Rückershausen. Eine Achtjährige läuft vor einen Kleinbus und wird schwer verletzt. Der Fahrer muss sich nun vor dem Amtsgericht verantworten.
Es ist eine Tragödie, die sich am 6. November vergangenen Jahres gegen 13.20 Uhr in Rückershausen abspielt: Ein 20-jähriger Erndtebrücker befährt mit einem VW-Transporter die Siegener Straße — ahnungslos und völlig unvorbereitet auf das, was gleich passieren wird: Mit seinem Fahrzeug erfasst der 20-Jährige ein kleines Mädchen, das die Straße überqueren will, nachdem es aus einem Schulbus aussteigt. Das Leben der Achtjährigen und das ihrer Familie geraten aus den Fugen. Und auch für den jungen Fahrer ist dieses Ereignis ein einschneidendes, traumatisches Erlebnis.
Nun musste sich der 20-Jährige Erndtebrücker wegen fahrlässiger Körperverletzung vor dem Amtsgericht Bad Berleburg verantworten. Richter Torsten Hoffmann stellte das Verfahren nach umfassender Beweisaufnahme schließlich vorläufig ein. Die Bedingungen: Der 20-Jährige muss eine Geldbuße in Höhe von 300 Euro zahlen und binnen drei Monaten an einem Fahreignungsseminar teilnehmen. „Ich war fertig mit der Welt. Komplett“, erinnert sich der Angeklagte an jenen Tag im November 2020. Der Bus, aus dem das Mädchen ausgestiegen ist, war ein grauer Kleinbus gewesen. Der Busfahrer hatte an der Straße gegenüber des Elternhauses der Achtjährigen angehalten, um sie rauszulassen. „Es war für mich nicht ersichtlich, dass es ein Schulbus war. Ich habe das Kind nicht gesehen“, so der 20-Jährige. Eine Markierung, die einen Schulbus als diesen kennzeichnen muss, habe er nicht wahrgenommen.
Zahlreiche Operationen notwendig
Der Angeklagte sei laut eigener Aussage an dem auf der Straße stehenden Kleinbus, der lediglich den Blinker betätigt haben soll, vorbeigefahren und habe dann wieder auf die rechte Spur einscheren wollen. Bei diesem Vorgang sei es dann zum tragischen Unfall gekommen. Der 20-Jährige sei laut eigener Einschätzung 50 bis 55 km/h gefahren. 50 Sind in der Siegener Straße erlaubt. Das Mädchen hatte durch den Aufprall unteranderem Frakturen an den Rippen und im linken Ober- und Unterschenkel sowie einen Milzriss erlitten. Zudem ein schweres Schädelhirn-Trauma und eine Schädelfraktur. Die Folgen waren unteranderem Wachkoma und zahlreiche Operationen gewesen.
Doch bis heute ist die Achtjährige stark eingeschränkt — von ihrem Leben vor dem Unfall ist kaum noch eine Spur. Die Eltern des Mädchens sind als Nebenkläger zu der Verhandlung erschienen. Die 35-jährige Mutter des Opfers berichtet eindrücklich und emotional, wie es um ihre Tochter steht: „Sie ist oft traurig, weil vieles, was vorher ging, jetzt nicht mehr geht. Unser Leben, wie es vorher war, existiert nicht mehr. Der Vormittag war geprägt von Schule, jetzt ist er geprägt von Therapiestunden.“ Die Achtjährige sei nun auf massive Hilfe angewiesen. Ihre linken Extremitäten seien gelähmt, rechts sei sie motorisch sehr eingeschränkt.
Hinzu kommen kognitive Störungen. Zum laufen benötige sie mindestens Orthesen, teilweise aber auch einen Rollator. Wenn sie zu erschöpft ist, sei sie auf einen Rollstuhl angewiesen. Zwar habe das Mädchen bereits positive Entwicklungen gemacht, aber „niemand kann uns sagen, wie weit es weitergehen wird“, zeigt sich die Mutter sichtlich besorgt.
Das sagt der Busfahrer
Der 72-jährige Busfahrer gibt an, an diesem Tag vertretungsweise die Tour gefahren zu sein. Er sei bis heute von dem Ereignis traumatisiert.
In der Gerichtsverhandlung sagt der Busfahrer, er habe das Mädchen über die Straße begleiten wollen. Durch ein anderes Kind sei er im Bus kurz abgelenkt gewesen. Daher habe er das kurze Zeit später verunfallte Mädchen gebeten, einen Moment auf ihn zu warten. Die Achtjährige sei dann alleine auf die Straße gelaufen. Das habe der 72-Jährige erst bemerkt, als der grausame Zusammenstoß bereits passiert war.
Ein „Schulbus-Schild“ habe der 72-Jährige am Morgen des Unfalltags am Heck des Busses befestigt. Das sei jedoch heruntergefallen, als er nach dem Unfall eine Rettungsdecke aus dem Kofferraum hat holen wollen. Das sei von den Polizeibeamten bestätigt worden.