Erndtebrück/Eiserfeld. Der frühere Hausarzt Dr. Hans-Joachim Kunz (72) macht freiwillig Dienst im Impfzentrum Eiserfeld. Und erklärt im Interview, wie es dazu kam.
Heute soll es im Eiserfelder Impfzentrum losgehen: Ab 14 Uhr steht der erste Impftermin für das medizinische Personal dort im Kalender. Als Freiwilliger im Bereitschaftsteam dabei: Dr. Hans-Joachim Kunz (72), ehemaliger Hausarzt in Erndtebrück. Beim Gespräch mit unserer Redaktion verrät er, wie er zu seinem Einsatz gekommen ist – übrigens erst einmal zwei Tage die Woche auf Abruf.
Warum haben Sie sich als ehemaliger Hausarzt für die Mithilfe im Eiserfelder Impfzentrum gemeldet?
Dr. Hans-Joachim Kunz Wir Ärzte haben vor einiger Zeit eine Mitteilung der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Westfalen-Lippe bekommen. Darin wurde dazu aufgerufen, dass sich vor allem verrentete Kollegen zur Verfügung stellen. Und ich fühle mich gesund, habe mir gesagt: Diese Impf-Sache kannst Du noch machen. Eine Frage war auch: Wieviele Tage in der Woche wäre ich bereit? Da habe ich mich jetzt erst einmal auf zwei Tage pro Woche festgelegt. Später sind es vielleicht fünf Tage. In Corona-Zeiten kann man ja eh nicht viel machen, keinen Stammtisch, nichts. Ich warte jetzt auf einen Dienstplan von der KV, die den Betrieb im Impfzentrum ja auch organisiert.
Steckbrief: Dr. Hans-Joachim Kunz
Hans-Joachim Kunz (72) wächst in einem Dorf bei Limburg auf, ist einer von zwei Zwillingsbrüdern. Als gelernter Kaufmann holt er schließlich am Hessen-Kolleg Wetzlar das Abitur nach, macht ein Krankenpflege-Praktikum am Krankenhaus in Limburg und studiert schließlich Medizin in Marburg.
Nachdem er Assistenz-Stellen in Duisburg, Altenhundem, Meschede und in Siegen angenommen hat, eröffnet der Allgemeinmediziner im August 1983 eine eigene Hausarzt-Praxis an der Marburger Straße in Erndtebrück, die er 38 Jahre lang betreibt.
Die Hobbys des 72-Jährigen: Wandern, Radfahren, Jagdhornblasen und die Jagd – wenn auch inzwischen „nicht mehr aktiv“. Außerdem ist Kunz nach eigenen Angaben „in fast allen Vereinen Erndtebrücks Mitglied“.
Wie lange liegen Ihre letzten Sprechstunden zurück?
Von 2011 bis 2014 war ich der dritte Mann in der Gemeinschaftspraxis Haas/Röhl und habe danach erst einmal meinen Ruhestand genossen. Dann aber kam ein Notruf meines Bad Laaspher Kollegen Dr. Jörg Weidemann: „Kannst Du Dir vorstellen, bei mir als angestellter Arzt noch einmal anzufangen?“ Und nachdem ich eine Nacht darüber geschlafen hatte, war ich noch bis April 2020 angestellter Arzt bei Weidemann. Jetzt genieße ich die Ruhe – und vor allem, dass ich morgens länger schlafen kann.
Und wie sieht es mit Ihrer Gesundheit aus?
2019 habe ich mich als Koronar-Patient operieren lassen – fünf Bypässe. Dann kam die Reha. Inzwischen bin ich aber wieder gut drauf, laufe oft zehn Kilometer am Tag. Und letztes Jahr bin ich insgesamt 2000 Kilometer mit dem Rad unterwegs gewesen, oft mit meiner Frau. Hier in Wittgenstein, aber auch anderswo in Deutschland. Mit dem Fahrrad unterwegs zu sein – das ist echtes Herz-Training.
Die Impfungen in Eiserfeld beginnen in dieser Woche ganz offiziell. Haben Sie sich mit dem provisorischen Impfzentrum in einem ehemaligen Baumarkt schon vertraut gemacht?
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Also, vor Ort in Eiserfeld war ich überhaupt noch nicht. Ich weiß gar nicht, wie es da aussieht. Bloß, dass vorerst von 14 bis 20 Uhr geimpft wird – und wenn‘s später richtig läuft, dann von 8 bis 20 Uhr.
Meine beiden Tage dort in der Woche sind Dienstag und Donnerstag. Vielleicht bin ich dann an meinem ersten Dienstag schon am Vormittag in Eiserfeld, um mich zu orientieren, mich in die Abläufe einweisen zu lassen. Ich bin jetzt 42 Jahre approbierter Arzt, das mit dem Impfen kann ich also. Außerdem müssen die Patienten vorher noch über das Impfverfahren aufgeklärt werden.
Für die erste Woche stehen meines Wissens 1080 Dosen zum Verimpfen bereit – das ist ja eigentlich nichts. Geplant sind rund 170 Impfungen pro Tag – da könnte ich mir aber auch höhere Zahl vorstellen. Die einzelne Impfung mit ein paar Millilitern Serum dauert nur ein paar Sekunden. Mal sehen, wie es läuft – bei den Älteren vielleicht etwas langsamer.
Bedeutet Ihr freiwilliger Einsatz, dass Sie täglich von Erndtebrück nach Eiserfeld pendeln? Mit Bus und Bahn? Im Auto?
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Jaja, die Fahrerei – da habe ich auch erst einmal gezögert, hatte auf den Weg nach Eiserfeld erst keine Lust. Aber ich bin ja Rentner, hab‘ ja Zeit. Ich gehe mal mindestens von einer Stunde Fahrtzeit mit dem Auto aus. Schließlich liegt das Impfzentrum ja auch am anderen Ende von Siegen. Dass andere Ärzte-Kollegen aus Wittgenstein so wie ich auch dahin fahren, habe ich übrigens noch nicht gehört.
Was glauben Sie: Wie lange wird Ihre Mission im Impfzentrum dauern? Wären Sie dann später auch in mobilen Teams unterwegs?
Ich denke schon, dass das bis in den Sommer reingeht. Bis Ende Juli, wenn nicht sogar noch länger. Das Jahr 2021 können wir eigentlich komplett abhaken, auf Corona bezogen. Was die Zeit in Eiserfeld vorzeitig beenden könnte: Wenn genügend Impfstoff bei Hausärzten gelagert werden kann. Das wäre dann auch für die Patienten aus Wittgenstein genau das Richtige. Das wäre die sinnvollste Lösung. Als Hausarzt kann ich mit dem Impfen allerdings nicht weitermachen, denn eine Kassenzulassung hab‘ ich ja nicht mehr. Ich dürfte aber Leistungen als angestellter Arzt erbringen – dann müsste mich ein Hausarzt-Kollege dafür engagieren.
Wie bewerten Sie die aktuelle Diskussion um Wittgenstein als Standort für ein zweites Impfzentrum?
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Das habe ich schon gefördert und befürwortet. Wir leben in einem Flächenkreis – da muss man doch drauf kommen, dass es für Wittgenstein ein ziemliches Vorhaben ist, nur ein Impfzentrum einzurichten. Also, da hat man nicht nachgedacht. Und es ist durchaus machbar – sei es auch nur in den Wittgensteiner Bürgerhäusern. Die Logistik wie bei einem DRK-Blutspendetermin wäre jedenfalls vorhanden.
Was empfehlen Sie den Wittgensteinern, die sich gerade um eine Impfung möglichst bald bemühen?
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Sowohl online als auch telefonisch ist das mit der Anmeldung eine Katastrophe. Ich kenne ein Ehepaar aus Erndtebrück, das hat zwei getrennte Termine bekommen – und muss sich jetzt x-mal von Verwandten nach Eiserfeld fahren lassen. Da sträuben sich mir die wenigen Haare, die ich noch habe. Und die Einzeltermine seien aus Datenschutz-Gründen nötig. Ich sage den Leuten: Lasst Euch impfen, so schnell es geht.
Ich bin allerdings gegen die Reihenfolge, in der das Impfen gerade passiert. Für mich wären die Kräfte bei Feuerwehr, Rettungsdiensten und Polizei, außerdem Mediziner und Krankenschwestern die Nummer eins. Denn die sichern doch unsere Versorgung, sind im Gesundheitswesen aktiv. Aber vielleicht lässt sich diese Gruppe ja bald mit dem AstraZeneca-Serum vorziehen. Und 70 Prozent Impfschutz reichen schon.
Was sagen Sie den Impfgegnern?
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Ach, mit denen habe ich doch schon vor 40 Jahren zu tun gehabt. Da gab es Kinder ohne Impfschutz, wo die Mutter die klassische Impfgegnerin war. Dabei hat es relevante Impfschäden in den letzten Jahren gar nicht mehr gegeben. Und gerade bei Impfstoffen auf mRNA-Basis ist es fast ausgeschlossen, dass es zu relevanten Nebenwirkungen oder starken allergischen Reaktionen kommt. Und auch Langzeitschäden sind nicht zu erwarten. Da wird viel Unfug geredet. Ich sage: Die Impfstoffe sind sehr sicher.
Irgendwann im Lauf des Jahres sollen die Impfungen auch in den Hausarzt-Praxen stattfinden. Was meinen Sie: Ist das für Ihre Berufskollegen zumutbar?
Das mit dem Impfbedarf wird sich ja auch noch entspannen. Ich denke, das lässt sich sehr gut planen. Und wir als Hausärzte haben ja schon immer geimpft, da sehe ich kein großes Problem. Und das können auch alle Fachärzte.
Nochmal zurück ins Jahr 2011: Damals haben Sie sich dafür entschieden, Ihre Arztpraxis an der Marburger Straße aufzugeben und mit den Erndtebrücker Kollegen Haas/Röhl gemeinsame Sache zu machen. Warum eigentlich?
Weil ich da ja schon das Alter hatte – da war ich schon 63. Damit war es für mich auch leichter planbar, die Praxis am Ende abzugeben. Und es wäre ohnehin schwer gewesen, einen Nachfolger dafür zu finden. Der Landarzt ist halt eine aussterbende Rasse, leider.
2004: Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) streicht dem Kreiskrankenhaus in Bad Berleburg ambulante Darm- und Magenspiegelungen für Kassenpatienten – da haben auch Sie damals Bedenken geäußert, ob das die niedergelassenen Wittgensteiner Internisten ersatzweise stemmen können. Sind Sie in Ihrem Fach ein streitbarer Geist?
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Das war damals ein Skandal. Das waren zwei Internisten aus Siegen, die hatten das beantragt. Dabei waren die Wittgensteiner Patienten damals froh, dass sie diese Spiegelungen noch vor Ort bekommen konnten. Die KV hatte den Antrag dann zwar erst abgelehnt, die Siegener Ärzte später aber vor dem Sozialgericht aber Recht bekommen. Kurz danach wurde politisch geregelt, dass die Leistungen in Bad Berleburg erhalten blieben. Zum Glück.
Letzte Frage: Haben Sie womöglich schon selbst einen Impftermin?
Tatsächlich soll ich an dem Tag, wo ich im Impfzentrum anfange, die erste Impfung gegen Corona bekommen – denn die Mitarbeiter des Zentrums müssen besonders geschützt werden. Sich bei dem freiwilligen Einsatz auch noch Covid-19 zu holen, wäre ja auch fatal.