Wittgenstein. Politische Akteure wenden sich per Brief direkt an die NRW-Landesregierung in Düsseldorf. Nutzbare leerstehende Gebäude gebe es genug.

Die SPD in Wittgenstein kämpft weiter darum, dass alle Senioren aus dem Altkreis die Chance haben, ohne stundenlange Fahrten mit Bus und Bahn an den notwendigen Corona-Impfschutz zu kommen – und wendet sich jetzt direkt an die NRW-Landesregierung in Düsseldorf. Leerstehende Gebäude für ein eigenes Wittgensteiner Impfzentrum wie die ehemalige Schlossberg-Klinik in Bad Laasphe oder die frühere Rothaarklinik in Bad Berleburg gebe es genug.

„Wir fordern Sie [...] auf, schnellstmögliche Alternativen für den ländlichen Raum zu entwickeln, die auf eine Erreichbarkeit der Impfungen gegen Sars-CoV2/COVID19 mit öffentlichen Verkehrsmitteln in maximal einer Stunde hinauslaufen“, schreiben die drei SPD-Fraktionschefs Andreas Meinecke aus Bad Berleburg, Samir Schneider aus Bad Laasphe und Tim Saßmannshausen aus Erndtebrück in gleichlautenden Briefen an NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann und NRW-Ministerpräsident Armin Laschet. „Sofern ein solcher wohnortnaher und barrierefreier Zugang zur Impfung jedoch nicht zeitnah umgesetzt wird, sehen wir das Erreichen des Impfziels von 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung für unmöglich an.“

Einfache Fahrt oft über drei Stunden

Bereits bei einfacher Betrachtung der Verteilung der Impfzentren in NRW falle sofort auf, dass „keine Region in NRW weiter vom jeweils zuständigen Impfzentrum entfernt liegt, als die Ortschaften im nördlichen und östlichen Wittgenstein“, erläutern die SPD-Politiker mit Verweis auf die einsatzbereite Einrichtung, die der Kreis Siegen-Wittgenstein im Siegener Stadtteil Eiserfeld installiert habe.

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Wenn ein eigenes Auto verfügbar sei, „kann das Impfzentrum von Wittgenstein aus in 45 bis 60 Minuten erreicht werden, sofern Witterung und Verkehrslage dies zulassen. Für viele unserer Bürgerinnen und Bürger jedoch, die nicht über ein eigenes Fahrzeug verfügen, bedeutet die einfache Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln ein Anreise von teilweise über drei Stunden“, heißt es in dem Brief weiter. Und wenn der Impftermin am Nachmittag liege, werde „eine Rückfahrt am selben Tag nicht mehr möglich sein. Wir halten das insbesondere für die Gruppe der älteren Mitbürger für nicht zumutbar“.

Befürchtung: Hemmschwelle wird höher

Bei solchen Szenarien werde im Übrigen auch die Hemmschwelle der Wittgensteiner höher, sich überhaupt impfen zu lassen, fürchtet Tim Saßmannshausen. Und von Girkhausen oder Wunderthausen betrage die Fahrtzeit nach Eiserfeld gar dreieinhalb Stunden, hat Andreas Meinecke mal anhand der Fahrpläne für Bus und Bahn ausgerechnet.

Sicher: Die geplanten mobilen Impfteams, die zusätzlich die Impfungen in den Alten- und Pflegeheimen auch in Wittgenstein übernehmen sollen, seien zwar „ein guter Ansatz“, so die Fraktionschefs weiter in ihrem Brief, „aber nicht die alleinige Lösung. Gerade bei uns auf dem Land werden viele ältere Menschen Zuhause von der Familie gepflegt und betreut oder können noch alleine und selbstständig leben und sich wohnortnah versorgen“, jedoch: Gerade diese Hochrisikogruppe werde „nach den aktuellen Plänen von den mobilen Impfteams nicht erfasst – und die Hausärzte sind bei der Impfung zunächst außen vor“. Ohnehin sei die Lage bei den Wittgensteiner Hausärzten momentan „sehr schwierig“, sagt Samir Schneider – und hat dabei die oft langen Warteschlagen an den Bad Laaspher Praxen vor Augen.

SPD: Impftaxis für Senioren keine Alternative

Impftaxis für Senioren, wie sie einige Städte und Gemeinden in NRW für Fahrten zum zuständigen Impfzentrum fordern, halten die Wittgensteiner SPD-Politiker jedoch für keine Alternative. Zumal viele Ärzte, die freiwillig im Eiserfelder Impfzentrum tätig seien, aus Wittgenstein kämen.

Ein Impfzentrum für Wittgenstein, mobile Impfteams in den Altenheimen und später auch die Hausärzte zusätzlich – das ist aus Sicht von Samir Schneider die richtige „Kombi-Strategie“. Dabei sei im Übrigen eben nicht das Bad Berleburger Krankenhaus ein Ort für die anstehenden Reihen-Impfungen.

Kampf "gerne auch fraktionsübergreifend"

Den Kampf um ortsnahe Impfungen in Wittgenstein würden die SPD-Fraktionschefs „gerne auch fraktionsübergreifend“ führen, macht Andreas Meinecke deutlich. So geht eine Kopie des Schreibens nicht nur an Landrat Andreas Müller, der seinen Einsatz für ein Wittgensteiner Impfzentrum bereits signalisiert hat, sondern beispielsweise auch an die heimische CDU-Landtagsabgeordnete Anke Fuchs-Dreisbach. Meinecke: „Je breiter unsereFront, desto besser.“

Über 12.000 Wittgensteiner im Senioren-Alter

Im Altkreis Wittgenstein liegt der Anteil der Bevölkerung im Alter von 60 oder mehr Jahren laut NRW-Statistik (Stand: 31.12.2019) bei etwa 31 Prozent. Das macht eine Zahl von rund 12.260 Menschen aus. 80 Jahre oder älter sind allein etwa 7,6 Prozent der Bewohner Wittgensteins, also rund 3000 Personen.