Bad Berleburg. Achtsamkeit, Selbstfürsorge und Bedürfnisse sind tief in Annette Langenbachs Lebensphilosophie verankert. Warum das so ist, berichtet sie jetzt.

Der Frühling legt die Natur in ein zartes Grün. Ein kleiner Weg führt zu dem gepflegten Hof in Schüllar-Wemlighausen, auf dem Annette Langenbach lebt. Eine ruhige Oase oberhalb der Bundesstraße 480. Hier treffen wir die 48-jährige Kinderkrankenschwester, Stillberaterin und Yogalehrerin.

Im oberen Geschoss des Wohnhauses befindet sich der lichtdurchflutete Raum, in dem Annette Langenbach ihre Yogakurse leitet. Durch die großen Fenster sieht man Wiesen und Wälder und empfindet vor allem eines – Ruhe.

„Alles kann etwas Gutes haben, wenn man es zulässt“, sagt die 48-Jährige. Ein Schicksalsschlag vor zehn Jahren hat in Langenbachs Leben viel bewegt. „Der Suizid meines Bruders hat meine Welt verändert. Es war eine harte Zeit für unsere Familie. Doch so schlimm es war, heute sprechen wir auch darüber, was wir an positiven Dingen aus dieser Zeit mitgenommen haben.“

Achtsamkeit, Selbstfürsorge und Bedürfnisse sind tief in Langenbachs Lebensphilosophie verankert. Doch das war nicht immer so. Als Kinderkrankenschwester im Schichtdienst, als Stillberaterin mit Leib und Seele ständig erreichbar, alleinerziehend – Zeit für Selbstfürsorge war keine. „Ich hatte zwischen 2013 und 2015 drei Bandscheibenvorfälle und bin auf Empfehlung zum Yoga gekommen. Ich habe schnell gemerkt, dass sich dies nicht nur positiv auf meinen Körper auswirkt, sondern auch auf Geist und Seele. Yoga hat mich in meinem Fühlen verändert.“

Annette Langenbachs Wunsch zu einem Fotoshooting mit Elefanten ging im April 2021 in Erfüllung. 
Annette Langenbachs Wunsch zu einem Fotoshooting mit Elefanten ging im April 2021 in Erfüllung.  © Unbekannt | Annette Langenbach

Sie ist spiritueller geworden, glaubt daran, dass nichts ohne Grund geschieht und steht fester mit beiden Beinen im Leben als je zuvor: „Oftmals wird Yoga mit einer sehr speziellen Lebensweise assoziiert. Ich lebe weder vegan noch fliege ich mit einem Hexenbesen ums Haus“ , sagt die 48-Jährige lachend. „Wir leben auf der Erde und nicht in einer Zwischenwelt. Ich möchte authentisch sein und Yoga unterstützt mich dabei.“

Seit 2019 ist die 48-Jährige selbst Yogalehrerin. „Ich habe außerhalb von Corona fünf eigene Kurse. Die Nachfrage war von Anfang an groß. Momentan gebe ich pandemiebedingt nur Einzelstunden, auch diese sind sehr gefragt, die Menschen suchen nach Entspannung.“ Onlinekurse kommen für die 48-Jährige nicht in Frage. „Ich kann mich damit einfach nicht identifizieren,“ erklärt Langenbach.

Sich selbst kennenlernen

Stillberatung und Yoga haben für die 48-Jährige einige gemeinsamen Nenner. Intuition und Bedürfnisse spielen eine wichtige Rolle: „Was brauche ich gerade? Das ist die wichtigste Frage, sei es während des Wochenbetts, beim Stillen oder beim Yoga. Ich möchte meinen Patientinnen und TeilnehmerInnen helfen, sich selbst besser kennenzulernen und sich zu vertrauen. Ich sage oftmals zu den Partnern der frisch gebackenen Mütter: Ihr seid jetzt die Wochenbettmanager. Bietet eure Hilfe an! Wichtig ist mir aber auch, den Frauen zu vermitteln, dass sie da jetzt nicht allein durch müssen. In meiner Ausbildung zur Stillberaterin sagte eine Dozentin: Mütter müssen bemuttert werden. Dieser Satz ist bei meiner Arbeit immer präsent.“

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Greifbar für Patientinnen sein, ihnen durch die erste Zeit des Stillens helfen und gern darüber hinaus – manchmal mit Taten, oftmals mit Worten. „Wir müssen lernen, auf unsere Instinkte zu hören. Manchmal reicht es tatsächlich, den Stillenden zu sagen: Du machst alles richtig.“ Was früher der Familienverbund übernahm, braucht heute Hilfe von außen. „Die Frauen sind verunsichert. Was früher ganz natürlich von Generation zu Generation weitergegeben wurde, muss jetzt irgendwie erlernt werden. Und stillen geht weit über das Wochenbett hinaus. Bei Notfällen komme ich natürlich auch während der Pandemie nach Hause.“ Langenbach war es ein anliegen, die Frauen in der jetzigen Situation nicht allein zu lassen. „Die Mütter vereinsamen momentan. Das Stillcafé ist seit einem Jahr aufgrund der Pandemie geschlossen. Eine Zeit lang gab es nur telefonische Beratung. Als sich die Anfragen häuften, habe ich keine andere Chance gesehen, als Einzelsprechstunden anzubieten. Dabei sind 45 Minuten nichts, der Gesprächsbedarf ist wirklich enorm.“

Was macht die Stillberatung zu solch einem Herzensthema der 48-Jährigen?

„Stillen ist so viel mehr als Ernährung. Es ist vor allem die Bindung, die dieses Thema so wichtig macht. Eine Dozentin in meiner Ausbildung hat uns eine Studie vorgestellt: Jeden Tag werden vier Kinder in Deutschland Opfer häuslicher Gewalt. Das ist nur die Dunkelziffer. Und natürlich werden wir nur durch das Stillen die Welt nicht retten, aber in Familien, in denen Eltern und Kinder gut gebunden sind, ist das Risiko für Gewalt viel geringer. Und Bindung beginnt ganz am Anfang des Lebens. Wenn ich das vermitteln kann, dann habe ich schon viel geschafft.“

Nicht einfach ein Beruf

Es sind nicht einfach Berufe, denen Langenbach nachgeht. Es ist Leidenschaft und Lebenserfahrung gepaart mit Fachwissen, welches sie weitergeben möchte. Um zu helfen, wo Hilfe gebraucht wird. Ganz am Anfang des Lebens – in Krisen – während Umbrüchen.

Und so stehen wir in dem lichtdurchfluteten Raum, blicken auf Wiesen und Wälder und Langenbach erklärt: „Dieser Raum gehörte meinem Bruder. Ich habe ein Zeichen gesetzt – es geht immer weiter. Das Leben ist der beste Lehrer.“