Wittgenstein. Sie sollten eigentlich helfen – die Corona-Soforthilfen. Die Rückzahlung aber stellt viele vor finanzielle Sorgen – auch Wittgensteiner Friseure.
„Ich weiß nicht mehr weiter“, sagt Marina Marchel, Inhaberin der Frisierzone in Bad Berleburg, während ihr Tränen in die Augen schießen. Der Grund: Vor wenigen Wochen hat sie ein Schreiben erhalten. Sie soll – wie viele Unternehmer derzeit – die Coronasoforthilfe, die sie im Frühjahr 2020 erhalten hat, zurückzahlen. Bis Oktober 2022 hat sie dafür Zeit. „Ich liebe meinen Beruf“, sagt sie. „Aber ich weiß nicht, wie ich das stemmen soll. Ich habe im Frühjahr, nachdem wir erneut den Salon schließen mussten, einen Kredit aufgenommen, da die Kosten ja dennoch weiterliefen. Diese Rückzahlung steht nun auch bald an und ich bin bestimmt nicht die einzige, die einen Kredit aufnehmen musste.“ Gemeinsam mit anderen Friseurmeisterinnen aus Wittgenstein, möchte sich daher auf die Situation aufmerksam machen. „Viele denken, dass es uns doch gut geht und wir genug Geld einnehmen, doch das ist durch Corona nicht so. Viele Kunden sind nach dem Lockdown nicht wieder gekommen.“
Das berichten auch Evgenia Neneshtil, Inhaberin von Beauty-Home in Bad Laasphe und Tania Müller von Friseur Haarplan in Bad Berleburg. „Durch die Schwarzarbeit haben wir einige Kunden verloren, die bis heute nicht wieder gekommen sind“, so Müller. Sie fühlt sich, wie auch ihre Kolleginnen, von der Regierung im Stich gelassen. „Ich glaube zwar nicht, dass es etwas bringt, aber man darf es auch nicht unter den Teppich kehren“, sagt sie. „Wir lieben unsere Arbeit, aber am Ende bleibt kaum noch etwas übrig.“ Und auch Marina Marchel fragt sich, wie sie bis Ende Oktober 2022 die Summe für die Rückzahlung zusammen gekommen soll. „Soll ich dann nur noch für den halben Lohn arbeiten?“ Aber nicht nur die Rückzahlung beschäftig die Friseurinnen: „Wir wissen ja gar nicht, wie es weiter geht. Kommt bald 2G auch für uns? Es ist alles so ungewiss.“
Auswirkung auch auf Ausbildung
Insgesamt sechs Wochen mussten sie ihre Salons im Frühjahr 2020 schließen. „Danach kamen zwar erst einmal viele Kunden, doch als im Sommer die Testpflicht kam, blieben weitere Kunden fern“, so Marchel. Es folgte der zweite Lockdown. Und auch heute haben die Friseure durch die Coronaschutzreglungen mehr Ausgaben als vor der Pandemie. „Eigentlich müsste das Geld die Entschädigung dafür sein, dass man mehrere Monate im Jahr 2020 geschlossen bleiben musste – für die Unkosten, die fehlenden Kunden, die nicht wieder kamen und den ganzen Stress“, sagt Evgenia Neneshtil. „Die rund 2000 Euro Unternehmerlohn reichten vorn und hinten nicht.“ Und auch beim Thema Ausbildung hat die Pandemie ihre Folgen hinterlassen: „Ich hätte dieses Jahr eine Frau ausbilden können, aber ich konnte es mir finanziell nicht leisten. Sie startet nun im kommenden Jahr“, berichtet Marina Marchel.
Reinhard Afflerbach ist Steuerberater in Bad Berleburg und kennt die Problematik mit den Coronahilfen. „Alle Corona-Hilfen sind steuerpflichtig und fließen somit in die Bilanz des Unternehmers.“ Ob der Empfänger am Ende etwas vom Geld über die Steuer zurück bekommt, werde sich noch zeigen und sei sehr individuell. „100 Prozent wird man davon sicher nicht wiederbekommen“, sagt er. „Derzeit müssen wir bei jedem Mandanten gesondert schauen, was in das Rückmelde-Formular eingetragen werden muss. Das ist ein enormer Aufwand.“ Zahlreiche Rückmeldungen habe er für die Mandanten derzeit auf dem Tisch liegen. „Am Ende des Jahres können wir alle das Wort Corona und Coronahilfen nicht mehr hören.“
Die Rückmeldung
„Alle Empfänger der NRW-Soforthilfe 2020 wurden im Bewilligungsbescheid darüber informiert, dass die Soforthilfe zweckgebunden ist. In NRW wurde zu jedem bewilligten Antrag zunächst die maximale Fördersumme ausgezahlt, um schnelle und unbürokratische Unterstützung leisten zu können“, heißt es auf der Internetseite des Wirtschaftsministeriums. „Mit der Rückmeldung möchte das Land daran erinnern, dass der Anteil der Soforthilfe, der im Förderzeitraum nicht für betriebliche Ausgaben verwendet wurde, zurückerstattet werden muss.“