Erndtebrück. Die gute Nachricht: Es wird m gewerblichen Bereich keinen weiteren Arbeitsplatz-Abbau geben. Allerdings soll die Verwaltung verkleinert werden.
Das Erndtebrücker Eisenwerk hat mit der Industriegewerkschaft Metall einen Standortsicherungstarifvertrag geschlossen. Damit ist es Arbeitgeber- und Arbeitnehmer-Vertretern gelungen, einen Prozess zu beenden, der im März 2020 mit der Schließung der Siegerländer Tochterunternehmen Bergrohr und Pickhan begonnen hatte. Das und die Details der Betriebsvereinbarung wurden am Dienstag in zwei Betriebsversammlungen den insgesamt 417 Beschäftigten mitgeteilt.
Kein Arbeitsplatzabbau in Fertigung
Vier Punkte fixiert
Das Abkommen zwischen EEW und der IG Metall gilt bis zum 30. Juni 2024 und umfasst im Wesentlichen vier Kernaspekte:
1. Auch wenn größere Einmalmaßnahmen zur Anpassungen der Belegschaft nicht notwendig sind, wird das Unternehmen im Laufe der nächsten drei Jahre daran arbeiten, die Belegschaftsgröße der rückläufigen Auftragssituation anzugleichen. Wesentlicher Bestandteil ist die Fortführung der Altersteilzeitmodelle, die es rentennahen Mitarbeitern erlaubt, das Unternehmen früher zu verlassen. Da diese Maßnahme aufgrund der Altersstruktur primär im Produktionsbereich umsetzbar ist, ist das Unternehmen im Verwaltungsbereich leider dazu gezwungen, Mitarbeiter im niedrigen zweistelligen Bereich abzubauen. „Uns liegt besonders viel daran, den Abbau der Arbeitsplätze so sozialverträglich wie möglich zu gestalten. Wir hoffen, mit den betroffenen Mitarbeitern eine einvernehmliche Lösung in Form von Aufhebungsverträgen oder dem Übergang in eine Transfergesellschaft zu finden“, so Christoph Schorge.
2. Im Hinblick auf die Vergütung der Mitarbeiter konnte ebenfalls auf wesentliche Einschnitte verzichtet werden. Die tariflichen Hauptbestandteile wie beispielsweise Weihnachts- und Urlaubsgeld bleiben bestehen. Bestimmte Zusatzleistungen wie der „T-Zug“ und Tariferhöhungen werden jedoch bis 2024 ausgesetzt.
3. Weiterhin wurde ein neues Konzept bezüglich der Arbeitszeitkonten entwickelt, um flexibler auf die volatile Beschäftigungssituation regieren zu können.
„Aufgrund der sich nachhaltig verändernden Projektlandschaft werden vermehrt Spitzen mit Volllast sowie Täler mit Unterauslastung auftreten. Die neue Arbeitszeitkontenregelung wird helfen, diese beiden Extreme in Einklang zu bringen und Kurzarbeit künftig möglichst zu vermeiden“, erklärt Personalleiterin Jessica Becker.
4. Weitere Maßnahmen betreffen Kosteneinsparungen in allen Unternehmensbereichen sowie Ablaufverbesserungen in der Produktion. „In diesen Bereichen sehen wir nach wie vor noch sehr großes Potenzial. Mein Dank geht an dieser Stelle an unsere Mitarbeiter sowie den Betriebsrat, die mit ihren Anregungen und Ideen dazu beigetragen haben, dieses Potenzial zu heben“, so Christoph Schorge.
Die Maßnahmen haben
Die gute Nachricht vorweg: Es wird nach dem Personalabbau in 2020 im gewerblichen Bereich keinen weiteren Arbeitsplatz-Abbau geben. Allerdings soll die Verwaltung verkleinert werden. Die in der IG Metall organisierten Mitglieder hatten vergangene Woche der Vereinbarung zugestimmt. 80 Prozent sollen einverstanden gewesen sein, berichtet das Unternehmen.
Auslöser dieser Entwicklung sind die seit Jahren spürbaren Veränderungen im Bereich der fossilen Energieträger. Während regenerative Energien ausgebaut werden, gibt es in der Öl- und Gas-Industrie einen rückläufigen Trend. „Als Zulieferer der Branche ist die EEW Group stark von den Folgen des Strukturwandels betroffen. Während die Offshore-Wind-Sparte des Unternehmens gut gefüllte Auftragsbücher verzeichnet, befinden sich die Öl- und Gasindustrie beliefernden Werke, insbesondere der Standort in Erndtebrück, in einer schwierigen wirtschaftlichen Situation. Die mangelnde Nachfrage seitens der Öl- und Gaskonzerne, einhergehend mit einem enormen Wettbewerbsdruck, führte in den vergangenen Jahren immer wieder zu Unterauslastungen und einer unzureichenden Ertragslage“, heißt es in einer schriftlichen Erläuterung des Erndtebrücker Unternehmens.
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Prozess läuft seit 2019
Seit 2019 beschäftige man sich mit dieser Entwicklung und arbeite an einem Zukunftskonzept. Eine Auswirkung waren die Schließungen zweier Tochterfirmen im Siegerland. Ziel ist es, den Heimat-Standort Erndtebrück zu erhalten. „Neben der Anpassung des Produkt-Portfolios wurde ein umfangreiches Kostensenkungs- und Effizienzsteigerungsprogramm realisiert, um die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern“, so EEW.
+++ Erndtebrück aus der Luft gesehen.
Leider habe die Corona-Pandemie den Strukturwandel im Öl- und Gassektor nochmals massiv befeuert. Aufträge seien vorschoben oder komplett storniert worden, sodass EEW das angestrebte Ergebnis im abgelaufenen Geschäftsjahr nicht habe erreichen können. „Insofern war es für uns unumgänglich, das bestehende Zukunftskonzept fortzuführen und um weitere Maßnahmen zu erweitern. Vor vier Monaten wurden seitens der EEW-Geschäftsführung die Verhandlungen mit dem Betriebsrat und der IG Metall aufgenommen. Das Ergebnis ist der nun beschlossene Standortsicherungstarifvertrag. Die gute Botschaft ist, dass es den Verhandlungspartnern gelungen ist, einen größeren Personalabbau sowie wesentliche Einschnitte hinsichtlich der Vergütung der Mitarbeiter zu vermeiden“, kommentiert der geschäftsführende Gesellschafter Christoph Schorge die Entwicklung in einem Pressegespräch.
Betriebsrat stützt Vorgehensweise
Der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Matthias Hirschhäuser bestätigt: „Unser aller Bestreben war es, eine Lösung zu finden. Jeder hat seinen Teil dazu beigetragen, von den gewerblichen Beschäftigten bis zur Geschäftsleitung.“ Innerbetrieblich habe man zunächst eine 31 köpfige Tarifkommission gebildet, die sich aus IG-Metall-Mitgliedern zusammensetzt. Daraus wurde dann eine siebenköpfige Verhandlungskommission gewählt, die zusammen mit gewerkschaftlichen Vertretern die Verhandlungen mit der Geschäftsführung aufnahmen.
„Obwohl natürlich in der Sache intensiv verhandelt wurde, war jederzeit erkennbar, dass Betriebsrat, IG Metall und die Geschäftsführung sowohl für das Unternehmen als auch für die Mitarbeiter die bestmögliche Lösung erzielen wollten. Der Besonnenheit aller Verhandlungsparteien ist es zu verdanken, dass schnell eine Einigung erzielt und vor allem auf betriebsbedingte Kündigungen verzichtet werden konnte“, sagt Christoph Schorge zur Zusammenarbeit mit Betriebsrat und Gewerkschaft.
Abschließend konstatiert Schorge: „Der Strukturwandel in der Öl- und Gasindustrie ist nicht aufzuhalten. Selbstverständlich sind die eingeleiteten Schritte einschneidend und unangenehm. Doch wenn jeder einen Beitrag leistet und wir es gemeinsam angehen, können wir den Wandel schaffen und gestärkt in die Zukunft gehen.“