Bad Berleburg. Gemeinsames Singen in Zeiten von Corona? Im Haus Sähling in Bad Berleburg kein Problem. Die Senioren haben dies einfach auf den Balkon verlegt.

Noch ist es ruhig rund um das Haus Sähling in Bad Berleburg. Vögel zwitschern in den Bäumen, während die Sonne auf die Balkone des Altenheims scheint. Vera Lauber, Kunsttherapeutin und beim Sozialdienst, bereitet derweilen alles für die anstehende Musikstunde mit den Bewohnern vor – nicht im Heim, sondern draußen im Garten. Mit Mundschutz und einer Gitarre in der Hand geht sie zu einem der zwei Stühle, die auf der Wiese stehen. Dann beginnt Vera Lauber mit dem ersten Lied und es dauert nicht lange, bis die ersten Bewohner ihre Balkontür oder das Fenster öffnen und mitsingen.

Zeit für Kreativität

Jeden Mittwoch treffen sich die Bewohner vom Haus Sähling in der Regel zum gemeinsamen Singen – für gewöhnlich vor dem Kirchensaal. Doch in Zeiten von Corona ist dies nicht mehr möglich. Denn: Gruppenveranstaltungen jeglicher Art sind nicht mehr gestattet. „Wir möchten den Bewohnern mit der Aktion ein Stück Normalität geben.“, so Vera Lauber, die die Idee hatte, das Singen nach draußen zu verlegen. Eine Idee, die den Bewohnern sichtlich Spaß macht. 30 Minuten werden nun jeden Mittwoch gemeinsam vom Balkon oder aus dem Fenster heraus gesungen. „Viel länger können einige unserer Bewohner auch nicht stehen“, sagt Hausleiterin Edith Aderhold.

In Coronazeiten findet das Gruppensingen im Haus Sähling in Bad Berleburg nicht, wie gewohnt vor dem Kirchensaal statt, sondern auf den Balkonen der einzelnen Bewohner.
In Coronazeiten findet das Gruppensingen im Haus Sähling in Bad Berleburg nicht, wie gewohnt vor dem Kirchensaal statt, sondern auf den Balkonen der einzelnen Bewohner. © Ramona Richter

Auch sie ist begeistert von der Idee. „Auf diese Weise sind die älteren Menschen nicht ganz allein.“ Aktuell gibt es für die Bewohner nur eine Einzelbetreuung, Gruppentreffen im Café oder Park sind nicht gestattet und auch auf Besuche müssen die Bewohner aktuell verzichten. „Einige nutzen die Zeit, um draußen spazieren zu gehen. Aber selbst das können nicht mehr alle“, so die Hausleitung. Aber sie sieht in der aktuellen Situation auch positive Dinge. „Man wird kreativ. Letztens haben wir einen Bewohner mit dem Rollstuhl an die Rampe im Eingangsbereich geschoben, damit seine Angehörigen ihn von weitem besuchen konnten.“ Wiederum andere Bewohner sehen ihre Angehörigen vom Balkon aus.

Zudem spielen E-Mails nun verstärkt eine Rolle. „Wir haben gemeinsam mit den Kollegen zwei Tage lang die E-Mail-Adressen der Angehörigen zusammengetragen. Seitdem bekommen die Besucher vermehrt Post per Mail“, sagt Aderhod. Bald sollen auch Videotelefonate per Tablet möglich sein.

Bunte Bilder und Postkarten

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Und auch sonst zeigt sich in der Coronakrise eine starke Solidarität unter den Menschen – so Aderhold, die sich über zahlreiche, selbstgebastelte Postkarten für die Bewohner freut. „Eine Frau hat kürzlich fast 90 solcher Karten vorbeigebracht, sodass jeder unserer Bewohner mittlerweile zwei Karten bekommen hat. Die haben sich so darüber gefreut.“ Und auch Friseurmeisterin Marina Marchel möchte den Senioren im Haus Sähling eine Freude machen. So startete sie eine Bilder-Aktion – Kinder malen ein Bild für die älteren Menschen und geben sie bei Marina Marchel ab. Erst kürzlich hat sie um die 30 Bilder der Hausleitung übergeben. „Ich bin für gewöhnlich einmal die Woche im Haus Sähling, um den Menschen dort die Haare zu machen. Das geht aktuell nicht. Also wollte ich den Menschen dort auf eine anderen Weise eine Freude machen“, so Marchel, die weiterhin Bilder annimmt. „Die Bilder sind echt schön geworden – einige sogar österlich.“

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Damit auch die Bewohner im Haus Sähling trotz Einzelbetreuung nicht auf Ostertraditionen verzichten müssen, haben die Mitarbeiter kurzerhand einen Wagen zum Ostereierfärben mit verschiedenen Farben bestückt. „Den können wir zu den Bewohnern fahren, damit sie sich wenigstens ein Ei färben können. So wird bei jedem Bewohner einmal Halt gemacht“, sagt Edith Aderhold und lacht. „In solchen Situationen muss man sich eben Alternativen überlegen. Man sollte auch in dieser neuen und schwierigen Zeit die schönen Dinge wahrnehmen.“