Siegen/Erndtebrück. Angeblicher QAnon-Anhänger behauptet online, als Bundeswehrsoldat im Kreisgesundheitsamt Kontakte zu verfolgen. Der Militärgeheimdienst ermittelt

Ein Corona-Verschwörungserzähler behauptet, als Bundeswehrsoldat im Kreisgesundheitsamt zu arbeiten. Die Person ist laut seinen eigenen Angaben Anhänger der sogenannten QAnon-Verschwörungsideologie.

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In einer Gruppe beim Messengerdienst Telegram, in der sich Corona-Skeptiker und „Querdenker“ aus Siegen-Wittgenstein austauschen, schreibt die Person, am Luftwaffenstützpunkt Erndtebrück stationiert und derzeit zur Kontaktverfolgung beim Kreisgesundheitsamt abkommandiert zu sein.

Telegram: Tummeplatz für Verschwörungsideologen

Ob das tatsächlich stimmt, ist nicht sicher. Auf Telegram tummeln sich zahlreiche Verschwörungsideologen, die gezielt Falschinformationen verbreiten. Die Plattform verheißt eine gewisse Anonymität und wird kaum moderiert. Gleichzeitig bietet sie eine gewisse Öffentlichkeit und vergleichsweise einfachen Zugang. Um solchen Gruppen zu folgen, braucht es lediglich einen Account, für den kaum persönliche Daten hinterlegt werden müssen.

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Bekanntere Vertreter der „Querdenker“-Szene wie beispielsweise Attila Hildmann nutzen Telegram als Kommunikationsmittel, weil die großen Plattformen wie Facebook oder Youtube sie aufgrund andauernder Falschbehauptungen und Hetzereien gesperrt haben. Auch Kundgebungen wie die im Sommer in Berlin, als die Polizei Wasserwerfer gegen Coronaskeptiker einsetzte, werden vorwiegend über Telegram organisiert.

Angeblicher Soldat in der Truppe und privat isoliert – alle Kameraden trügen Maske

Seinen Schilderungen zufolge ist der angebliche Soldat mit seinen Ansichten isoliert, sowohl in der Truppe als auch privat. „So Leute, da ich ja bei der Bundeswehr bin und ab heute zur Amtshilfe eingeteilt bin, kann ich direkt ab heute aus erster Hand berichten“, schreibt die Person, die sich in der Gruppe „K“ (Name geändert) nennt. Auf Nachfragen anderer Mitglieder berichtet er zu verschiedenen Themen.

QAnon: Wie so oft bei Verschwörungsideologien bleiben die Angaben vage. „K“ habe vieles durch die Bewegung „herausgefunden“, was ihn zu dem Entschluss gebracht habe, dass die Bundeswehr „und alles was mit dem System zu tun hat“ nicht der richtige Ort für ihn sei. Er wolle sich einen Ausbildungsplatz suchen und bei einem Militärpfarrer verschiedene Gründe anführen, warum er nicht länger dienen wolle.

Was ist QAnon?

Die Gruppe QAnon ist in den USA entstanden und verbreitet etwa seit 2017 rechtsextreme Verschwörungstheorien im Internet.

Zentrale und beleglose Behauptung: Eine weltweit agierende, satanistische Sekte entführe Kinder, halte sie gefangen, foltere und ermorde sie, um aus ihrem Blut eine Verjüngungsdroge zu gewinnen. Der ehemalige US-Präsident Donald Trump bekämpfe diese „Elite“ und einen angeblichen Staat im Staate.

Die Bewegung geht zurück auf den anonymen Nutzer „Q“ im Online-Forum „4chan“, der behauptete, ein hoher US-Regierungsbeamter zu sein. Diverse QAnon-Anhänger begingen in den USA Gewalt- und Straftaten. Für Aufsehen sorgte bei den Randalen im Kapitol der als „QAnon-Schamane“ bekannt gewordene „Jake Angeli“.

Kameraden: Er sage seine Meinung regelmäßig, behauptet „K“. Ein Stabsoffizier habe nach einer solchen Diskussion gefragt, ob er nicht Angst habe, dass er gemeldet würde. Ein Hauptfeldwebel habe ihm einmal einen Aluhut gebastelt. Die Stimmung in der Truppe sei einheitlich: Alle Kameradinnen und Kameraden befürworteten die Corona-Maßnahmen, FFP2-Masken würden den ganzen Tag getragen. „Ich denke mir meinen Teil dabei, sollen sie ihre Gesundheit versauen“, meint „K“. Er lasse sich „von so dummem Geschwätz nicht beeindrucken“, er habe schon öfter seine Meinung gesagt, aber nun genug davon, die anderen „sind unbelehrbar“.

Impfen: In seinem Umfeld kenne er nur zwei Personen, die die Corona-Maßnahmen ebenfalls ablehnen würden beziehungsweise gar nicht an eine Pandemie glauben, so „K“. Der eine werde sich dennoch impfen lassen, der andere sei überaus kritisch – obwohl dessen Frau sogar beim Impfstoff-Hersteller Biontech arbeite und sie sich auf jeden Fall impfen lassen würde, „weil sie weiß was drin ist“. Eine beliebte Behauptung der „Querdenker“ ist die Erzählung, dass es sich bei dem mRNA-Impfstoff um eine Erbgut verändernde Substanz handelt. Auch längst widerlegte Aussagen zu Langzeitfolgen und Nebenwirkungen gehören zu dieser Ideologie dazu.

Verteidigungsministerium: Militärischer Abschirmdienst MAD geht Hinweisen nach

Die Bundeswehr werde den Hinweisen umgehend nachgehen, heißt es dazu auf Anfrage dieser Zeitung aus dem Verteidigungsministerium. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass von mindestens einem der Beteiligten zu einer Straftat aufgerufen werden soll. Der Fall wurde dem Militärischen Abschirmdienst (MAD) übergeben, dem Geheimdienst der Bundeswehr.

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Die Kreisverwaltung hat keine Kenntnis von dem Fall, die Soldatinnen und Soldaten leisteten laut der Führungskräfte im Gesundheitsamt bei der Kontaktverfolgung hervorragende Arbeit, es gebe keinerlei Anhaltspunkte oder Auffälligkeiten, sagt Landrat Andreas Müller. Sollte sich herausstellen, dass an den Behauptungen tatsächlich etwas dran sei und die Person sich Fehlverhalten habe zuschulden kommen lassen, werde man die Bundeswehr bitten, sie nicht weiter einzusetzen. Alles weitere liege dann beim Dienstherrn.

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