Erndtebrück. Dr. Oliver Haas kritisiert seinen Berufskollegen Dr. Holger Finkernagel aus Bad Berleburg für dessen Äußerungen zur Corona-Impfung scharf.

„Da hat uns Dr. Finkernagel einen Bärendienst erwiesen“, kommentiert der Erndtebrücker Allgemeinmediziner Dr. Oliver Haas die Aussagen seines Bad Berleburger Kollegen, die dieser in der Donnerstagsausgabe dieser Zeitung gemacht hat. Finkernagel hatte erklärt, Genesene, Senioren und bestimmte Geimpfte sollten ihren Antikörper-Spiegel prüfen lassen. „Ich halte dies für lebensnotwendig“, hatte Finkernagel gesagt und vor Komplikationen und Impffolgen gewarnt. Dabei stützte sich Finkernagel auf erste Ergebnisse seiner eigenen Studie „Immunantwort in der Elsoff-Achse“ mit Patienten in Bad Berleburg. Aber das ist nicht die einzige Aussage des Bad Berleburger Hausarztes, die Haas kritisiert.

Massive Kritik

Für Oliver Haas ist die Diskussion um den Impftiter, also den Antikörperspiegel nicht nur falsch, sondern sogar kontraproduktiv vor dem Hintergrund, dass gerade eine sehr erfolgreiche Impfkampagne laufe. „Wir bekommen Anrufe und Nachrichten von verunsicherten Patienten, die sich jetzt Sorgen machen, weil wir sie geboostert haben, ohne vorher den Titer zu bestimmen“, beschreibt Haas die Situation. Der Arzt aber betont seine Sicht, die er auf den aktuellen Stand der Wissenschaft stützt: Den Antikörperstatus zu bestimmen, „macht überhaupt keinen Sinn“, sagt Haas und nennt dafür drei Argumente. Außerdem will der Erndtebrücker Arzt mit den Vorurteilen zu schweren Impfschäden aufräumen.

Vier Argumente für Impfung und gegen Antikörper-Analyse

1. „Wenn ich einen Titer bestimme, muss ich auch einen Maßstab haben, ob sich jemand mit einem Wert von beispielsweise 3000 noch nicht boostern lassen sollte und jemand mit einem Wert unter 3000 schon. Diese Messlatte gibt es nicht“, sagt Haas, zumal jede Menge an Antikörpern eine Infektion auch nicht verhindern könne. „Ich selbst habe mich bei einem Impftiter von 12.500 boostern lassen“, sagt Haas. Der Medizinier ist übrigens nicht nur zweifach geimpft gewesen, er war sogar infiziert und an Corona erkrankt. „Herr Finkernagel soll uns mal sagen, wo er die Maßstäbe für den Titer ansetzt“, fordert Haas.

2. Das einzige, was man aktuell nach Studien sagen könne, ist, dass Menschen mit einem besonders hohen Impftiter besser gegen einen schweren Verlauf der Erkrankung geschützt sind und damit selten auf Intensivstationen behandelt werden müssen. Es sei wichtig, die Impfkampagne mit dem Boostern fortzuführen, weil sie erfolgreich sei. Haas argumentiert: 2020 hatten wir weniger Infizierte, aber die Intensivstationen waren voll. 2021 haben wir es mit der schwerwiegenden Delta-Variante und der hochansteckenden Omikron-Variante zu tun und die Intensivstationen sind nicht so voll, weil viele Menschen geimpft sind. Die Wahrscheinlichkeit, auf einer Intensivstation zu landen, ist für einen ungeimpften 17 Mal höher als für einen Menschen mit Impfschutz.

Booster-Kampagne läuft gut

3. In Deutschland laufe die Boosterkampagne gut, das könne man daran absehen, dass wir anders als die Niederlande und Österreich keinen zweiten Lockdown hatten. Wenn jetzt vor jeder Boosterung erst eine Laboranalyse gemacht werden müsse, koste das unnötig viel Zeit und Geld und führe zu Diskussionen um den richtigen Zeitpunkt der Impfung. Das gefährde den Erfolg der Kampagne, meint Haas. Im Übrigen aber koste die Bestimmung des Impfstatus keine 300 Euro – wie Finkernagel erklärt habe – sondern lediglich 17.95 Euro.

Fakten zum tödlichen Zytokinsturm

Die irische Wissenschaftlerin Dolores Cahill hat behauptet, dass Impfungen gegen das Corona-Virus mit einem mRNA-Wirkstoff einen solche starke und tödliche Immunreaktion - den Zytokinsturm - auslösen könnten.

Ein Zytokinsturm ist eine überschießende Immunreaktion des Körpers. Sie löst starke Entzündungsreaktionen aus. Symptome sind Fieber, Schwellungen und Gefäßschädigungen,die auch tödlich verlaufen können. Der ARD-Faktenfinder betont: Die Ursachen sind noch nicht vollständig erforscht, eine Therapie gibt es bisher nicht.

Cahill stützt ihre Behauptung auf Studien an Mäusen mit dem SARS-Virus und solchen zu Grippeimpfstoffen. Die Ergebnisse seien laut Experten aber nicht eindeutig.

Das wichtigste Argument gegen Cahills These ist der aktuelle Verlauf der Impfungen. Millionen von Menschen sind gegen das Corona-Virus geimpft worden. Ein Zytokinsturm als Nebenwirkung sei dabei aber nicht bekannt, sagt Leif-Erik Sander, Leiter der Forschungsgruppe für Infektionsimmunologie und Impfstoff-Forschung an der Berliner Charité, dem WDR.

4. Die Angst vor schweren Impfschäden möchte Haas den Patienten nehmen. Es gebe keine Hinweise darauf, dass ein hoher Antikörperspiegel in Verbindung mit einer weiteren Impfung zu einem Zytokin-Sturm führe. „Es gibt keinen einzigen Fall“, sagt Haas über diese seltene überschießende Immunreaktion des Körpers. Als Beispiel nennt Haas sich selbst, der sich trotz eines Antikörperspiegels von 12.500 habe boostern lassen. Haas folgt dem Empfehlungen der Ständigen Impfkommission. Die habe zunächst sechs Monate, dann vier Monate und zuletzt drei Monaten Abstand zur letzten Impfung für die Verabreichung der dritten Spritze vorgeschlagen – ohne Impftiterbestimmung. Schon dies zeige, dass es einer solchen Bestimmung nicht bedürfe.