Erndtebrück/Siegen. Der Sachverständige kann eine eingeschränkte Steuerungsfähigkeit des Angeklagten nicht ausschließen. Im April wird der Prozess fortgesetzt.

Erneut befasste sich am Freitagmorgen das Landgericht in Siegen mit dem Fall einer mutmaßlichen Vergewaltigung. Ein Sachverständiger soll nun für mehr Klarheit sorgen. Der nächste Verhandlungstag ist für Anfang April angesetzt.

Der Tatvorwurf

Ein kurzer Blick zurück: Es ist der 18. März 2020. An diesem Tag sagt eine Frau aus, sie sei vergewaltigt worden. Kurz darauf nimmt die Polizei in Tatortnähe einen jungen Mann (22) fest, der allerdings vehement jede Verantwortung zurückweist und seine Unschuld beteuert. Auch seine Freundin, die ihn noch am gleichen Abend trifft, will nichts Auffälliges bemerkt haben. Ihr Freund mache so etwas nicht, so ihre Aussage. Doch dann gibt es da ein Gutachten, das DNA-Spuren des Opfers in der Harnröhre des Mannes nachweist.

Verteidiger Uwe H. Krechel wird misstrauisch und schreibt an die Strafkammer: Nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens sehe er keine Möglichkeit mehr, seinem Mandanten eine Verurteilung zu ersparen, stellt der knorrige Rheinländer fest. Er habe eine Belastungszeugin gehört, deren glaubhafte Aussage er nicht widerlegen könne. Zugleich aber halte er seinen Mandanten nicht für einen skrupellosen Verbrecher. Der sei „ein Mann der Irrationalität, der Drogensucht, der Verwahrlosung“, aber mit seinen 22 Jahren noch nicht völlig verkommen. Wenn der ihm nun sage, „ich glaube nicht, dass ich das getan habe, aber ich weiß es nicht“, müsse ihm einfach der Gedanke kommen, ob da nicht eine psychiatrische Begutachtung geboten sei. Zumal er bei der Festnahme selbst für die Polizei ungewöhnlich desolat gewirkt habe: „Ich weiß auch nicht, warum man bei einer Vergewaltigung Schuhe und Strümpfe verlieren muss.“

Der Angeklagte

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Bereits mit zwölf Jahren kam der Angeklagte mit Cannabis in Kontakt, mit 16 Jahren folgten die härteren Drogen. Auch am Tatabend habe der Mann reichlich Drogen konsumiert und Alkohol getrunken. „Mein Kopf war Matsche“, soll er erklärt haben. Bei einem Gespräch sei ihm dann aufgefallen, dass sein Mandant Probleme mit einfachsten Fragen gehabt habe, „die mir sogar Grenzdebile beantworten können“, erklärt Krechel. Es sei seinem Mandanten nicht möglich gewesen, zu erklären, was seine Eltern arbeiten. Dennoch wolle er nicht von einer völligen Schuldunfähigkeit sprechen. Er hoffe auch schwer darauf, keinen Mandantenverrat zu begehen und diesem möglicherweise statt einer Verhaftung eine Drogentherapie in geschlossener Einrichtung zu verschaffen. Andererseits gehe es aber auch um die Sicherheit aller. Und es sei nun einmal nach dem Verlauf der Verhandlung nicht abzuleugnen, dass sein Mandant einer Frau in der Dunkelheit Gewalt angetan habe.

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Bereits am Vortag hatte das Gericht im Zuge einer anderen Hauptverhandlung mit Nervenarzt Dr. Bernd Roggenwallner Kontakt gehabt und diesem bereits die Unterlagen übersandt. Der Sachverständige habe danach eine eingeschränkte Steuerungsfähigkeit des Angeklagten nicht ausschließen können, sagt die Vorsitzende Elfriede Dreisbach. Der Angeklagte ist bereit zur Untersuchung. Am nächsten Verhandlungstag Anfang April sollen dann auch noch einmal dessen Freundin, seine Eltern sowie die Geschädigte für Fragen des Gutachters zur Verfügung stehen.