Bad Berleburg: Kinderschädel und Münze ausgegraben
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Bad Berleburg. Ein Schaufenster in die Stadtgeschichte sind die Grabungen auf dem Goetheplatz. Vor der Neugestaltung haben Archäologen Interessantes freigelegt.
Die Münze lag auf der Treppe, die hinunter in die Fürstengruft führt. Jahrhunderte hatte Erde das Geldstück bedeckt, bis die Bauarbeiten zur Neugestaltung des Goetheplatzes in den vergangenen Wochen einen tiefen Einblick in die Stadtgeschichte Bad Berleburgs gewährten und die Münze zurück ans Tageslicht führten.
„Es ist fast so, als hätte sie da gefunden werden sollen“, sagt Rafael Roth über die kleine, unscheinbare und nur wenig abgegriffene Münze aus dem Jahr 1806. Gemeinsam mit seinem Kollegen, Grabungsarchitekt Dr. Nils Hellner hat Roth 20 Tage lang im Auftrag des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe die Bauarbeiten auf dem Goetheplatz in Bad Berleburg begleitet.
„Wir waren sicher, dass wir dort etwas finden würden. Jetzt hat sich das bestätigt“, sagt auch Dr. Eva Cichy vom LWL. Gemeinsam mit Prof. Dr. Michael Baales und den beiden Archäologen vor Ort lobt sie die Unterstützung durch den Bad Berleburger Architekten Hans-Friedrich Petry. Der kennt sich wie kein zweiter in der baulichen Stadtgeschichte aus und stellt dem Team sein Wissen und Unterlagen zur Verfügung. „Er war uns eine große Hilfe“, sagt Rafael Roth.
Die Stadtbrände
Petry erinnerte am Rand der Grabung an die vielen Stadtbrände, die die Berleburger im 15. und 16. Jahrhundert immer wieder zwangen, ihre Stadt neu aufzubauen. 1547 war dabei sogar die erste Kirche schwer beschädigt worden. Sie stand dort, wo sich heute der linke Flügel des barocken Residenzschlosses erhebt.
Die besondere zweite Stadtkirche
Ab 1574 wird auf dem Marktplatz die zweite Kirche errichtet.
Sie ist nicht – wie üblich – in Ost-West, sondern Nord-Süd-Ausrichtung gebaut worden. Laut Petry war sie 12,5 Meter breit und 23,5 Meter lang. Das Schiff war acht Meter hoch und der Dachfirst lag in 15 Metern.
Im Norden, gegenüber der Schlosswache befand sich außerdem ein Querhaus. Darunter war die Krypta in den Felsen gehauenen und mit einem Gewölbe versehen worden, wie die Ausgrabungen jetzt zeigen. Die Grablege der Wittgensteiner Grafen soll an die 30 Särge gefasst haben.
Über der Krypta befand sich ein Raum, der möglicherweise als Schule genutzt wurde. Außerdem gab es darüber die Grafenloge und eine Küsterwohnung. Oben auf dem Haus erhob sich dann ein achteckiger Kirchturm mit einer höhe von an die 20 Metern.
Wie die Kirche ausgerichtet war, davon zeugt heute noch der Grundstückskataster, der die Kontur des Baues nachempfindet. Die 314 Quadratmeter große Parzelle gehört nach wie vor der evangelischen Kirchengemeinde Bad Berleburg.
Erst 1574/75 konnten die Berleburger ihre zweite Kirche bauen. Damals waren zwölf Maurer aus Hessen beteiligt, so Hans Petry. Hilfsdienste mussten vor allem die Frauen und Mädchen aus Homrighausen, Schüllar und Wemlighausen leisten. Wo waren die Männer? Auch das weiß Petry: Die Männer waren als Fuhrleute damit beschäftigt, das Baumaterial heranzuschaffen. Rotsandstein für Fenster und Türfassungen aus der Nähe von Frankenberg und Schiefer aus Hallenberg. Mit Kuhgespannen dauerten die Fahrten lang. Allein für die Fahrt nach Frankenberg sei es an einem Tag hin und erst am nächsten zurückgegangen.
Die neue Kirche
Bad Berleburg öffnet Fenster in vergangene Jahrhunderte
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1833 dann wurde auch zweite Stadtkirche als baufällige Kirche geschlossen und 1839 abgetragen. Nur die Fürstengruft blieb zunächst unangetastet, weil der Fürst hoffte, an gleicher Stelle ein neues Gotteshaus errichten zu können. Weil sich die Bürger der Stadt aber nicht einigen konnten, fällt der preußische König 1853 ein Machtwort und entschied über den Standort der heutigen evangelischen Stadtkirche „auf dem Schirm“ an der Schloßstraße.
Erst 1859 wurde dann die Gruft geräumt und viele Särge auf den Friedhof umgebettet - Aber nicht alle Särge. Rafael Roth und Nils Hellner haben auch Knochen gefunden, die man nicht eindeutig zuordnen kann. darunter ist auch einen Kinderschädel. Das passt, weiß Prof. Baales, denn zwei Jungen wurden nach der Umbettung vermisst. Laut Nils Hellner starb ein 6-Jähriger an den Blattern und der 8-Jährige soll bettlägerig gewesen sein. Immerhin der Schädel eines dieser jungen Mitglieder der Fürstenfamilie wurde gefunden und soll nun anthropologisch untersucht werden, so Prof. Baales.
Ebenso spannend sind der Fund eins Buntmetallknopfes, der zu einer Uniform oder einem Totengewand gehört haben könnte, eine Reihe von eisernen Sargbeschlägen und die Münze: Ein in der damaligen Zeit gebräuchlicher Kleingroschen, eine „Stüber“. Außerdem fanden die Ausgräber auch noch gut erhaltene Steingut-Wasserleitungen sowie Eisenringe, mit denen hölzerne Wasserleitungen zusammengehalten wurden. Das passt, weil es auf dem heutigen Goetheplatz über viele Jahrhunderte Brunnen gegeben hatte.
Bilder vom Berleburger Goetheplatz
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Jetzt mit dem Ende der Grabungen schließt sich das Fenster in die Stadtgeschichte wieder: Die Grundmauern werden noch etwas abgetragen und dann werden die Funde wieder zugeschüttet, um sie zu erhalten wie Prof. Baales erläutert. An der Luft würden Mauerwerksreste aber auch alles ander noch schneller verfallen. Spannend bleibt nun die Frage, was aus diesen Erkenntnissen wird: „Ich bin gespannt, wie das alles aufbereitet wird“, sagt Johannes Röhl, der die Grabungen für das Fürstliche Haus begleitet hat und vor allem Hans Petry beglückwünscht: „Es freut mich für Hans Petry, dass sich so viele Dinge bestätigt haben.“
Der Projektleiter der Stadtverwaltung, Christoph Koch erinnert daran, dass die Geschichte des Platzes aber auch der Stadt auf dem neuen Goetheplatz dokumentiert wird. Beispielsweise gebe es die Idee einer Steele auf der Informationen digital abrufbar sein können.
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