Wittgenstein. Schluckbeschwerden, vorgelagerter Würgereflex und Zahnfehlstellungen: Logopädie ist viel mehr als nur eine Hilfe bei Sprachproblemen.

32 Grad. Die Sonne scheint und in den Eiscafés füllen sich die Plätze. Eis, kühle Getränke, kalte Früchte – an solchen Tagen schmeckt dies besonders gut. Doch nicht alle Menschen können so etwas genießen. Menschen mit Schluckproblemen oder mit einem vorgelagerten Würgereflex. Menschen, denen Logopäden wie Beate Stephan von der Logopädie in Wittgenstein hilft, wieder ein normales Leben zu führen. Denn in den meisten Fällen geht es nicht nur um die Stimme oder das Sprechen an sich – sondern auch um viel tiefgründigere Probleme. Probleme, die einen Menschen in seinem Alltag sehr einschränken können.

Die Behandlungsfelder

„Wir sind wie kleine Detektive“, so Beate Stephan, die sich 2007 mit ihrer ersten Praxis selbstständig machte. Heute befindet sich die Logopädie in Wittgenstein in allen drei Kommunen. In ihren Praxen behandeln Beate Stephan und ihr Team zahlreiche Symptome – von A wie Atmung bis Z wie Zahnfehlstellungen. Letzteres verdanken sie einer Weiterbildung. „Nun gehören wir zu den NF!T – Therapeuten für den Mund. Zu unserem Spektrum gehören nun unter anderem auch die Mitbehandlung von Zahn- und Kieferfehlstellungen und der Behandlung von vorverlagerten Würgereflex und fehlender Nasenatmung“, so die 55-jährige Dotzlarerin. Doch zu ihren Arbeitsfeldern gehört so viel mehr. „Viele denken bei Logopädie immer an Kinder und Sprachstörungen – aber Logopädie kann mehr.“

Heute halten sich junge und erwachsene Patienten die Waage. Dabei wird besonders bei den Kindern geschaut, dass die Therapie „mit so viel Spaß und so direkt wie möglich“ stattfindet. „Natürlich spricht man ein Kind anders an, als einen Erwachsenen. Aufgesetztes Gehabe können Kinder überhaupt nicht leiden und dann bekommt man auch keinen guten Kontakt mit ihnen hin. Also ich bin sehr direkt mit meiner Arbeit und arbeite mit Belohnungen und viel Spaß. Das ist das A und O – kommt das Kind nicht gerne hier her, habe ich keine Chance oder aber, es dauert ewig.“

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Aber es gibt auch Parallelen – auch Erwachsene sollten Spaß an der Therapie haben. Denn dann kommen auch die Erfolge schneller. „Ich habe einen Patienten, der immer gestottert hat. Nach wenigen Sitzungen konnte er bereits fehlerfrei einen Text vortragen“, sagt die Logopädin stolz. „Wir merken erst, wie wichtig Sprechen, Schlucken und das alles für uns ist, wenn wir es nicht mehr können.“

Die Patienten

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So breit das Behandlungsfeld so verschieden auch die Patienten. Stotterer, Polterer, Menschen mit Schluckproblemen, aufgedunsenem Gesicht oder Problemen in der Lautentwicklung – sie alle finden Hilfe bei der Logopädie in Wittgenstein. „Es geht nicht nur um das Kind, das nicht richtig sprechen kann, sondern auch um neurologische Erkrankungen. Zum Beispiel um Menschen, die nach einem Schlaganfall nicht mehr richtig sprechen können. oder nicht mehr richtig verstehen, was sie sagen. Noch viel wichtiger aber ist die Dysphagie – also die Fähigkeit zu schlucken. So etwas ist lebensnotwendig.“

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Und die kann durch eine neurologische Erkrankung verloren gehen. Durch verschiedene Trainingsmethoden und Stimulationen kann sie aber wieder antrainiert werden. „Das ist für die Lebensqualität so wichtig. Wenn wir uns vorstellen, dass wir nicht mehr in der Lage sind, ein normales Mittagessen zu uns zu nehmen, dann ist das Leben ganz schön fad.“

So verhält es sich auch mit der Stimme – wenn beispielsweise nach einer OP ein Stimmband ausfällt. „Dann ist die Stimmqualität meistens schlecht. Oder aber, die Stimme ist gut und die Atmung ist schlecht.“

Die Abläufe

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Die meisten Patienten kommen auf ärztlichen Rat und Verordnung. „Das ist wichtig, da wir auf Auftrag arbeiten. Aber es gibt auch ein paar Patienten, die von sich aus kommen und die Kosten selber tragen“, so Stephan. 45 Minuten dauert eine Sitzung. In der ersten Stunde geht es um die Diagnostik. „Dort werden dann verschiedene Tests durchgeführt. Wir müssen ganz genau schauen, an welchem Punkt sich das Problem befindet.“ Aber auch der Kindheitsverlauf jedes einzelnen spielt eine wichtige Rolle. „Es gibt Menschen, da liegt die Ursache gar nicht so tief, bei anderen jedoch sind sie psychisch bedingt.“ Wie ist die Kindheit verlaufen? Wie empfindet er sich jetzt?

Da ist der kleine Junge der lispelt und vielleicht auch noch andere Probleme beim Lauterwerb hat. „Das Lispeln wird von der Gesellschaft bei kleineren Kindern häufig als niedlich empfunden, als normal. Und das Kind wächst heran und das Lispeln wird weiterhin ignoriert. Es setzt sich immer weiter fort. Und das schlimme dabei ist: Die Zuhörer folgen dem Lispeln mehr als dem Inhalt und das schränkt ganz schön ein.“

Die Entwicklung

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Wie aber sieht es mit den Fallzahlen aus. Bemerkt man auch bei der Logopädie einen Anstieg der sprachlichen Probleme? „Ich kann das nicht wissenschaftlich belegen, sondern nur das wiedergeben, was wir in den letzten Jahren festgestellt haben. Und da merken wir, dass immer öfter ein Mundbild fehlt, weil die Kinder sehr viel vor dem Fernseher oder dem Handy sitzen. Und da gibt uns niemand ein adäquates Mundbild, das für den frühen Lauterwerb wichtig ist.“ Daher ist es wichtig, in den jungen Jahren den Kindern vorzulesen und später gemeinsam zu lesen und zu singen.