Bariloche/Bad Laasphe. Die Bad Laaspherin radelt für SOS-Kinderdörfer durch Südamerika. Dieses Mal erlebt sie die Gewalt der Natur und des Zweiten Weltkrieges.
„Endlich, Patagonien! Wie oft hatte ich es mir in meiner Vorstellung ausgemalt, wie sehr hatte ich mich danach verzehrt”, schrieb einst der Naturforscher William Henry Hudson über den südlichsten Teil Südamerikas. Ähnlich euphorisch klang das bei Lisa Achatzi, als sie die Schwelle zu diesem berühmten Fleck Erde mit ihrem Fahrrad überquerte. Bis in die Nähe der Magellanstraße sind es zwar noch fast 2000 Kilometer, doch schon jetzt bekommt die Bad Laaspherin erste Eindrücke von der einmaligen Schönheit Patagoniens. Wie wichtig der menschliche Umgang mit dieser Schönheit ist, wurde Achatzi kurz nach Neujahr an der chilenischen Küste klar, als sie ihren Augen kaum trauen konnte.
Rauchschwaden am Himmel
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„Ich dachte erst, dass irgendwo in der Nähe etwas brennen würde und überlegte zunächst nicht weiter“, erzählt Achatzi, als sie von der Hafenstadt Valparaíso in Richtung Süden aufbricht. Doch es ist kein Feuer in der Nähe, sondern eines in weiter Ferne: Es sind Rauchschwaden der australischen Buschbrände aus 11.000 Kilometer Entfernung. Der Himmel ergraut, die Sonne scheint am Abend rötlicher. Wieder einmal zeigt sich, dass alles Leben auf der Erde miteinander verbunden ist.
Und noch etwas stellt Achatzi in diesen Tagen fest: „An der Küste habe ich gemerkt, dass ich ein Bergmensch bin.“ Achatzi beschließt daher ins Landesinnere zu fahren. Doch um die Berge in der Nähe von Pucón zu erreichen, muss sie zunächst 400 Kilometer auf der Autobahn fahren. Das sei in Chile erlaubt – zumindest glaubt sie das, nachdem mehrmals vorbeifahrende Polizisten freundlich gegrüßt hätten. Zu einem extra Seitenstreifen ist für Autos und Lkws ein Mindestabstand vorgegeben, weshalb die drei Tage auf Asphalt relativ sicher waren, so Achatzi. Die Nächte verbringt Achatzi auf Lkw-Rastplätzen, die aufgrund der Duschen „ziemlich luxuriös“ seien.
Mit Mut gegen Klischees
Die Zeiten und Gegenden, wo sie im Nirgendwo stundenlang alleine fuhr, gehören auf diesem Abschnitt der Vergangenheit an. „Je südlicher man kommt, desto mehr Fahrradfahrer sieht man“, schildert Achatzi die zunehmende Masse an Radfahrern. Nachdem sie ein Pärchen überholt hat, kommt ihr eine ganze Radfahrgruppen entgegen, Haltebuchten und Raststätten werden von vielen Reisenden für Pausen genutzt. Dabei gibt es eine Sache, die Achatzi ein bisschen stört. Immer wieder wird sie mit der Frage konfrontiert, wie sie als Frau alleine reisen könne. Kein Begleiter? Kein Freund? Kein Beschützer? Es sind genau diese stereotypischen Sätze, die Frauen als hilflos und ungeschickt darstellen.
„Seit fast fünf Monaten bin ich unterwegs und mir ist noch nichts passiert. Dass eine Frau so eine Reise alleine macht, sollte in einer Welt, die okay ist, nichts Besonderes sein.“ In den sozialen Medien bekommt Achatzi immer wieder von Frauen weltweit Mut zugesprochen, Spenderinnen bedanken sich für die Inspiration, die Achatzi mit ihrer Reise „auf eigene Faust“ gebe. Solche Nachrichten berühren Achatzi sehr, denn sie unterstreichen die Probleme einer patriarchalischen Gesellschaft.
Vom Vulkan zum Nazi-Ort
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Auf dem Weg zu ihrem Etappenziel Bariloche, durchquert sie den Nationalpark Villarica, wo sich ihr der mächtige und gleichnamige Vulkan in den Weg stellt. Das letzte Mal brach der 2847 Meter hohe Riese vor genau einem Jahr aus, Tausende mussten evakuiert werden. Von dort aus geht es weitere 350 Kilometer Richtung Süden, ehe sie in der argentinischen Großstadt Bariloche ankommt.
Der malerische Ort, umgeben von Bergen und Seen, ist nicht nur durch seine vielen attraktiven Angebote für Touristen, vor allem Wanderer, bekannt. Bariloche erregte Anfang der 1990er Jahre weltweites Aufsehen, nachdem dort bekannte deutsche Kriegsverbrecher aufgespürt wurden, darunter hochrangige Offiziere und Kommandeure. Besonders die Geschichte des SS-Hauptsturmführers Erich Priebke ist untrennbar mit Bariloche verbunden. Der „Schwarze Engel von Rom“, der vor allem wegen des Massakers in den Ardeatinischen Höhlen gesucht wurde, hatte hier einen Feinkostladen eröffnet und bewegte sich als Vorsitzender einer Schule in der Mitte der Gesellschaft.
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Heute sind die ehemaligen Häuser der Kriegsverbrecher Stationen historischer Stadtführungen. Lisa Achatzi hingegen wird nicht in Bariloche verweilen, sondern immer tiefer in die mystischen Landschaften Patagoniens vordringen.
>>> FÜR EINEN GUTEN ZWECK
- 19.000 Kilometer legt Lisa Achatzi für SOS-Kinderdörfer mit dem Fahrrad zurück. Von Kolumbien nach Feuerland und landeinwärts nach Brasilien, führt ihre Tour durch insgesamt neun Länder.
- Wer sie mit Spenden unterstützen möchte, kann dies über ihren Reiseblog www.wheelsoffortune.org tun.
- Zwei Mal im Monat berichtet unsere Redaktion von Achatzis Reise, per Sprachnachrichten schildert die Laaspherin ihre Eindrücke und Erlebnisse.