Wittgenstein. Wer sagt die Wahrheit? Die Angeklagten, die wegen schwerer Körperverletzung angeklagt sind, oder das Opfer? Das verstrickt sich in Widersprüche.

Es ist ein seltenes Bild am Freitagmorgen im Amtsgericht Bad Berleburg: Gleich vier Beschuldigte müssen auf der Anklagebank Platz nehmen — darunter drei Wittgensteiner Brüder (21, 26 und 28 Jahre alt) und ein gemeinsamer 26-jähriger Freund, der ehemals in Bad Berleburg gewohnt hatte.

Die vier Angeklagten sollen sich im Februar dieses Jahres der gemeinschaftlichen gefährlichen Körperverletzung schuldig gemacht haben. Nach einer rund dreistündigen Verhandlung konnten die schwerwiegenden Anschuldigungen der Staatsanwaltschaft Siegen weder bestätigt noch widerlegt werden.

Richter Torsten Hoffmann stellte das Verfahren gegen die vier Angeklagten letztlich ein. Aber der Richter weiß auch: „Irgendeiner kann heute nicht die Wahrheit gesagt haben.“ Der Fall entpuppte sich als äußerst zwielichtig. Fest steht aber: Die Angeklagten scheinen allesamt ein Alibi zu haben — und das mutmaßliche Opfer, ein ehemaliger 26-jähriger Bad Berleburger, verstrickte sich im Laufe der Hauptverhandlung in Widersprüche.

Messer und Schlagringe

Mit Schlagringen und einem Messer ausgestattet sollen die vier Beschuldigten an einem Februarnachmittag 2021 in die Bad Berleburger Wohnung des mutmaßlich Geschädigten (26) eingedrungen sein und diesen geschlagen, getreten und ihm eine Wasserpfeife auf dem Kopf zerschlagen haben.

„An dem Tag war ich nicht da. Ich kann mich dazu nicht äußern. Was der für einen Mist erzählt, hat nichts mit der Realität zutun“, so der 28-jährige Angeklagte zu seiner Verteidigung. Dieser Aussage schlossen sich auch die anderen drei Beschuldigten an. Während die Brüder angeben, zum Tatzeitpunkt einem Freund in dessen Möbellager ausgeholfen zu haben, beteuert der vierte Angeklagte, sich mit Freunden in Siegen aufgehalten zu haben.

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Die Freunde der vier Angeklagten, die als Zeugen zur Verhandlung geladen waren, bestätigten diese Alibis. „Kann mir jemand sagen, warum wir hier sitzen?“, äußerte Richter Hoffmann sein Unverständnis. Doch auf diese Frage wusste niemand eine Antwort.

Der 28-jährige Angeklagte konnte nur eine vage Vermutung aufstellen: Er habe vor einiger Zeit eine Kneipe in Wittgenstein betrieben, in der er dem angeblich Geschädigten wegen unangemessenem Verhaltens mehrfach Hausverbot erteilt habe. Möglicherweise sei die Anzeige laut dem Angeklagten eine Art Rachezug gewesen.

Das mutmaßliche Opfer

„Die hatten alle ein Messer in der Hand. Die haben versucht, mich zu vernichten“, erzählt der 26-jährige angeblich Geschädigte. Schließlich habe er sich aber befreien können, sei aus dem Fenster gesprungen und zu der Wohnanschrift seiner Freundin geflohen.

Dort habe er geduscht und sei anschließend ins Krankenhaus gefahren, wo später auch die Polizei hinzukam. Hier habe man dem 26-Jährigen eine Platzwunde am Kopf genäht und auch das Knie, die Lippe und der Ellenbogen seien verwundet gewesen. Das bestätigen Lichtbilder.

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An den Verletzungen bestehen also keinerlei Zweifel. An der Herkunft jedoch schon. Was nun an dem Tag vonstatten ging — und ob die Alibis wasserdicht sind, dass wissen letztendlich nur die Beteiligten. Laut der Polizei seien in der Wohnung des mutmaßlichen Opfers aber Spuren eines Kampfes zu verzeichnen gewesen.