Siegen-Wittgenstein. Das Verwaltungsgericht Arnsberg gibt einem Eilantrag gegen Regelung im Märkischen Kreis statt – das könnte bald auch für unsere Region passieren.
Das Verwaltungsgericht Arnsberg hat am Dienstag die nächtliche Ausgangssperre von 21 bis 5 Uhr im Märkischen Kreis gekippt – und genau das könnte jetzt auch im Kreis Siegen-Wittgenstein passieren, wo diese Regel seit dem Wochenende ebenfalls gilt. Jedenfalls könne die Entscheidung der Richter auch für unsere Region Gültigkeit bekommen, so Gerichtssprecher Stefan Schulte auf Anfrage unserer Redaktion, wenn die Allgemeinverfügung aus dem Siegener Kreishaus ähnlich begründet sei wie die der Kreisverwaltung in Lüdenscheid.
Märkischer Kreis
Kommentar: Regel läuft ins Leere
Typisch deutsch ist sie ja nicht, die nächtliche Ausgangssperre. Jedenfalls kann ich mich an keinen Fall erinnern, wo sie irgendwo in unserem Land über mehrere Tage oder Wochen angewendet wurde. Warum auch? Schließlich ist gerade in der Nacht auf Deutschlands Straßen ohnehin wenig bis gar nicht los – schon gar nicht im ländlichen Raum.
Hier lässt sich tatsächlich bezweifeln, ob solche Verbote einen vernünftigen Beitrag zur Bekämpfung des Corona-Virus leisten – vom Aufwand für Kontrollen durch Polizei und Ordnungsamt einmal ganz abgesehen. Das Augenmerk sollten die Ordnungshüter vielmehr auf illegale Treffen einiger Zeitgenossen legen.
Eberhard Demtröder
Konkret hatten die drei Verwaltungsrichter der 6. Kammer in Arnsberg einem von insgesamt zwölf Eilanträgen im Märkischen Kreis gegen die am vergangenen Donnerstag verhängte Ausgangssperre stattgegeben – weil „ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Regelung“ bestünden.
Die Ausgangsbeschränkung angesichts der drohenden Überlastung des Gesundheitswesens im Märkischen Kreis verfolge – bei einer aktuellen Sieben-Tages-Inzidenz von über 200 – zwar einen legitimen Zweck und stelle auch grundsätzlich ein geeignetes Mittel zur Pandemie-Bekämpfung durch Kontakt-Reduzierung dar, sagen die Richter, aber: Das Infektionsschutzgesetz in seiner derzeitigen Fassung stelle für die Anordnung von Ausgangsbeschränkungen hohe Anforderungen.
Danach seien solche nur zulässig, sofern ansonsten – auch bei Berücksichtigung aller bisher getroffenen anderen Schutzmaßnahmen – eine wirksame Eindämmung des Infektionsgeschehens „erheblich“ gefährdet wäre. Das allerdings habe der Märkische Kreis in seiner Allgemeinverfügung nicht hinreichend dargelegt. Es spreche vielmehr Vieles für eine nur sehr begrenzte Wirkung der Ausgangsbeschränkung. Ohnehin seien private Kontakte im Kreisgebiet bereits zuvor sowohl im öffentlichen wie im privaten Raum stark eingeschränkt worden.
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So haben der Kreis nicht hinreichend begründen können, „warum gerade private Kontakte zur Nachtzeit im Kreisgebiet einen ins Gewicht fallenden Anteil am gesamten Infektionsgeschehen haben sollen“, heißt es in einer Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts. Und schließlich sei die Annahme des Märkischen Kreises, „die nächtliche Ausgangsbeschränkung erleichtere Kontrollen, angesichts der Vielzahl und Reichweite der in der Verfügung geregelten Ausnahmen zweifelhaft“.
Kreis Siegen-Wittgenstein
Der Kreis Siegen-Wittgenstein begründet seine „Allgemeinverfügung vom 9. April 2021 zur Fortführung und Anordnung zusätzlicher Maßnahmen zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2“ samt „Ausgangsbeschränkung“ unter anderem damit, dass sich das Infektionsgeschehen im Kreis seit drei Wochen „deutlich über dem Infektionsgeschehen auf Bundes- und Landesebene“ entwickle und dass sich „das Infektionsgeschehen innerhalb der Bevölkerung verlagert“ habe – nämlich von den Alten- und Pflegeheimen in den privaten Bereich und die Unternehmen.
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Die bisherige Anordnung der Kontaktbeschränkungen im privaten Raum durch die Allgemeinverfügung vom 24. März 2021 und die Weiterführung in dieser Verordnung reichten noch nicht aus, so der Kreis in seiner Verfügung weiter, „um eine hinreichende Reduzierung der infektionsriskanten Kontakte zu erzielen, zumal sie nicht flächendeckend, sondern lediglich anlassbezogen kontrolliert und durchgesetzt werden kann“. Vor diesem Hintergrund „wäre eine wirksame Eindämmung der Verbreitung des Virus im Kreisgebiet auch bei Berücksichtigung aller bisher getroffenen Schutzmaßnahmen erheblich gefährdet“.
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Angeordnet würden die zusätzlichen Schutzmaßnahmen über die Coronaschutzverordnung hinaus „im Einvernehmen mit dem Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS NRW)“.
Der Kreis Siegen-Wittgenstein will für das weitere Vorgehen zunächst eine Entscheidung aus Arnsberg für unsere Region abwarten.
Vorliegende Eilanträge
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Derzeit sind bei der 6. Kammer des Verwaltungsgerichts noch elf weitere Eilanträge gegen den Märkischen Kreis anhängig – und vier gegen den Kreis Siegen Wittgenstein, die von Privatleuten aus Siegen, Kreuztal, Wilnsdorf und Freudenberg stammen. Mit letzteren wollen sich die Arnsberger Richter heute oder morgen beschäftigen.
Gegen die eingangs erwähnte Entscheidung des Arnsberger Verwaltungsgerichts kann Beschwerde vor dem Oberverwaltungsgericht für NRW in Münster erhoben werden. Az.: 6 L 286/21