe allerdings abzuwarten, wie sich künftige Corona-Wellen auf die Auftrags- und Beschäftigungslage auswirken werden. „Vom Erreichen des Vorkrisen-Niveaus sind die Unternehmen in Siegen-Wittgenstein allerdings noch ein Stück weit entfernt“, ergänzte Dr. Thorsten Doublet, Geschäftsführer der Arbeitgeberverbände in Siegen-Wittgenstein.

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Der Wirtschaft geschadet hat im vergangenen Jahr aber nicht nur die Corona-Pandemie: Auch die Lieferengpässe – bedingt auch durch pandemiebedingte Produktionsausfälle – als auch die zusammengebrochene Infrastruktur durch den Ausfall der A 45 und die marode Autobahnbrücke bei Lüdenscheid. Zusätzlich habe Havarie der „Ever Given“ im Suezkanal dem Geschäft geschadet, genauso wie Engpässe bei Mikrochips und Halbleitern.

Infrastruktur schwächt die Region

83 Prozent der bei der Konjunkturumfrage befragten Unternehmen aus der Region hatten angegeben, dass die Sperrung der A 45 auf sie Auswirkungen hat – 76 Prozent rechnen gar damit, dass dadurch vermehrt Kosten auf sie zukommen werden. „Wenn eine für die Region so wichtige Strecke plötzlich ausfällt, wird einem bewusst, wie wichtig eine funktionierende Infrastruktur eigentlich ist“, so Kocherscheidt.

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Da nun diese Strecke vorerst wegfalle, bestünde durchaus das Risiko, dass sich neue Lieferketten – vorbei an der Region – bilden. „Das schwächt uns in ganz Südwestfalen“, machte Kocherscheidt deutlich. Wittgenstein könne da auch ein Lied von singen – nämlich wenn es um die Route 57 geht. Die lange Entwicklungszeit hemme auch die Entwicklung der heimischen Wirtschaft, erklärt Kocherscheidt, der auch der Vorsitzende des Vereins Route 57 ist.

Fachkräftemangel bleibt ein Problem

Ein Problem, das eigentlich immer da war, aber durch die Pandemie vorerst überschattet wurde, ist der Fachkräftemangel, erinnerte Doublet. „Das wird auch wieder zum Vorschein kommen“, prophezeite er. Die Unternehmen wollen daher voll auf Ausbildung setzen und auch teilweise wieder Angebote machen, wo es vorher einen Annahmestopp gab. 85 Prozent der Unternehmen wollen ihr Ausbildungsangebot 2022 unverändert halten, ganze 15 Prozent planen dann zusätzliche Ausbildungsplätze. Das ist im Vergleich zu den Ergebnissen der letzten Umfrage ein Anstieg um neun Prozentpunkte.

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Kein Unternehmen gab an die Ausbildungsplätze zu reduzieren, 2020 nannten dies immerhin noch 25 Prozent der Befragten. „Das ist ein ganz klares Bekenntnis zur Ausbildung“, machten Kocherscheidt und Doublet klar. „Es wird noch mal eine Schippe drauf gelegt“, so Doublet. Diese Extra-Schippe werde auch notwendig sein, denn es werde immer schwerer, potenzielle Fachkräfte – beziehungsweise Auszubildende – zu bekommen. Zum einen gebe es immer weniger Schulabgänger, zum anderen werden viele der aktuell Beschäftigten in ein paar Jahren in Rente gehen.