Bad Laasphe. Angela Esch-Schomann, Lehrerin aus Siegen, tritt im Herbst in der Lahnstadt für „Die PARTEI“ an. Ein Gespräch über Vorhaben und Vorlieben.
Dirk Terlinden und vielleicht auch Dr. Torsten Spillmann bekommen Konkurrenz bei der Bürgermeister-Wahl im Herbst: Für „Die PARTEI“ mit dem Satiriker Martin Sonneborn an der Spitze kandidiert Angela Esch-Schomann aus Siegen. Am Freitagabend wurde sie bei der Mitgliederversammlung im Bad Laaspher Haus des Gastes mit nicht weniger als neun von neun gültigen Stimmen gewählt. Mit ihr sprach die Redaktion über konkrete politische Vorhaben, aber auch über persönliche Vorlieben.
Mögen Sie Waschbären? Schließlich tritt Ihre Partei „Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative“ (Die PARTEI) in Bad Laasphe unter anderem mit der Forderung nach einer Schutzzone für die possierlichen Tierchen an.
Zunächst muss ich mal eine Lanze brechen für die vielen Waschbären, die bereits seit Jahrzehnten in diesem Land leben. Sie tragen Maske und waschen sich regelmäßig die Pfoten – dazu bedurfte es für sie nicht erst eines pandemischen Virus. Viele dieser emsigen und geselligen Zeitgenossen kenne ich persönlich und kann angesichts ihres enormen Integrationswillens die Anfeindungen aus Teilen der Gesellschaft in keiner Weise nachvollziehen.
Meine Partei möchte deshalb auch Gebäude-Leerstände in Bad Laasphe nutzen, um zumindest einem Teil der vielen schutzsuchenden Waschbären ein erstes sicheres Zuhause anbieten zu können. Mit Sorge betrachten wir zudem die wachsenden Spannungen an der Wittgensteiner Grenze zum Sauerland: Hier sieht sich mit den friedliebenden Wisenten eine weitere Gemeinschaft immer schärferen Attacken ausgesetzt.
Aber auch darum geht es in den „Eckpunkten“ des Bad Laaspher Ortsverbandes zur Wahl: Mehr direkte Bürgerbeteiligung durch Bürgerbefragungen und Volksabstimmungen, Schaffung einer nachhaltigen und barrierefreien Infrastruktur. Möchten Sie Ihren Wählern in Wittgenstein das einmal an dem ein oder anderen Beispiel erklären?
An den Theken der örtlichen Kneipen werden regelmäßig Mitglieder meiner Partei als kompetente Gesprächspartner für die Bürgerinnen und Bürger parat stehen. Einen weiteren Baustein sehen wir in einer deutlichen Vergrößerung des Stadtrates nach dem Vorbild des Bundestages. Da hoffen wir auf die Kooperation der anderen Parteien.
Bei der Infrastruktur mussten wir zuletzt feststellen, dass die Maskenpflicht im ÖPNV eine gute Sache ist. Jetzt wäre es noch gut, wenn Wittgenstein einen ÖPNV bekäme. Also einen, der seinen Namen verdient. Meinetwegen teuer, unzuverlässig und schmutzig. Hauptsache, der ländliche Raum muss nicht hinter den großen Ballungszentren dieses Landes zurückstehen.
Und was haben Sie da noch vor?
Weiterhin möchten wir einen Fördertopf auflegen, zur Beseitigung von Gefahrenstellen aufgrund von Treppenstufen vor Kneipen und Restaurants. Insbesondere beim Verlassen der Lokalitäten kommt es häufig zu schweren Stürzen. Manchmal sind auch ältere Menschen betroffen. Und dann gehen teilweise nicht nur Rollatoren oder Krückstöcke zu Bruch, sondern auch das Sixpack für Zuhause.
Stichwort Nachhaltigkeit?
Auf unsere Forderung der Nachhaltigkeit möchte ich an dieser Stelle auch kurz eingehen, obwohl es natürlich eher ein abendfüllendes Thema ist. Es ist mittlerweile bis nach Siegen gedrungen, dass die Stadt Bad Laasphe einen noch sehr preußisch geprägten Bauhof hat. Da möchten wir umfangreiche ökologische Schulungen für die Mitarbeiter zu Pflicht machen, um etwa das radikale Abmähen von unverzichtbaren Lebensräumen für wertvolle Insekten auf ein absolut notwendiges Minimum zu beschränken. Für den Bauhof würden trotzdem noch genügend Aufgaben bleiben. Hunderte herausstehender Kopfsteine im Stadtzentrum warten sehnlichst darauf, wieder ebenerdig eingesetzt oder zumindest als Wittistone bemalt zu werden, um mitgenommen zu werden und nicht als Stolperfalle ihr Dasein fristen zu müssen.
Nehmen wir mal an, Sie würden im Herbst tatsächlich gewählt: Was würden Sie als PARTEI-Bürgermeisterin anders machen als Ihr Vorgänger?
Komplettes Schulsystem ausgereizt
Angela Esch-Schomann (39) ist in ihrem Leben „sehr oft umgezogen. Aber meine prägende Zeit war in Mayen, in der Eifel“. Momentan lebt sie am Rosterberg in Siegen.
Die 39-Jährige blickt auf eine umfassende Bildung zurück. „Ich habe das komplette deutsche Schulsystem ausgereizt: Hauptschule, Realschule, Berufsausbildung zur Steuerfachangestellten, dann auf dem zweiten Bildungsweg in Koblenz zum Abitur, dann Studium auf Lehramt Philosophie und Germanistik für Realschule. Und jetzt bin ich Lehrerin in einer Grundschule, zur Vertretung. Die Umschulung läuft. Und vielleicht bin ich bald Direktorin?“
Esch-Schomann ist verheiratet, Mutter einer dreijährigen Tochter namens Lucy Maria Iris und Besitzerin zweier Katzen.
Ihre Hobbys: „Als Lehrerin laminiere ich gerne, spiele aber auch gerne Klavier. Und politische Arbeit ist mein Hobby. Bei der Partei „Die Partei“ ist die 39-Jährige seit 2017. Und sie ist Fan von Martin Sonneborn – wer hätte das gedacht?
Wahrscheinlich würde ich öfter die Frauentoilette aufsuchen als Herr Dr. Spillmann.
Apropos: Viele öffentliche Toiletten, aber auch solche in Vereinsheimen oder von mobiler Bauart bei Märkten oder Festen entsprechen selbst im Jahre 2020 noch immer nicht den Anforderungen unserer formal gleichberechtigten Gesellschaft. Die Grundflächen von Frauen- und Männertoiletten gleich groß zu halten, entbehrt ob der unterschiedlichen Herangehensweisen zur Erledigung des jeweiligen Geschäftes jeder Logik. Auch dem Fakt, dass Frauen oftmals Kinder dabeihaben, wird keine Rechnung getragen. Wickeltische auf Männertoiletten sind eine echte Rarität.
Und wie sieht‘s da mit der Barrierefreiheit aus?
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Menschen mit schweren körperlichen Handicaps sehen sich oft mit extremen Herausforderungen konfrontiert, um überhaupt in Toilettenräume gelangen. Seniorinnen und Senioren könnte man das Leben mit mehr Griffen, breiteren Kabinen oder höheren Schüsseln sehr erleichtern.
Und jetzt kommen Sie mir bitte nicht mit dem Kostenargument. Ein Kampfjet auf Bundesebene weniger und tausende Kommunen könnten den Umbau von Toiletten angehen. Da wollen wir Druck machen, weil jede und jeder von Zeit zu Zeit Druck hat.
„Chemtrail-Pilotin“ oder Lehrerin? Wo sehen Sie denn nun wirklich Ihre Berufung? Oder verbindet sich beides auf kongeniale Weise?
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Die Berufung sehe ich natürlich eher als Lehrerin – ich befinde mich ja auf dem Boden der Tatsachen. Ja, Kinder unterrichten macht mir wirklich viel Spaß. Andererseits bin ich eben Fan von Verschwörungstheorien wie der von den Kondensstreifen am Himmel, die uns Menschen negativ beeinflussen. Ich würde solche Flugzeuge fliegen – einer muss es ja machen. Eine Verbindung meines Berufs und meiner Fan-Leidenschaft wäre allerdings absolut suboptimal und nicht erstrebenswert.
Erzählen Sie dem Wittgensteiner doch mal etwas über Urmersbach und seinen Underground…
Der „Urmersbacher Underground“ war tatsächlich eine Zeitschrift, die ich in meiner Jugend im rheinland-pfälzischen Dorf Urmersbach veröffentlicht habe – um meine schillernde Person an die Frau zu bringen. Ich hatte im Alter von 14 bis 16 tatsächlich 16 Ausgaben mit einer Auflage von jeweils zwei Exemplaren – plus Kopien meines Lehrers für weitere Schüler. Themen waren unter anderem das Wetter, Gerüchte von Nachbarn verbreiten, Kontaktanzeigen im Namen anderer und – ein bisschen Politik. Meine Eltern waren immer sehr SPD-affin – also habe ich mir schon früh den „Spiegel“ gegriffen und versucht, ihn in meine Kindersprache zu übersetzen. Heute kaufe ich mir regelmäßig das Satire-Magazin „Titanic“ – obwohl 5 Euro dafür vielleicht ein bisschen übertrieben sind...
Als Hobby Spaziergänge – und zwar lange – haben Sie da schon einmal Bekanntschaft mit dem Wittgensteiner „Erholungszentrum Wald“ gemacht?
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Bisher noch nicht. Da muss ich mich wirklich beeilen, sonst ist vom Wittgensteiner Wald nicht mehr viel übrig. Wussten Sie eigentlich, dass Borkenkäfer ursprünglich der biologischen Kampfmittelforschung russischer Labors entstammen sollen und in den Dauerkonflikten des letzten Jahrhunderts immer wieder gezielt eingesetzt wurden? Inzwischen ist der Kalte Krieg zwar lange vorüber, aber hier vor Ort müssen wir uns jetzt mit den Spätfolgen herumschlagen.
Wann startet eigentlich Ihr Wahlkampf? René Pomrehn, 1. Vorsitzender der Partei „Die PARTEI“, Ortsverband Bad Laasphe, sprach im Dezember gegenüber unserer Redaktion von „Bällebad, Einhörnern, Kissenschlachten, Bandauftritten“ als kreative Ideen. Sind Sie dabei? Vielleicht auch mit ganz anderen Ideen, um die Wählerschaft zu erreichen?
Das sind alles ganz wunderbare Ideen, die wir unter den derzeitigen Corona-Bedingungen vielleicht etwas abwandeln müssen. Kissenschlachten mit zwei Metern Abstand sind nicht ganz so lustig, vielleicht können wir da auf Bettdecken ausweichen. Das muss man eruieren.
Einhörner gehören selbstverständlich zu jedem guten Wahlkampf. Meine Parteigenossinen und –genossen vor Ort werden übrigens immer ganz melancholisch beim Gedanken, dass Bad Laasphe nicht auch Wasserkurort geworden ist. Vielleicht machen wir uns nochmal für eine Thermalbohrung stark.
Wie verändert die Corona-Krise unsere Politik?
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Wahrscheinlich gar nicht so viel. Jeder bedient weiterhin seine Klientel. Parteien wie CDU und FDP werden wohl angesichts der „apokalyptischen“ Krise und der damit einhergehenden, massiven Einschränkungen für die gesamte, national wie international maximal systemrelevante Wirtschaft dieses Landes und insbesondere unserer Region fordern, den Klimaschutz zugunsten wirtschaftlicher Belange für die nächsten Jahre einzustampfen. Ein wahrhaft zukunftsträchtiges Konzept – muss man neidlos anerkennen. Denn auch meine Partei ist gewillt, der Wirtschaft zügig wieder auf die Beine zu helfen. In Kneipen und Restaurants werden wir daher auch ganz persönlich vollen Einsatz zeigen.
Der Raiffeisen-Markt in Bad Laasphe forderte kürzlich, zur Abfederung der negativen Corona-Folgen seine Waschstraße auch sonntags öffnen zu dürfen. Wir möchten da gerne einen Schritt weitergehen und planen die befristete Einführung einer Acht-Tage-Woche, damit der gesamte Einzelhandel die finanziellen Einbußen noch schneller aufholen kann.
Der Satiriker Martin Sonneborn, der für „Die PARTEI“ im EU-Parlament sitzt, verortet seine und Ihre Partei als seriös populistisch in der extremen Mitte, als Wahlmöglichkeit für intelligente Protestwähler. Wie verstehen Sie das?
Es ist gerade für die vielen jungen Anhänger unsere Partei sehr wichtig, zu wissen wo wir weltanschaulich aber auch inhaltlich stehen. An dieser Maßgabe richten wir unser fortwährendes Bestreben aus, eine breite Basis für das solide Fundament zu schaffen, welches jeder guten Politik für die Menschen und Tiere zugrunde liegen muss und innerhalb dieses Gestaltungsrahmens mit Augenmaß und zukunftsorientiert die vor uns liegenden gesellschaftlichen Herausforderungen kreativ und entschlossen anzugehen.
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Gemäß dem Wahlversprechen „Ja zu Europa, Nein zu Europa“ stimmt Sonneborn im EU-Parlament abwechselnd mit Ja und Nein. Ein Vorbild für die Bad Laaspher Politik?
Ja und Nein. Ja, weil Zustimmung zu einer Sache meist mit einem positiveren Gefühl verbunden ist als Ablehnung. Nein, weil sich der Genosse Sonneborn inzwischen parlamentarisch etabliert hat und die Einhaltung von Wahlversprechen nicht mehr in diesem Maße praktiziert.